Ausschussreise Oslo 2. Tag

Heute waren so viele Gespräche/Termine mit so vielen Informationen, dass ich dies nicht auf die Schnelle zusammenfassen kann:

  • Mit dem Deutschen Botschafter
  • Mit dem Dachverband der Frauenhäuser
  • Mit Vertreter*innen einer NGO für LSBTTI 
  • Mit einer Ombudsstelle für Gleichstellung und Diskriminierung
  • Und am Rande spannende Gespräche mit unserem Übersetzer 

Ich nehme jetzt mal mehrere Themen, die mir heute (positiv oder negativ) aufgefallen sind.

Positiv: 

Unser Übersetzer erwähnte, warum viele gerne hier arbeiten: es gibt wohl in sehr vielen Unternehmen viel Wertschätzung für Arbeit. Überstunden werden gut bezahlt (50 Prozent Zuschlag, nach 21 Uhr 100 Prozent). Auch Räumlichkeiten sind oft sehr angenehm gestaltet, scheint mir. Bilder von der Ombudsstelle zum Beispiel:

   
  

 

Negativ: 

Die Diskussion zu Sexarbeit fand ich schwierig (mit der Vertreterin des Dachverbandes der Frauenhäuser). Sexarbeit als Wort ist verpönt, weil dies nicht als Arbeit angesehen wird, sondern generell als Gewalt (wie Pornografie auch). Sex zu kaufen, ist verboten. Was also auf die Kunden abzielt, nicht auf die Menschen, die so arbeiten. Ich tue mich auch aus feministischer Sicht schwer damit, Menschen (meist sicher Frauen) vorzuschreiben, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreiten wollen und finde daher die Absolutheit der Aussagen zu Prostitution schwierig. (Natürlich gibt es trotzdem Prostitution.)

Drogen scheinen ebenfalls Tabuthema zu sein. Zwar wurde in mehreren Gesprächen erwähnt, dass es Drogenkonsum gibt. Es scheint aber, nach Aussage unseres Übersetzers, eher eine Kultur des Tabuisierens und sogar des Verpetzens zu geben. (Ich habe keine Ahnung, ob und in welchem Maß es eine alternative Szene zumindest in Oslo gibt und ob das da auch der Fall ist.) Nachtrag: Bei einer Stadtführung wurde uns gesagt, dass es im Verhältnis zu Deutschland sehr viele Drogentote gebe. (300 pro Jahr)

Zum Schluss für heute ein hübsches (leer stehendes?) Haus. (Hat Oslo eigentlich besetzte Häuser?)

  

Ausschussreise Oslo 1. Tag

Der Ausschuss für Frauen, Emanzipation und Gleichstellung befindet sich derzeit in Oslo. (Ausschüsse haben für solche Fahrten ein Budget. Ich habe keine Ahnung, wie hoch das so pro Ausschuss ist, allerdings vermute ich, dass wir dies hiermit nicht ausschöpfen. Bezahlt wird Flug und Hotel. Essen/Getränke bezahlen wir selbst. (In Oslo kostet allerdings so als Vergleich ein Bier, ein Glas Wein ca. 10 Euro. Ich bin gespannt, was für Reisekosten das so produziert.))

Ich versuche, ein paar Eindrücke zusammenzufassen. (Das kostenfreie Internet im Hotel ist in anderen Ländern schnell und daher sogar für Bilder geeignet.)

Wir werden natürlich vor allem Fragen der Gleichstellungspolitik diskutieren, aber vermutlich ergeben sich am Rande auch andere Themen. 

Für die Anarchist*innen unter meinen Leser*innen: Direkt nach der Ankunft habe ich aus dem Bus ein hübsch buntes Haus mit anarchistischer Fahne gesehen. (Könnte das „Blitz“ gewesen sein.) 

Am ersten Tag haben wir mit Vertreter*innen des Parlamentes gesprochen und dieses besichtigt und mit Frauen des Direktorates (Bufdir) gesprochen, die sich mit Themen wie LGBTI, Diskriminierung (auf unterschiedenen Ebenen, also Gender, Behinderung etc.), Gewalt gegen Frauen (und Männer) beschäftigen. Es werden zum Beispiel diverse Studien zu unterschiedlichen Themen in Auftrag gegeben, um dann wissensbasiert reagieren zu können. 

Es gibt in Norwegen eine Quote von 40 Prozent in Aufsichtsräten von staatlichen Unternehmen. Allerdings löst das keineswegs die Probleme. In privaten Unternehmen ist der Anteil weiterhin zu gering. Auch im Parlament, in den Medien etc. sind Frauen unterrepräsentiert. Der Anteil arbeitender Frauen ist sehr hoch, allerdings arbeiten viele Frauen in Teilzeit. Die Probleme sind also ähnlich wie in Deutschland. 

