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Demos barrierefreier gestalten

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Aus aktuellem Anlass: Auch wenn eine Regierung beschließt, eine Pandemie sei nun vorbei und man könne allüberall auf Masken verzichten, sollten wir weiterhin im Blick behalten, wie hoch die Gefahr einer Ansteckung mit Covid weiterhin ist.

Zumindest mein persönlicher Anspruch ist es, dafür Sorge zu tragen, dass auch vulnerable Menschen, also welche mit Behinderungen, Vorerkrankungen, unter Immunsuppression etc. weiterhin in meinem Umfeld sicher sind und dazu gehören selbstverständlich entsprechend auch Veranstaltungen und Demos in der linken/anarchistischen Szene.

Fragt euch also bitte:

  • Welche Sicherheit können/wollen wir bieten?
  • Wie und wo kommunizieren wir welche Hygienemaßnahmen?
  • Wo sind Masken weiterhin verpflichtend?
  • Worauf können sich Menschen wo verlassen?
  • Wie gehen wir mit unterschiedlichen Situationen um? (in Innenräumen, draußen, Desinfektion, Masken, Tests, Abstand, Lüftung etc.)

Und weiter geht es mit dem ursprünglichen Text: Verlinkt von der Krüppel Pride, bietet dieses Zine schon einmal eine sehr guten Übersicht zum barrierefreien Gestalten von Veranstaltungen und Demos.

https://web.archive.org/web/20180628155012/http://akmob.kulturrevolution.de/aus.schluss-barrierefrei-veranstalten.pdf

Genannt wurde bei Twitter zum Beispiel Angst, „unter die Räder zu kommen“. Deshalb nehmen mitunter Menschen mit Behinderungen sehr selten oder gar nicht an Demos teil oder nur, wenn sie innerhalb einer Gruppe organisiert sind von weiteren Menschen mit Behinderungen.

Es gibt aber natürlich schon einige Dinge, die Demoorganisator*innen berücksichtigen können, um ihre Demo barrierefreier zu gestalten und damit auch mehr Menschen mit Behinderungen eine Teilnahme zu ermöglichen.

Eine unvollständige Checkliste:

* Ansprechpartner*innen/Orgakontakt im Vorfeld mit veröffentlichen für Nachfragen

* Ankündigungen, Homepage, Plakate, Flyer, Sticker etc. auf Barrierefreiheit checken (Kontraste, Farben, Schriftgröße, Bildbeschreibungen in sozialen Medien, Sternchen statt Doppelpunkt zum Entgendern, Sprache verständlich/Variante mit leichter Sprache etc.)

* An- und Abreise (barrierefreie Bahnhöfe in der Nähe?)

* Wenn Anreise per Bus: Ist der Bus barrierearm, gibt es die Möglichkeit (E-)-Rollis sicher zu verstauen und schnell griffbereit zu haben?

* Wegstrecke (mögliche Stolperfallen, Straßenbahnschienen, Sand, Wiese, fehlende abgesenkte Bürgersteige, Steigungen, mögliche Abkürzungen etc.)

* Bei größeren Events: Übernachtung, Essen, Verfügbarkeit von barrierefreien Toiletten

* Awarenessteam, was nicht verhätschelt

* Ausgebildete Demosanis (die nicht nur Sonnenstich, Pfefferspray, Schlagstock-Vorkommnisse abdecken können)

* Tempo der Demo (auch im Hinblick auf Menschen mit Gehbehinderungen)

* Zeitplan, wann die Demo losläuft

* Ausreichend Sitzgelegenheiten, wenn die Demo lange steht

* Durchsagen/Reden wie kommunizieren für Menschen mit Hörbehinderungen

* Buddys/Bezugsgruppen organisieren? (Erst recht für Menschen, die bisher wenig Demoerfahrung haben, alleine sind und bei Demos, bei denen Eskalationen zu erwarten sind)

* Bereiche ohne laute Musik/einfachen Gehörschutz am Lauti bereitstellen

* Cops bitten, Blaulicht auszuschalten oder auf Minimum zu reduzieren (Photosensitivität)

* Nachhut zulassen – etwas verstreutere Gruppe für Menschen, die etwas Abstand brauchen, Enge/Blöcke bedrohlich finden etc. (Darauf achten, dass die Polizei nicht drängelt.)

* Pyro ist nicht immer gut planbar. Trotzdem sollte man zumindest bedenken, dass es Menschen gibt, die aufgrund von Atemwegserkrankungen nicht gut auf Rauchtöpfe, Bengalos etc. klarkommen. Oder auf das unerwartete Geräusch von Knallkörpern.

* Bereiche in der Demo, in denen nicht geraucht wird.

* Weitere Punkte werden entsprechend fortlaufend ergänzt…

Pläne für Notfälle:

* Schutz von Menschen wie organisieren?

* An- und Abreise mit Teams begleiten

* Lautsprecherbesatzung sollte vorhersehbare Gefahren angemessen und transparent kommunizieren

* z.B. weil Demo ins Rennen kommt, Zugriffe/Pfefferspray von Polizei etc., Angriffe von Nazis etc.

