Archiv für den Monat: Dezember 2014

Aber alles leuchtet doch so hübsch bunt…

Ich war dieses Mal nur einen Tag beim Congress des CCC (Chaos Computer Club). Ich habe da eigentlich ohnehin nichts zu suchen. Ich kenne einige Menschen dort, die ich mag und bei denen ich mich gefreut habe, sie nach mehr oder weniger langer Zeit wiedergesehen zu haben. Und am Rande diskutiert man dann über Überwachung, Verschlüsselung und so.

Outing: Ich habe davon nur relativ wenig Ahnung. Ich schaffe es, meine Kommunikation einigermaßen zu verschlüsseln (PGP, OTR, TextSecure und das ganze Zeug). Für Verschlüsselung auf dem Rechner reicht es vermutlich in Ansätzen auch. Programmieren habe ich immer mal angefangen. Und eigentlich wäre es durchaus schön, mehr davon zu verstehen, ich weiß aber schlicht nicht, wann ich das auch noch machen soll.

Neben dem Job, Aktivismus, Vernetzung, ehrenamtlichem Engagement, Sprachen lernen, Bücher lesen zu unterschiedlichsten Themen, Musik machen (wollen), Texte schreiben usw. muss irgendwann auch Zeit sein für Freund*innen, reisen, abschalten, zur Ruhe kommen.

Irgendwas fällt also weg. Bei mir ist das sowas wie programmieren lernen. Auf so einer Konferenz fühlt es sich aber an, als wäre das falsch. Es ist nicht so, dass ich mich wirklich unwohl fühle, aber es ist das Gefühl, eigentlich besser keine (blöde) Frage stellen zu wollen, für die man sicher ausgelacht würde. Und die Frage: Ist das alles nicht arg elitär? Ganz naiv wünsche ich mir ja, dass die, die das können, Möglichkeiten für Verschlüsselung etc. einfacher/hübscher/freundlicher gestalten, so dass mehr Menschen das intuitiv nutzen können. Klar. Ich verstehe, dass man erfassen soll, was dahinter passiert. Aber das ist doch nichts für die „Mehrheitsgesellschaft“.

Ich befürchte, wenn wir einem übermächtigen System etwas entgegenstellen wollen (und uns entscheiden, die technischen Geräte nicht alle wegzuwerfen), müssten wir weg vom Elitären (und das gilt für die ITler*innen genau wie für die Anarchist*innen und vermutlich zig andere Gruppen). Was uns vielleicht helfen könnte (so man sich auf gemeinsame Ziele überhaupt einigen könnte), liegt auf der Hand: Vernetzung. Jede/n das tun lassen, was sie/er gut kann, gerne macht und Support leisten auf den Gebieten, die wir halt so können, lernen lassen, ohne andere abzuwerten. Total banal. Und im Alltag dann doch irgendwie schwierig, oder?

Vielleicht gibt es aber auch zu wenig Anarchist*innen unter den ITler*innen. Im Grunde ergötzt man sich vielfach an Herrschaftswissen, hält Informationen zurück und gibt sie erst preis, wenn es Ruhm oder Ehre dient. Das schafft Hierarchien, die (unbewusst?) gewollt sind. Oder sehe ich das zu schwarz?

Was, wenn es nur darum geht, Macht zu erhalten? Auch dort. Irgendwie frustrierend. (Am Ende also alles wie immer. Oder wie das Känguru sagt: „Alles Nestlé, alles Kapitalismus.“)

Und. Ach. Scheiße. Ich mag das mit den bunten Lichtern….

(Weiterführende Frage: Gibt es eigentlich Kollektive für IT-Dienstleistungen?)

Accidentally: In Erinnerungen versunken…

„Was vergangen, kehrt nicht wieder,
aber geht es leuchtend nieder,
leuchtet’s lange noch zurück!“

(Johann Wolfgang von Goethe)

Wer jetzt noch nicht abgeschreckt ist: Keine Panik. Es geht nicht so pathetisch weiter.

Facebook ist eine Plage. Klar. Ich hadere auch immer damit und überlege, ob ich mein Profil nicht einfach löschen sollte.

Dann diese Vorschläge. „Kennen Sie x,y,z?“ Ja. Aber, wenn ich Person x,y,z mögen würde, wäre ich ja schon damit befreundet. So ist das zumindest meistens. Heute ist mir aufgefallen: es gibt auch Ausnahmen.

Ich weiß nicht, ob es jetzt an dieser sentimentalen Jahresendstimmung liegt oder an dem depressionsfördernden Regenwetter, aber heute haben mir die Vorschläge von Facebook eine schöne Stunde im Zug beschert.

Und zwar deshalb, weil unter den Vorschläge heute mehrere Ex-Schüler*innen von mir waren, deren Profile nicht in meinem Freundeskreis sind, so dass ich dort nur sehr zufällig mal gucke.

Es ist Anlass für mich über meine Vergangenheit nachzudenken. Über 10 Jahre als Lehrerin an zwei Berufskollegs (Referendariat im Sauerland, danach im Münsterland).