Sehr auffällig finde ich persönlich, dass es in Oslo sehr viele bettelnde Menschen gibt. Bisher habe ich noch zu wenig Informatinen, wie die Sozialpolitik in Norwegen funktioniert. (Es gibt wohl Diskussionen, betteln zu verbieten, was natürlich das Problem nicht löst. Es wirkt mir so, dass davon ausgegangen wird, dass alle Menschen arbeiten können/sollen/wollen. (Arbeitslosenquote um 4 Prozent ist mit der in Deutschland allerdings nicht vergleichbar.))

Es scheint in einigen Formulierungen Hinweise auf  ein recht deutliches Nationalbewusstsein/Nationalstolz zu geben. Damit muss ich mich nochmal beschäftigen. Weiterhin scheint Flüchtlingspolitik auch diskutiert zu werden. Gewollt zu sein scheinen vor allem „leistungsbereite, leistungsfähige“ Geflüchtete. 

Zunächst ein paar Bildchen.  (Umgebung Parlament, im Parlament und zum Schluss Umgebung Hotel, Aussicht Hotel)

               

Kleine Anfragen zur (mobilen) Telekommunikationsüberwachung in NRW – Stellungnahme zu den Antworten der Landesregierung

Stellungnahme Torsten Sommer, Birgit Rydlewski und Gastautor

Vor einigen Wochen haben unsere Landtagsabgeordneten Birgit Rydlewski und Torsten Sommer mehrere Kleine Anfragen (3331 bis 3336, Drucksachen-Nummern 16/8478 bis 16/8483) betreffend die Nutzung von Maßnahmen zur Überwachung mobiler Telekommunikation durch nordrhein-westfälische Behörden gestellt. Diese bezogen sich auf die Nutzung von

  • nicht individualisierten Funkzellenabfragen
  • Ortungsimpulsen (sog. „Stille SMS“)
  • W-Lan-Catchern und
  • IMSI-Catchern

– und  zwar jeweils durch

  • die Dortmunder Polizei 
  • die Düsseldorfer Polizei
  • das Landeskriminalamt und 
  • den nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz

(Dokumentenlinks siehe unten (ab 26.5. online))

im Zeitraum von 01.01.2014 bis heute. Außerdem baten sie um Angabe von Anlass und Ort der Maßnahme (und gegebenenfalls Zuordnung der Maßnahme zu einer Straftatengruppe). Aus den Antworten der Landesregierung eingegangenen Antworten ergeben sich ein paar interessante Erkenntnisse – und neue Fragen. 

   
Der W-Lan-Catcher als Mittel der technischen Überwachung scheint sich keiner allzu großen Beliebtheit zu erfreuen – er wurde nur einmal eingesetzt.

Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz scheint ebenfalls eher andere Quellen zu nutzen, denn auf sein Betreiben wurde nur einmal ein IMSI-Catcher in Düsseldorf eingesetzt.

Größerer Beliebtheit erfreuen sich die nicht individualisierten Funkzellenabfragen, die in kleinerer Zahl (in Düsseldorf zwei durch das LKA und 144 durch die Düsseldorfer Polizei; 58 in Dortmund durch die Dortmunder Polizei) im nachgefragten Zeitraum eingesetzt wurden.

Mit Abstand am häufigsten eingesetzt wurden die sogenannten „Stillen SMS“ (technischen Impulse zur Ortung des Endgerätes), und zwar in 8.575 Fällen durch die Düsseldorfer Polizei, in 39.259 Fällen durch das LKA und in 107.669 Fällen durch die Dortmunder Polizei.

Auffällig ist bereits auf den ersten Blick der große Unterschied zwischen den Zahlen für Dortmund und Düsseldorf: Auch wenn man berücksichtigt, dass beim Versand solcher Ortungsimpulse in jedem einzelnen Fall in der Regel eine Vielzahl von Ortungsimpulsen versandt wird, weil teilweise die versandten Ortungsimpulse ohne Wirkung bleiben (z.B. wenn das Endgerät ausgeschaltet ist oder im Ausland betrieben wird), bleibt die erstaunliche Tatsache, dass die Dortmunder Polizei mehr zwölfmal so viele Ortungsimpulse verschickt hat wie die Düsseldorfer Polizei.

Interessant sind aber auch die Dinge, die sich nicht direkt aus den Antworten selbst ergeben, sondern daraus, dass sie nicht beantwortet wurden (und werden konnten):

So liegen für den Einsatz der nichtindividualisierten Funkzellenabfragen durch das LKA in Düsseldorf „bedingt durch datenschutzrechtliche Löschfristen […] nur noch Daten für den Zeitraum 21.04.2014 bis 21.04.2015 vor.“ Beim Einsatz durch die Kreispolizeibehörden Dortmund und Düsseldorf hingegen schienen keine relevanten Löschfristen einschlägig gewesen zu sein, denn hier wurde die Antwort für den Zeitraum ab dem 01.01.2104 gegeben.

