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Sage Nein!

Über das (notwendige) Erlernen von Widerstand

„Leider ist es eine typisch deutsche Eigenschaft, den Gehorsam schlechthin für eine Tugend zu halten. Wir brauchen die Zivilcourage, ‚Nein‘ zu sagen.“

(Fritz Bauer)

Am Pfingstwochenende waren in Berlin für eine kurze Zeit mehrere Objekte, die zum Teil bereits seit Jahren leerstehen, besetzt worden.

Ein guter Zeitpunkt, um nun zum zweiten Teil des Textes („Warum brennt hier eigentlich nicht alles…?“) zu kommen.

Die bereits im ersten Teil angerissenen Fragen zu Transparenz, Ungleichheit, dem Gefühl von abgehängt sein und der oftmals daraus resultierenden Ohnmacht, sein Leben selbstbestimmt leben zu können, bringen für jedes Individuum die Problematik hervor, wie man nun mit diesen Gefühlen umgehen könnte. Es ist sinnvoll und erstrebenswert, Ohnmacht zu durchbrechen und den Versuch im Kleinen und im Großen und mit anderen zusammen zu wagen, Momente und Räume zu schaffen, die das Gefühl von Selbstwirksamkeit mindestens in kurzen Phasen ermöglichen.

Der Staat hat im Allgemeinen wenig Interesse, solche Augenblicke zuzulassen, denn es ist nicht im Sinne eines Staates, dass Menschen in größerer Anzahl gegebene Strukturen und Unterdrückungsmechanismen hinterfragen oder gar abseits gesellschaftlich geschaffener und geduldeter Protestfolklore eigene Wege des Widerstandes suchen. Es liegt daher auch in der Natur des Staates und seiner gerne autoritären Anhängerschaft, solche Versuche nicht nur rigide und mit allen Mitteln von Gewalt und Repression zu unterbinden, sondern auch Überwachung zu etablieren, die (unter dem Deckmantel von Sicherheit) jedwede Organisierung im Vorfeld ausspionieren vermag.

Umso mehr ist es eine Frage der Überwindung eigener Schranken im Kopf, diese eventuell anerzogene Hörigkeit gegenüber gesellschaftlichen Gegebenheiten zu reflektieren und eigene Vorstellungen von Legitimität zu diskutieren und zu entwickeln.

Sehnsucht nach Autorität

Wir erleben in den sozialen Medien live mit, wie um Deutungshoheit gerungen wird. Machen wir uns nichts vor: Zunächst mal wird bei Vorfällen aller Art (Aktuelle Beispiele Erlwangen, Hitzacker) gerne einfach nur der Polizeibericht kopiert. Nahezu unkommentiert und unhinterfragt. Weiterhin wird dann zumeist aus konservativer und noch rechterer Ecke gerne noch mehr gefordert. Nicht nur Rechtsstaat, sondern am besten gleich erschießen.

Woher kommt das eigentlich alles? Der Glaube, Polizei sei neutral und kein politischer Akteur?

Woher kommt im weiteren Verlauf dann die Gnadenlosigkeit? Dieser Wunsch nach Härte und Autorität? Über-Ich? Identifikation mit dem Aggressor? So ein „Die werden schon was gemacht haben“? Ist es irgendwie die vage Hoffnung, am Ende nicht zu denen zu gehören, die es erwischt?

Oder woher kommt die doch erschreckend weit verbreitete Auffassung, Gesetze seien per se richtig?

Ein großer Teil progressiver Veränderungen von Gesellschaft ist keinesfalls ohne Auseinandersetzungen erstritten worden. Heute macht man lieber bunten CSD statt sich an den Hintergrund des keinesfalls gewaltlosen Stonewall-Aufstandes zu erinnern. Aber auch der 1. Mai geht nicht auf friedliche Auseindersetzungen zurück (Stichwort: Haymarket Riot). (Übrigens alles auch im Zusammenhang mit Polizeigewalt zu betrachten.) Ähnlich verhält es sich mit dem Frauenwahlrecht. Es ist daher eine durchaus gefährliche Verdrehung von Geschichte, überall in der politischen Debatte den Narrativ der Gewaltlosigkeit aufrecht erhalten zu wollen.

Widerstand üben?!