An was erinnere ich mich eigentlich so spontan? An welche Schüler*innen? An welche Kolleg*innen? An welche Kurse/Klassen? An welche Ereignisse? Es bleibt in Erinnerung, was oder wer einen emotional berührt hat. Wofür man geweint hat. Mit wem man gelacht hat.

(Ich halte das allgemein, natürlich ohne Namen. Die, die dabei waren, werden es erkennen, denke ich. Andere geht es nichts an. Und es ist nicht abschließend. Sonst wird der Text unlesbar lang.)

Was fällt mir so spontan eigentlich ein?

Der wundervolle, großartige Deutsch-LK. Diskussionen zu Brecht oder über Döblin. Fahrten zu Theaterstücken. (In Münster bei Brechts „Johanna“ waren die Schauspieler*innen irgendwann mal nackt. Das gab Diskussionen.) Klausuren, die ich gerne gelesen habe. (Sonst ist das doch oft eher lästige Pflicht.) Und dass ich bei der Abifeier fast geweint habe (weil es dann irgendwie doch toll und zugleich schwer ist, Menschen gehen zu lassen, mit denen man so eine bereichernde Zeit hatte).

Die Informatik/Mathe-Klasse, in der ich leider nur bis zu meinem abrupten Abgang in den Landtag Klassenleiterin war. Ich wäre gerne zu eurer Abifeier gekommen, aber ich war nicht sicher, ob ihr das gewollt habt. (Ich bin nicht hingegangen, weil ich keine Einladung bekommen habe. Nicht, weil ich euch vergessen habe.)

Viele Klassen als Klassenlehrerin. Höhere Handelsschule. Mit vielen Streitigkeiten. Die Rebell*innen vergisst man weniger schnell als die stromlinienförmigen Schüler*innen. Im Guten und im schlechten Sinne. Aber auch die Klassensprecher*innen, die mir so manche Orga gerettet haben, bleiben in Erinnerung.

Handelsschule. Auch ein paar Klassenleitungen. Auch da immer mal viel Stress, aber auch immer das Aufrichtige, Offene. (Bis heute weiß ich nicht, ob die Geschichte mit der toten Katze und McDoof sich wirklich so abgespielt hat oder nur eine Geschichte war. Aber wir haben oft viel gelacht. Es gibt immer diese Schüler*innen (und auch Kolleg*innen), die auch wirklich anstrengende, furchtbare Tage mit Humor retten konnten.)

Menschen, die mich geprägt und verändert haben. Auch viele Kolleg*innen, die noch an der Schule sind. Aber auch Schüler*innen und Lehrer*innen, die gestorben sind (und wie wir damit gemeinsam umgegangen sind.) Zusammen lachen, zusammen trauern.

Klassenfahrten. (Da besonders in Erinnerung die Fahrt nach Spanien im Referendariat. Meine Prüfungsklasse. Mein Ausbildungslehrer. (Einer der besten Lehrer, die ich je traf.) Bei den Schüler*innen wüsste ich auch gerne, was sie heute so machen.)

Überhaupt. Referendariat. Der bornierte Fachseminarleiter wegen dem ich beinahe hingeworfen hätte und wegen dem ich so oft heulend irgendwo saß. (Was hätte ich dem einen platten Reifen an seinem Mercedes gegönnt.) Der Hauptsminarleiter, der mich dann durch die Zeit gerettet hat. Und so ein Kernteam von Referendar*innen, die Freund*innen waren. (Leider haben wir keinen Kontakt mehr.)

Meine Tätigkeit als Beratungslehrerin.
Die Einbrüche in der Schule. Diskussionen über Drogen, Gewalt. Schüler*innen, die meine Hochachtung haben, weil sie trotz familiärer Probleme, trotz Arbeit neben der Schule, trotz aller widrigen Umstände doch meist pünktlich zur Schule kamen.

Bilder bei Facebook. Bilder von Hochzeiten. Bilder mit Freund*innen. Bilder mit Tieren. Manchmal wird deutlich, wer jetzt wo arbeitet oder studiert.

Mit manchen schreibe ich ab und an noch Mails. Sporadisch. (Und freue mich darüber.) Ganz selten trifft man mal jemanden. (In Dortmund vor einem Fußballspiel in der U-Bahn oder in der Stadt. Im Münsterland bin ich leider eher selten.)

Ihr, die ihr das lest: Hoffentlich seid ihr nicht nur erfolgreich, sondern glücklich. Man zeigt ja nur die Hochglanzbilder. Nicht die Tränen.

Was ich mich noch frage: Was ist mit den Schüler*innen, die man nicht findet in den Freundeslisten bei Facebook? Da gibt es die, die aus Überzeugung Facebook nicht nutzen. Was aber ist mit denen, die nicht gut waren in der Schule? Die abgegangen sind ohne Abschluss? Geht es euch allen gut?

Ich habe aktuell eine spannende Zeit. Ich lerne auch hier viel. Aber ich habe euch nicht vergessen. Ich vermisse die Schule. Ich vermisse euch. Manchmal habe ich im Landtag Schüler*innengruppen. Oder Praktikant*innen. Aber das ist nicht dasselbe.

Ich danke euch. Für alles!

„Will sagen: Bevor noch einer hinfällt, passt bitte aufeinander auf in dieser Scheißwelt.“
(Heisskalt – Gipfelkreuz)