Die Zuordnung der aufgeführten Maßnahmen zu konkreten Anlässen scheitert ebenfalls an mangelnder Erfassung oder an ihrer schieren Zahl. So verweist die Landesregierung auf ihre Antwort (Drucksache 16/6051) auf unsere Große Anfrage 10 (Drucksache 16/5215) und ihre dortige Vorbemerkung, dass „bei der Beantwortung […] nicht auf statistische Daten aus gesetzlichen Berichtspflichten zurückgegriffen werden [konnte], da keine der hier angefragten Maßnahmen von der nach § 100b Abs. 5 und § 100g Abs. 4 StPO abschließend normierten Erhebungs- und Berichtspflicht erfasst wird.“ Und weiter, dass es „wegen der hohen Aktenanzahl […] es aus Sicht der Landesregierung in keinster Weise zu rechtfertigen [war], die Strafverfolgungsbehörden mit der Einzelfallauswertung zuungunsten ihrer eigentlichen Aufgaben zu belasten.“

Mit anderen Worten: Zwar werden die Überwachungsinstrumente selbst in einer Vielzahl von Fällen eingesetzt, die Dokumentation dieser Überwachung aber (und damit natürlich auch ihre Überprüfbarkeit) scheitert daran, dass sie nicht (bundes-)gesetzlich vorgegeben oder schlicht und einfach zu aufwändig ist!

Auf diesen Missstand haben die Piraten bereits im letzten Jahr reagiert und mit unserem Antrag vom 24. Juni 2014 (Drucksache 16/6118) eine Erhebungsmatrix für diese Maßnahmen gefordert, um den Einsatz dieser oftmals sehr tief in die Grundrechte eingreifenden Maßnahmen auch überprüfen zu können. In der dazu geführten Plenardebatte am 02. Juli 2014 (Plenarprotokoll 16/62, Seite 6226 ff.) allerdings waren alle anderen Parteien der Auffassung, eine solche Erhebungsmatrix sei schwierig in der Umsetzung oder gar völlig überflüssig, weil

„weitere Verpflichtungen angesichts der strengen Voraussetzungen in der StPO entbehrlich sind“ (Hans-Willi Körfges, SPD)

„unsere nordrhein-westfälischen Ermittler diese Instrumente verantwortungsbewusst einsetzen“, daher bestehe „für die Einführung einer kleinteiligeren Erhebungsmatrix […] schon faktisch keine erkennbare Notwendigkeit“ (Gregor Golland, CDU)

es unklar sei, „welchen Aufwand diese Anfrage auch in den Behörden mit sich bringt und wie man das vernünftig umsetzen kann.“ (Matthi Bolte, GRÜNE)

dies unter Datenschutzaspekten problematisch sei, weil „eine solche statistische Erhebung dazu führen [würde], Daten zu aggregieren, die personenbezogen sind oder personenbeziehbar sind.“ (Dr. Robert Orth, FDP)

Während man also bei der SPD grundsätzlich nicht versteht, dass das Gewaltmonopol kontrolliert werden muss, ist das blinde Vertrauen bei der CDU auch nach den Morden des NSU, den anschließenden Vertuschungen und dem systematischen Landesverrat der Dienste und Polizeibehörden nur noch als bürgerrechtsfeindlich einzustufen.

Den Grünen ist immer noch nicht bewusst, dass Polizeibehörden selbstverständlich ihre Arbeit sinnvoll dokumentieren müssen. Vor allem, wenn sie in Grundrechte eingreift. Die FDP springt mit dem Datenschutzargument an dieser Stelle viel zu kurz, ist doch davon auszugehen, dass die Polizei doch hoffentlich weiß, wen sie überwacht. Oder ist das alles dann doch wieder eine anlasslose Massenüberwachung?

Aber das kann uns die Landesregierung dann bei unserer nächsten Kleinen Anfrage beantworten, in der wir Aufklärung darüber erwarten, warum es solch eklatante Unterschiede bei der Nutzung von s.g. „stillen SMS“ zwischen den einzelnen Polizeidirektionen gibt. Dazu erwarten wir Antwort darauf, was sich hinter der Bezeichnung „Sonstige“ bei den aufgelisteten Straftaten verbirgt. Schließlich sind andere Straftaten selbst mit nur einem Fall kategorisiert.