* Dafür müssen vorab Menschen (Buddys/in den Bezugsgruppen) benannt werden, die in der Lage sind, den Überblick zu bewahren und erfahren genug sind, dynamische Situationen einschätzen zu können

Mit Behinderungen zu einer Demo gehen?

Menschen mit Behinderungen müssen immer ein paar Dinge mehr jonglieren, um an Veranstaltungen oder Demos teilzunehmen. Darüber schreibe ich hier auch immer mal wieder:

https://birgit-rydlewski.de/2014/11/19/lass-das-doch-lieber-mal-mit-der-demo/

Heute hatte ich mich kurz gefreut, als ich einen Tweet von Fridays for Future Dortmund las, in dem es um Einbindung von Menschen mit Behinderungen in das Demogeschehen ging. Leider bin ich da aber erst einmal einem Verständnisproblem meinerseits erlegen, weil ich davon ausging, dass es auch darum ging, Demos auf der Straße so zu gestalten, dass Menschen mit Behinderungen sich dort gut aufgehoben und mitgedacht fühlen und somit, dass Demos für Menschen mit Behinderungen zugänglicher werden.

In diesem konkreten Fall ging es aber nicht um die Demo auf der Straße, sondern darum, eine Möglichkeit anzubieten, online teilzunehmen mit Schildern und Fotos bei Instagram.

Vielleicht ist die Idee grundsätzlich auch gar nicht so verkehrt, gerade in Zeiten einer globalen Pandemie und bevor man dann halt gar nichts macht, kann man irgendwie online noch partizipieren.

Ketzerisch hat das aber für mich auch ein wenig so einen ähnlichen Gehalt wie Petitionen und vielleicht möchten ja auch Menschen mit Behinderungen nun mal wieder an so einer Demo auf der Straße teilnehmen.

Aus dem Nähkästchen geplaudert habe ich mittlerweile einige Demoerfahrungen gemacht mit eskalierenden Demos, an denen ich teilgenommen habe mit Behinderung. Ein Positivbeispiel (nicht, was das Verhalten der Polizei angeht, aber durchaus von Teilen der Demo) war vor einigen Jahren in Duisburg rund um die Gegendemos gegen Nazis am Wohnblock „In den Peschen“. Ich war gerade frisch gespritzt am kaputten Auge und musste Pfefferspray in jedem Fall aus dem Weg gehen. (Ich ignoriere jetzt mal Kommentare in Richtung: „Warum gehst Du dann auch dahin?“)

Ich habe vor Beginn kommuniziert, dass ich Pfefferspray gerne vermeiden würde. Als die Situation etwas unruhig wurde (tatsächlich kam das mit dem Pfefferspray kurze Zeit später), organisierte eine der Demoorganisatorinnen in sehr kurzer Zeit eine oder zwei Reihen, die sich vor unsere Reihe stellten zu meinem Schutz. Zudem hatte ich eine sehr vertraute Bezugsgruppe, in der auch ein ausgebildeter Sani war. Ich habe mich da also trotz der Eskalation sicher gefühlt die gesamte Zeit.

Wie kann man aber generell Demos so gestalten, dass sich Menschen mit Behinderungen dort wohlfühlen und sich entsprechend auch mehr trauen, bei Demos mitzugehen.

Dafür haben schon einige Menschen via Twitter Input gegeben und vielleicht können wir weiter sammeln, um so etwas wie eine Übersicht/eine Checkliste zu bekommen, die helfen kann, Demos barrierefreier zu gestalten.

Linke Räume/Veranstaltungen/Gruppen und Barrierefreiheitk

Ich muss gestehen: Als ich jünger und leistungsfähiger war, habe ich mir gar keine Gedanken gemacht zu so Themen wie Barrierefreiheit. Als Lehrerin war das dann schon immer mal Thema, aber in linken, politischen Gruppen kaum. Als nun aber selbst Betroffene fällt mir immer mehr auf, dass linke Räume und Veranstaltungen sehr wenig auf die Bedürfnisse behinderter Menschen ausgerichtet sind. Auch bei Demonstrationen sieht man, wenn es nicht explizit um Themen geht, die mit Behindertenrechten zu tun haben, eher wenig Menschen mit sichtbaren Behinderungen (zum Beispiel auch jetzt zum Frauenkampftag). Grundsätzlich sind linke Demos eher männlich geprägt und Menschen über 30 auch schon seltener.

Kann man das ändern? Will man das ändern? (Ich unterstelle einfach mal, dass Menschen nicht absichtlich ausschließend sind, sondern vermute, dass in den ganzen Kämpfen gegen Patriarchat, Kapitalismus und Rechtsruck etc. kaum noch Kapazitäten sind, Bedürfnisse von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen mitzudenken, zu berücksichtigen und deren Kämpfe auch solidarisch zu unterstützen. Was ich schade finde.)

Alle paar Monate suche ich dann nach Beispielen, wo sowas schon gut funktioniert. Insofern möchte ich mit diesem Text, den ich sukzessive ergänzen werde, Positivbeispiele sammeln und Hinweise von Menschen mit Behinderungen aufnehmen, was ihnen fehlt in linken Zusammenhängen bzw. wie man mehr Teilhabe verwirklichen könnte.