Gerade mit unserer Historie und angesichts der aktuellen Entwicklungen zu einem ausgeweiteten Polizeirecht, was man als autoritär und als Teil des Rechtsrucks begreifen sollte, ist es mehr als notwendig, Widerstand zu üben. Unsere Erziehung, unsere Sozialisation hat uns in den meisten Fällen irgendwie beigebracht, Autoritäten zu gehorchen. Und auch die aktuelle Gesetzgebung hat sehr offensichtlich das vorrangige Ziel, Menschen vor allem zum Gehorsam zu erziehen. Sei es durch Paragrafen wie 113/114 StGB oder durch Ausbau von möglichst lückenlose Überwachung aller bis in die privatesten Bereiche. (Kurzer Exkurs: Fällt euch irgendein Gesetz ein aus den letzten 70 Jahren, was den Schutz von Menschen vor dem Staat verbessert hat? Was sagt das aus, dass man da wirklich lange ohne Ergebnis grübelt? Und warum machen das doch erschreckend viele Bürger*innen ohne zu Zucken oder gar mit Begeisterung mit? Da kommt das Schüren von Angst vor Terror doch gerade recht.)

Aber zurück zum Lernen von Widerstand:

Jetzt will ich hier natürlich nicht zu Straftaten aufrufen. Aber es ist immer sinnvoll, Regeln zu hinterfragen und seinen eigenen Kompass nicht daran auszurichten, was Gesetz ist, sondern daran, was welche Werte abbildet.

Guckt euch um, wenn ihr Gruppen/Versammlungen/Aktionen beurteilt: (frei nach Judith Butler: Welche Utopie hat eine Gruppe/Versammlung? In was für einer Gesellschaft sieht diese Gruppe sich im Idealfall in 15/20 Jahren?)

Und weitergehend muss ich die Frage auch einzeln für mich stellen: In welcher Gesellschaft möchte ich leben? Wie möchte ich, dass Menschen miteinander umgehen? Was kann ich beitragen für mehr Gerechtigkeit/gegen Ungleichheit/gegen Armut/für eine lebenswerte Umwelt etc.? Was bedeutet Solidarität für mich? Und jetzt vor allem praktisch: Wie und in welchem Umfang kann ich wo Solidarität praktisch leben? Das kann von Foodsharing bis zum Verhindern von Abschiebungen gehen. Das kann das Anmelden einer Versammlung zum Schutz anderer sein (zum Beispiel bei einer Besetzung). Oder jemandem beizustehen gegen rassistische/sexistische Sprüche in der Bahn. Wie kann ich lernen, meinen Aktionsradius zu vergrößern? Welche Regeln breche ich wo mit welchem Ziel? (Rein praktisch ist schon das Anbringen eines Stickers an eine Laterne regelwidrig. Das muss aber auch bedeuten, sich mit Folgen von Repression auseinanderzusetzen.) Von welchen Menschen/Gruppen kann ich lernen? Wozu brauche ich überhaupt irgendwelche „Autoritäten“ (Parteien, Polizei etc.)? (Wo gebe ich dadurch eigene Verantwortung auf?) Wie können wir Konflikte lösen, ohne den Staatsapparat einzubeziehen oder irgendwelche „Autoritäten“? (Diese Fragen können nur Anregung sein und sind niemals abschließend. Stellt eure eigenen Fragen (oder ergänzt gerne in den Kommentaren.))

Zum Schluss:

„Leute, die durch Geld und Kanonen vor der Wirklichkeit geschützt sind, hassen die Gewalt zu Recht und wollen nicht einsehen, dass sie Bestandteil der modernen Gesellschaft ist und dass ihre eigenen zarten Gefühle und edlen Ansichten nur das Ergebnis sind von Ungerechtigkeit, gestützt durch Macht. Sie wollen gar nicht wissen, woher ihre Einkünfte stammen. Zugrunde liegt der unbequeme Umstand, der so schwer wahrzusagen ist, dass die Rettung des Einzelnen nicht möglich ist, dass wir gewöhnlich nicht zwischen Gut und Böse zu wählen haben, sondern zwischen zwei Übeln. Man kann die Welt von den Nazis beherrschen lassen, das ist ein Übel; oder man kann sie durch Krieg überwältigen, und das ist auch ein Übel. Eine andere Wahl steht uns nicht offen, und was immer wir entscheiden, wir werden nicht mit sauberen Händen davonkommen.

Der Unterschied, auf den es wirklich ankommt, ist nicht der zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit, sondern zwischen der Neigung zur Machtausübung und der Abneigung dagegen.(Orwell)

Ermittlungen gegen Polizeibeamt*innen in NRW 2009-2014

Angelehnt an eine in Sachsen von Enrico Stange – Die Linke Sachsen – gestellte Anfrage bekam ich auf meine Anfrage für NRW diese Antwort der Landesregierung:

Zusammenfassend mit der dort erwähnten Anfrage von Dirk Schatz aus 2013 und der dazu gehörenden Antwort der Landesregierung ergibt sich zusammengefasst folgende Tabelle:

  

„Die Blumen sind für Sie…“

Ich habe das mal geglaubt, das mit dem „Polizist – Dein Freund und Helfer“. Ich war so unsäglich naiv. Ich weiß heute nicht mehr, ob und wann ich die Polizei anrufen würde. 