Wir erwarten Antworten. Das Ausweichen, Vertuschen und Verschweigen muss ein Ende haben. Das Gewaltmonopol funktioniert in einer Demokratie nur nach dem Prinzip der wenigst möglichen Eingriffe in den Kernbereich des privaten Lebens und das muss entsprechend dokumentiert werden. Sonst ist, genau wie bei den Diensten, eine legislative Kontrolle durch das Parlament nicht möglich.

Dokumente:

Verfassungsschutz bez. Düsseldorf

Verfassungsschutz bez. Dortmund

LKA in Dortmund

Kreispolizeibehörde in Düsseldorf 

Kreispolizeibehörde in Dortmund

LKA in Düsseldorf

Tabuthema Suizid?

Triggerwarnung: Im folgenden Text geht es um Suizid, Freitod. Auch durchaus mit konkreten Bezügen und Gedanken dazu.

Darf man eigentlich als Politikerin überhaupt über Selbsttötung schreiben? Ach. Die geneigten Leser*innen werden ahnen, dass ich davon nicht abhängig mache, ob ich über ein Thema schreibe. Und dieses Thema ist wichtig. Ich empfinde es oftmals als Tabuthema in der Gesellschaft, in der Schule, im Sport, in der Politik, sogar im Freundeskreis. 

Es gibt durchaus ein weiteres Problem für mich, Selbsttötungsgedanken zu thematisieren. Es gibt diverse Typen, die mir den Tod wünschen. Die mit den Morddrohungen, mal weniger, mal mehr offen. Die mit den Vergewaltigungsdrohungen. Und so weiter. Mal aus der eigenen Partei. Mal von den Neonazis. Mal von anonymen Typen. Ich muss euch enttäuschen. Wegen euch springe ich mit großer Wahrscheinlichkeit nirgendwo runter. Vermutlich bin ich doch mit der Zeit ein wenig abgebrühter geworden.  

Ich denke, es gibt verschiedene Ebenen für mich, mich dem Thema „Selbstmord“ zu nähern. (Der Begriff ist gängig, juristisch aber ist „Mord“ nicht zutreffend und auch sonst passt der Begriff nicht, weshalb ich versuche, den Begriff zu vermeiden.)

Von der Ebene meiner Ausbildung aus. Ich habe unter anderem auch Psychologie studiert (neben dem Lehramtsstudium). Ich habe mich fortgebildet bezüglich Beratung und einige Jahre in der Beratung und der Krisenintervention in meiner ehemaligen Schule gearbeitet. Wir hatten leider in dieser Zeit Schüler*innen, die sich selbst getötet haben und welche, die Selbsttötung als Option zumindest in Gesprächen erwähnten.

Es gibt sicherlich nicht den einen richtigen Weg, um damit umzugehen.

Aber Suizid ist bei Jugendlichen Thema. Es ist die zweithäufigste Todesursache nach Unfällen. Professionell kann ich damit umgehen. Ich kann Menschen beraten, Hilfsoptionen anbieten, vor allem kann ich und sollten Institutionen und deren handelnde Menschen deutlich machen, dass Probleme, Fehler, Ängste eben nicht Tabu sein dürfen in Schulen, am Arbeitsplatz, in der Gesellschaft etc. 

Schwieriger sind persönliche Erfahrungen. Ich war selber mehrfach suizidal im Leben. Das hatte unterschiedliche Ursachen. Das Gefühl, alleine zu sein in Krisenphasen. Der Druck in der Politik. Die Intrigen. Die Machtspielchen. Das, was in der Partei läuft, um „Linksbizarre“ loswerden zu wollen. Stress mit Medien. (Selten sind es aber konkrete Drohungen. Die machen mich eher wütend und trotzig.)

Aber mitunter nimmt einfach das Gefühl der Feindschaft mit der Welt, mit der Gesellschaft, mit den Ungerechtigkeiten und der daraus resultierenden Ohnmacht überhand. So eine Leere verbunden mit dem Gefühl von Hilflosigkeit, die sich wie ein Schleier über alles legt und dem Leben die Farbe entzieht. 

Triggerwarnungen empfinde ich übrigens als sehr wichtig. (Ich achte aber selbst leider auch nicht oft genug darauf. Ich muss ebenfalls lernen, was alles für andere Menschen triggernd sein könnte. Manchmal sieht man das selber gar nicht.) 

(Erläuterung für Leser*innen, die sich mit dem Thema noch nicht detailliert beschäftigt haben: Als Trigger werden Auslöser bezeichnet, die dazu führen, dass man sich in eine Situation aus der Vergangenheit versetzt fühlt und dann auch entsprechend fühlt und eventuell handelt. Trigger können von anderen als Kleinigkeiten empfunden Eindrücke sein, wie ein bestimmter Geruch oder ein Geräusch. Die dann entstehenden (wiedererlebten) Gefühle können aber für Betroffene sehr heftig sein.) 