(Dieser Text erfüllt auch noch nicht alle Bedingungen zur Barrierefreiheit. Ich arbeite daran, dies zu verbessern.)

Beispiele:

Leichte Sprache auf der Webseite: Das AZ Conni in Dresden

https://www.azconni.de/leichte-sprache/

Vielen Dank an Jan in den Kommentaren für die folgende Ergänzung:

„Das AZ Conni hat seit der Sanierung einen Aufzug und die Kneipe, Rolliklo und alle Veranstaltungsräume sind mit dem Rollstuhl barrierearm erreichbar. Außerdem hat der Tresen eine Absenkung für Rollifahrer_innen. Auf der Homepage steht dazu u.a. etwas hier: https://www.azconni.de/statement-zum-toilettenumbau/
Zusätzlich gibt es am Tor eine Infobake für Menschen mit Sehbehinderungen“

Habt ihr weitere Beispiele für gelungene Versuche von Barrierefreiheit in linken Räumen? Gerne als Kommentar.

Welche linken Räume haben Hinweise zur Barrierefreiheit auf ihrer Seite?

    Beim AZ Mülheim zum Beispiel habe ich keine Suchfunktion gefunden. Es gibt aber einen Hinweis zur Barrierefreiheit, welchen man durch Scrollen auf der Hauptseite links findet. (Nicht direkt verlinkbar, daher als Screenshot.)

    Beim AJZ Bielefeld findet sich links unter Infos ein Satz zur Barrierefreiheit

Bei den meisten linken Räumen finde ich leider keine Hinweise zur Barrierefreiheit auf der Webseite.

Das muss aber nicht unbedingt bedeuten, dass die Räume nicht barrierearm gestaltet sind.

Für Menschen, die einen Rollstuhl benutzen, gibt es bei vielen Räumen Hinweise in der Wheelmap. Es ist schwieriger herauszufinden, wie gut die Bedingungen/Gegebenheiten für Menschen mit Sehbehinderungen (Beleuchtung, mögliche Stolperfallen, Treppen, Schriftgröße, Kontraste etc.), Hörbehinderungen (Gebärdensprache, schriftliche Informationen) oder gar für Menschen mit psychischen oder anderen weniger sichtbaren Behinderungen sind (zum Beispiel dahingehend, wie vielen optischen, akustischen und anderen Reizen diese dort ausgesetzt sind).

  • Das Black Pigeon in Dortmund hat auf der Webseite keinen Hinweis auf Barrierefreiheit. An der Eingangstür ist eine kleine Schwelle. Die Toilette ist mit Rollstuhl befahrbar.
  • Das Trotz allem in Witten hat auf der Webseite einen Hinweis, dass der Eingang nicht barrierefrei ist. Sehr gut ist dabei der Link zur Wheelmap. Außerdem sind viele Begriffe mit Links zur Wikipedia versehen, um die Verständlichkeit zu verbessern.

Veranstaltungen:

  • Mad Pride

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Mad_Pride

Was muss man mitdenken für Barrierefreiheit bei Treffpunkten:

Baulich:

Anzahl Türen

Höhe Schwellen

Breite der Türen

Klos nur mit Stufen erreichbar?

Falls ja – welche Höhe, welche Anzahl?

Bei Stufen: Handlauf vorhanden?

Im Aufgang/Eingang: Wie viele Stufen?

Wie hoch sind diese?

Aufzug vorhanden?

Falls ja – welche Breite?

Bei Aufzug auch IMMER bewusst prüfen: Stufenlos erreichbar?

Bei „Nebeneingängen“/“Tricks“: Welche Steigung muss bewältigt werden?

Gibt es Stufen?

Wie wirkt die Räumlichkeit auf sensible Menschen? (Ist ein reizarmer Zugang möglich? Rückzugsmöglichkeiten?)

Veröffentlichungen:

Design etc.:

Falls Texte ausgegeben werden:

Gibt es sie auch in Großdruck? Kontrastreich? In leichter Sprache? In unterschiedlichen Sprachen?

Bei Transparent-Erstellung: Werden geplante Bilder beschrieben? Die Gestaltung für Nicht-/Schlechtsehende beschrieben und besprochen?

Material/Broschüren: gibt es sie auch in Großdruck/kontrastreich, oder aufgesprochen auf CD/im Netz?

Inhaltlich:

Sollen „Behinderte“ nur Teil der „eigenen/üblichen“ Aktionen und Demos sein oder auch als Individuen vorkommen? Welche Kämpfe sog. „Behinderter“ werden von der Struktur selbst wahrgenommen oder unterstützend mitgekämpft?

Wie kann ein Hineintragen der Kämpfe „Behinderter“ in linke Strukturen gelingen? Referierende einladen, Bücher lesen und besprechen, auf Veranstaltungen sog. „Behinderter“ gehen?

Auseinandersetzung mit eigener Bias: Sog. „Behinderte“ nur als Kümmer- und Pflege“fälle“ wahrnehmen, als Belastung, als Aufhalten, als „Minderleistende“?

(Danke an @catinchief für den Input)