Triggerwarnungen bedeuten für mich, dass man eben nicht ohne Vorwarnung mit einem Thema konfrontiert wird. Jede/r muss selber entscheiden können, ob das Thema gerade ok ist. Ob man sich aktuell damit beschäftigen kann. Und das ist eventuell auch ein Punkt für Schulen/Lehrer*innen. Zu oft haben Schüler*innen in Schulen, im Unterricht nicht die Wahl, ob und wie sie sich wann mit einem Thema beschäftigen. Das halte ich für ein großes Problem, gerade bei sensiblen Themen. Ich wünsche mir da die Freiheit für Schüler*innen, jederzeit entscheiden zu können, aus dem Unterricht oder einem Gespräch gehen zu dürfen. 

Bei mir persönlich ist es sehr unterschiedlich, was mich wie triggert. Es gab Phasen, an denen Bahnhöfe Problem waren wegen der Möglichkeit, vor so einen Zug zu springen. Das hatte so einen Sog. 

(Auf der anderen Seite kann ich normalerweise auch schnell in einen professionellen Modus schalten. Ich hatte zum Beispiel mal ein Erlebnis mit einer Frau bei einer Fahrt nach Berlin. Diese Zugfahrt wurde wegen eines „Personenschadens“ für zwei Stunden unterbrochen. Der Zug wurde an einem kleinen Bahnsteig geöffnet, so dass man auf dem Bahnsteig herumlaufen konnte. Eine Frau in meiner Nähe war in einer akuten, persönlichen und beruflichen Krise und durch diese Situation ausgelöst dachte sie selber wieder darüber nach, ob sie sich umbringen soll. Es war Zufall, dass sie sich mir anvertraut hat. Aber, solange ich selber emotional stabil bin, kann ich Menschen durch eine solche Situation begleiten.)

Was habe ich als hilfreich empfunden und was als störend?

Hilfreich: Freund*innen, Ärzt*innen, mit denen man aufrichtig reden kann. Nicht dieses Herumgeeiere. Für viele Menschen ist die Eröffnung, dass man schon mal ernsthaft darüber nachgedacht hat, offenbar so schockierend, dass sie vor allem hilflos werden und nicht wissen, wie sie reagieren sollen. Das kann ich im Grunde nachvollziehen, fand es für mich aber immer einfacher, wenn man das dann zumindest sagt. („Hey, ich kann das gerade nicht leisten.“ „Mich überfordert das.“ „Ich möchte nicht, dass Dir was passiert, aber weiß nicht, wie ich Dir helfen kann.“) Schwieriger fand ich, wenn so gar keine Reaktion kam. Ignoriert zu werden. 

Ich habe das (durchaus etwas tragische) Glück, dass ich einen Freundeskreis habe, in dem wir zusammen vor einigen Jahre die Erfahrung gemacht haben mit Suizid im engen Kreis (durch Heroin). Glück ist das deshalb, weil wir sehr offen miteinander reden können über unsere Gefühle bezüglich des Themas Selbsttötung, über eigene Ohnmacht, Unsicherheiten, auch eigene emotionale Instabilität. Sport hilft mir. Auspowern. Die Nähe von Tieren. Das Gefühl, etwas „Sinnvolles“ zu tun.

Vielleicht geht es oft tatsächlich auch darum, im Alltäglichen Momente der Selbstermächtigung zu schaffen. Allerdings ist mein aktuelles Leben ein privilegiertes. Eine echte Wahl zu haben, was man tun will mit seinem Leben in einer auf Zwang (Hartz IV) aufgebauten Arbeitswelt, ist ein Privileg, das nur noch sehr wenigen Menschen zugestanden wird. Der Druck, einen Job ausüben zu müssen, um Miete, Lebensmittel etc. bezahlen zu können, macht Menschen krank. Wie viele gehen denn morgens gerne arbeiten? Wie viele machen eine Arbeit, die sie erfüllt? Mit Menschen, die sie inspirieren? Was löst ständige Konkurrenz aus? Oder Mobbing?

Ich erwarte nicht, dass diese Welt (auch gerade im Internet), die an zu vielen Stellen auf Hass, Diskriminierung, psychische Verletzungen von Menschen kaum adäquate Antworten hat, in nächster Zeit so gravierende Änderungen erfährt, dass alles gut wird. Aber wir haben jeden Tag überall, sei es im Internet oder da draußen,  die Entscheidung, wie wir miteinander umgehen. Wo wir uns wie positionieren. Wie wir einander unterstützen. Mit wem wir uns solidarisieren. Welche Worte wir verwenden. Wo wir schweigen oder eben nicht. Wie achtsam wir miteinander umgehen. Wo wir hinhören. Wem wir Hilfe anbieten. Und da können wir schon etwas verändern. 

Und für uns selbst? Ich muss auch immer wieder darauf achten, was mir gut tut und was nicht. Ich bin nicht immer gut darin, dann daraus auch entsprechende Konsequenzen zu ziehen. Aber solange ich mit blutigen Knien wieder aufstehe, kann ich versuchen, daraus zu lernen… Es ist ok, nicht immer zu funktionieren. Es ist ok, nicht immer stabil zu sein. Es ist ok, jemanden um Hilfe zu bitten. 

Ermittlungen gegen Polizeibeamt*innen in NRW 2009-2014

Angelehnt an eine in Sachsen von Enrico Stange – Die Linke Sachsen – gestellte Anfrage bekam ich auf meine Anfrage für NRW diese Antwort der Landesregierung:

Zusammenfassend mit der dort erwähnten Anfrage von Dirk Schatz aus 2013 und der dazu gehörenden Antwort der Landesregierung ergibt sich zusammengefasst folgende Tabelle:

  

„Die Blumen sind für Sie…“

Ich habe das mal geglaubt, das mit dem „Polizist – Dein Freund und Helfer“. Ich war so unsäglich naiv. Ich weiß heute nicht mehr, ob und wann ich die Polizei anrufen würde. 

Mal ein paar „Einzelfälle“:

Im Dezember 2013 im Vorfeld der von Neonazis in Dortmund gerne durchgeführten Weihnachtskundgebungen an Wohnungen von Politiker*innen gab es an einem Abend vorher bereits eine Kundgebung der Neonazis. Ich habe dann (weil ich nichtsahnend daran vorbeikam) mal bei der Polizei angerufen, um zu fragen, was da denn los sei. Eine Antwort erhielt ich nicht. Der Mann am Telefon erklärte, das ginge mich nichts an. Ich ließ mir, nachdem er noch weiter unfreundlich war, den Namen geben. Dachte ich. Beim einige Zeit später stattgefundenen Treffen mit dem Polizeipräsidenten stellte sich heraus, dass es einen Menschen mit dem Namen bei der Polizei Dortmund gar nicht gibt. Es scheint auch mit der Uhrzeit nicht möglich gewesen zu sein, zu ermitteln, wer denn da mit mir telefoniert hat in der Zentrale.

Es muss nicht immer die ganz klare Polizeigewalt sein, die das Vertrauen erschüttert. Es sind die Kleinigkeiten. Weil es immer und immer wieder passiert. Und weil es eben keine Einzelfälle sind.

Die Polizeigewerkschaft Köln, bei der auf Facebook gegen „die Antifa“ gehetzt wird.

Der Retweet eines Neonazis durch die Polizei Dortmund.

Der Polizist, der am 1. Mai auf der Gegendemo ruft, wir könnten auch mal „richtig aufs Maul bekommen“ (Bochumer Hundertschaft).

Der Typ im Thor Steinar-Pulli, der in einem der Polizei angegliederten Sportverein gesehen wird.

Die Polizei, die verschwunden ist (nachdem sie mit zig Einsatzkräften eine Schnitzeljagd des Avantizentrums abfängt und Personalien feststellen lässt) als nur wenige Meter davon entfernt, Nazis aus dem Auto heraus Journalist*innen anpöbeln. 

Die Polizist*innen, die auf die Aussage, dass man eine Kundgebung vor einem besetzten Haus anmelden möchte mit: „Mit Ihnen rede ich doch gar nicht“ antworten.

Der, der bei der Räumung der Albertus-Magnus-Kirche mit den Worten „Die Olle kommt hier auf gar keinen Fall rein.“ hinter mir herläuft. 

Die, die bei jedem Halstuch wegen Vermummung in linke Demos stürmen, zum Vergleich aber z.B.  am 1. Mai 2014 einen Naziaufmarsch komplett unangetastet lassen trotz vieler vermummter Teilnehmer*innen (um nicht zu eskalieren).

Polizist*innen, die Menschen in die Gedenkdemo zum 10. Todestag von Thomas Schulz (28.03.2015) zurückschubsen, weil diese die Menschen anzeigen wollen, die am Fenster in der Rheinischen Straße wiederholt den Hitlergruß zeigen. Am 1. Mai 2014 war bei dem Naziaufmarsch just in dem Moment dann die Kamera aus.

Die Polizisten, die bei einer Räumung mit „Ahu“ (beliebter „Kampfruf“ von rechten und rechtsoffenen Hooligans) in den Raum mit den Besetzer*innen kommen.

Oder Aussagen wie „Das Grundrecht interessiert mich nicht.“ (Passierte mehrfach, z.B. Demo nach Dorstfeld 2014 oder vor der besetzten neuapostolischen Kirche) Immer gerne dabei: „Sie können ja klagen.“ „Sie können sich ja beschweren.“ (Und vielleicht muss man das mit so ein paar Klagen auch einfach mal durchziehen.)

Demo in Hamm (BFE): „Meinen Namen können sie später haben.“ (nachdem eine ältere Frau geschlagen wurde). Den Namen habe ich natürlich nicht bekommen. Einen Polizisten mit Helm und Sturmhaube erkennt man halt auch nicht so toll wieder. Kennzeichnungspflicht gibt es ja in NRW nicht.

Man könnte das ewig fortführen. Fehlverhalten hat halt keine Konsequenzen. Ein unabhängige Beschwerdestelle gibt es nicht. Was mit Ermittlungen gegen Polizeibeamt*innen ist, versuche ich noch zu recherchieren.

Es ist dieses Gefühl von offener Feindschaft. Mitunter der Tonfall. Die Machtspielchen. Die Art, wie ich angesprochen werde auf der Straße. (Irgendwie weiß offenbar jede/r Polizist*in im Umkreis meinen Namen.) 

Das Problem ist: Da endet es nicht. Bei einer Staatsanwaltschaft, bei der ein Faustschlag frontal ins Gesicht (gegen Daniela Schneckenburger beim Überfall des Rathauses durch die Neonazis) als Notwehr gewertet wird und bei der Todesdrohungen auf Journalist*innen oder Angriffe auf Menschen von Antifaschist*innen fingiert sein könnten zur Diskreditierung von Neonazis, weiß man auch nicht wirklich weiter.

Ich habe kein abschließendes Fazit. Nur das zunehmende Gefühl, dass es viele Gründe gibt, auf antifaschistischen Selbstschutz mehr zu vertrauen als auf Sicherheitsbehörden. Während überall die Notwendigkeit von Zivilcourage betont wird gegen Neonazis, trifft diese Feindschaft und Ablehnung und die Kriminalisierung die Antifaschist*innen, die nicht nur weit weg Würstchen grillen und Symbolpolitik betreiben, sondern realen Bedrohungen nahezu täglich ausgesetzt sind. Das ist im Kern bitter und sehr traurig. 

Freiräume erkämpfen

„Ohne Liebe in mir werde ich Teil des Systems werden.“

Wir erinnern uns. Im letzten August war da in Dortmund eine ehemalige Kirche kurzzeitig besetzt

Der Traum vom sozialen Zentrum Avanti platzte aber nach nur wenigen Tagen durch die Räumung der Polizei. Die Kirche steht -trotz gegenteiliger Ankündigungen- immer noch leer herum und verfällt. Da wäre also bei entsprechendem politischen Willen eine Zwischennutzung bis zum Abriss leicht möglich gewesen. 

Aktuell läuft nun in Dortmund eine Freiraumwoche mit wiederum beeindruckendem Programm.

Gestern Abend beispielsweise war ein Vortrag über die Besetzungen damals in Dortmund, zum Beispiel den Heidehof.

Interessant bei den Diskussionen mit ehemaligen Besetzer*innen von damals und jungen Menschen heute: Die Bedürfnisse empfinde ich als ähnlich. Aber auch die im Film gezeigten Gegenargumente sind es. Die „Wir verhandeln nicht mit Besetzer*innen“-Attitüde. Die Reaktionen mit Räumungen durch Polizeikräfte. 

Ich verstehe und teile den Wunsch nach selbstverwalteten Räume und Strukturen. Ich möchte Schulen, die Menschen in Freiheit lernen lassen. Ohne Noten. Ohne Selektion. Mit Bibliotheken für alle Menschen. Kurse unterschiedlichster Art, in denen Menschen gegenseitig unterschiedlichste Fähigkeiten weitervermitteln. Kollektivbetriebe, die Arbeiten ohne Hierarchien ermöglichen. Wohnen in achtsamer Umgebung. Mit Menschen, die einander sein lassen und leben lassen und die respektvoll miteinander umgehen.

Nein. Ich weiß immer noch nicht, ob das für eine ganze Gesellschaft funktioniert. Aber wir können es im Kleinen versuchen. Und natürlich gibt spannende Literatur über Anarchie. Wer also weiterlesen mag, zum Beispiel hier.

Derletzt war ich in Rojava. Viel zu kurz, um deren Bemühungen und Initiativen beurteilen zu können. Unser Übersetzer sagte: „Vielleicht haben wir irgendwann mehr Demokratie als Deutschland.“

Zumindest klingt vieles spannend: Selbstverwaltung von Kommunen als Grundprinzip. Kollektive. Wahlen angestrebt für politische Repräsentanten. Immer eine weibliche Repräsentantin und ein männlicher Repräsentant. Frauenquoten. Gesetze werden von Fachleuten gemacht. Kommunen/Kollektive etc. können Finanzmittel/Land bei der Regierung beantragen. Viel Wert auf Bildung. Learning by doing. Es ist nicht unbedingt anarchistisch, aber vielleicht können wir daraus über Selbstverwaltung lernen.

Und was machen wir hier? Uns abschotten mit Verschärfungen des Asylrechts. Mit ordnungspolitischen Maßnahmen gegen jene, die anders leben wollen. Mit mehr Gesetzen. Mit mehr Repression. Mit Hartz IV und wieder mehr Gegängel.

Wir zerstören Menschen. Manche tun dies wissentlich. Manche durch Ignoranz (dazu zähle ich auch die, die Gewalt ausschließlich über brennende Polizeiautos definieren und die subtilen Formen der alltäglichen Gewalt ausblenden). Manche mit der Intention der Kontrolle über andere. Manche zur eigenen Bereicherung. Manche aus der Arroganz heraus, Menschen bräuchten Führung, von oben diktierte Regelungen. 

Was, wenn dem nicht so ist? 

Ich sehe es als Möglichkeit, mehr Freiräume zu erschaffen, um Menschen zu ermächtigen, selbstverantwortet über ihr Leben, Lernen, Lieben und Arbeiten entscheiden zu können. Damit tut sich der Staat aber schwer, denn selbstverwaltete Räume entziehen sich der Kontrolle. Manche Menschen möchten sich aber immer und immer wieder nicht damit abfinden. Man erkennt es in den alten und immer wiederkehrenden Hausbesetzungen. In den Kämpfen um alternative Lebensmöglichkeiten. In der Abkehr von kapitalistischen und auf Konkurrenz basierenden Denkmustern. 

Aber was leider am besten funktioniert als Kontrollinstrument über Menschen und Initiativen: Geld. Als der Faktor für Macht schlechthin.

Fehlende finanzielle Mittel verhindern den legalen Erwerb von Produktion, von Lebensräumen, halten Initiativen klein und Menschen in unbefriedigender Lohnarbeit gefangen und mitunter sinnfrei beschäftigt, verhindern Selbstorganisation von Refugees usw. Alternativen wie das Containern von Lebensmitteln werden kriminalisiert. Und wir, die wir vielleicht anders leben wollen und auch auch gar nicht so ganz wenige sind, haben es auch noch nicht geschafft, unsere finanziellen Mittel geschickter einzusetzen. Modelle für solidarisches Wirtschaften im Kleinen und Großen zu schaffen. 

Aber unsere Träume und Hoffnungen lassen sich nicht einsperren. Ich habe nicht für alles eine Lösung, nicht mal für mich und mein Leben, nicht mal in der Theorie, aber mir macht es zumindest Mut, dass die Initiativen vom Avanti und auch anderswo Menschen zusammenführt. Danke dafür.



Polizei und soziale Medien

Gestern -im Vorfeld des kommenden Neonaziaufmarsches- fiel der Polizei Dortmund nichts Besseres ein, als nun gerade einen Naziaccount bei Twitter zu retweeten.

Dieser Naziaccount ist gleich auf mehrfache Art auffällig. Die Symbolik des Bildes ist eindeutig. European Brotherhood kann man auch eindeutig zuordnen. 

Weiterhin stellt die Phrase im Accountnamen „Taten statt Worte“ einen Bezug zum NSU her. 

Die Erklärung der Polizei erfolgte heute früh (nach der Kritik also sehr verzögert) und bisher nur sehr knapp via Twitter:

Diese Erklärung wirkt auf mich nicht glaubwürdig und wenig nachvollziehbar. Der entsprechende Account ist bei mir lange (wegen offensichtlich rechtsradikaler Inhalte) geblockt. Selbst, wenn das Bild geändert wurde, ist der sarkastische Ton („mimimi“) auffällig. Zudem sind Follower und Timeline eindeutig. (Der Account ist nun geschützt, war dies aber gestern nicht.)

Insofern habe ich heute früh per Mail bei der Pressestelle der Polizei Dortmund um Erläuterung der Leitung der Pressestelle und der Behördenleitung  gebeten. Eine Antwort liegt bisher nicht vor. 

Update: Die Pressestelle der Polizei hat zumindest versucht, mich telefonisch zu erreichen. 

Update 2: Mittlerweile hat mich die Pressestelle erreicht und sich bei mir für den Retweet entschuldigt.