Mal ein paar „Einzelfälle“:

Im Dezember 2013 im Vorfeld der von Neonazis in Dortmund gerne durchgeführten Weihnachtskundgebungen an Wohnungen von Politiker*innen gab es an einem Abend vorher bereits eine Kundgebung der Neonazis. Ich habe dann (weil ich nichtsahnend daran vorbeikam) mal bei der Polizei angerufen, um zu fragen, was da denn los sei. Eine Antwort erhielt ich nicht. Der Mann am Telefon erklärte, das ginge mich nichts an. Ich ließ mir, nachdem er noch weiter unfreundlich war, den Namen geben. Dachte ich. Beim einige Zeit später stattgefundenen Treffen mit dem Polizeipräsidenten stellte sich heraus, dass es einen Menschen mit dem Namen bei der Polizei Dortmund gar nicht gibt. Es scheint auch mit der Uhrzeit nicht möglich gewesen zu sein, zu ermitteln, wer denn da mit mir telefoniert hat in der Zentrale.

Es muss nicht immer die ganz klare Polizeigewalt sein, die das Vertrauen erschüttert. Es sind die Kleinigkeiten. Weil es immer und immer wieder passiert. Und weil es eben keine Einzelfälle sind.

Die Polizeigewerkschaft Köln, bei der auf Facebook gegen „die Antifa“ gehetzt wird.

Der Retweet eines Neonazis durch die Polizei Dortmund.

Der Polizist, der am 1. Mai auf der Gegendemo ruft, wir könnten auch mal „richtig aufs Maul bekommen“ (Bochumer Hundertschaft).

Der Typ im Thor Steinar-Pulli, der in einem der Polizei angegliederten Sportverein gesehen wird.

Die Polizei, die verschwunden ist (nachdem sie mit zig Einsatzkräften eine Schnitzeljagd des Avantizentrums abfängt und Personalien feststellen lässt) als nur wenige Meter davon entfernt, Nazis aus dem Auto heraus Journalist*innen anpöbeln. 

Die Polizist*innen, die auf die Aussage, dass man eine Kundgebung vor einem besetzten Haus anmelden möchte mit: „Mit Ihnen rede ich doch gar nicht“ antworten.

Der, der bei der Räumung der Albertus-Magnus-Kirche mit den Worten „Die Olle kommt hier auf gar keinen Fall rein.“ hinter mir herläuft. 

Die, die bei jedem Halstuch wegen Vermummung in linke Demos stürmen, zum Vergleich aber z.B.  am 1. Mai 2014 einen Naziaufmarsch komplett unangetastet lassen trotz vieler vermummter Teilnehmer*innen (um nicht zu eskalieren).

Polizist*innen, die Menschen in die Gedenkdemo zum 10. Todestag von Thomas Schulz (28.03.2015) zurückschubsen, weil diese die Menschen anzeigen wollen, die am Fenster in der Rheinischen Straße wiederholt den Hitlergruß zeigen. Am 1. Mai 2014 war bei dem Naziaufmarsch just in dem Moment dann die Kamera aus.

Die Polizisten, die bei einer Räumung mit „Ahu“ (beliebter „Kampfruf“ von rechten und rechtsoffenen Hooligans) in den Raum mit den Besetzer*innen kommen.

Oder Aussagen wie „Das Grundrecht interessiert mich nicht.“ (Passierte mehrfach, z.B. Demo nach Dorstfeld 2014 oder vor der besetzten neuapostolischen Kirche) Immer gerne dabei: „Sie können ja klagen.“ „Sie können sich ja beschweren.“ (Und vielleicht muss man das mit so ein paar Klagen auch einfach mal durchziehen.)

Demo in Hamm (BFE): „Meinen Namen können sie später haben.“ (nachdem eine ältere Frau geschlagen wurde). Den Namen habe ich natürlich nicht bekommen. Einen Polizisten mit Helm und Sturmhaube erkennt man halt auch nicht so toll wieder. Kennzeichnungspflicht gibt es ja in NRW nicht.

Man könnte das ewig fortführen. Fehlverhalten hat halt keine Konsequenzen. Ein unabhängige Beschwerdestelle gibt es nicht. Was mit Ermittlungen gegen Polizeibeamt*innen ist, versuche ich noch zu recherchieren.

Es ist dieses Gefühl von offener Feindschaft. Mitunter der Tonfall. Die Machtspielchen. Die Art, wie ich angesprochen werde auf der Straße. (Irgendwie weiß offenbar jede/r Polizist*in im Umkreis meinen Namen.) 

Das Problem ist: Da endet es nicht. Bei einer Staatsanwaltschaft, bei der ein Faustschlag frontal ins Gesicht (gegen Daniela Schneckenburger beim Überfall des Rathauses durch die Neonazis) als Notwehr gewertet wird und bei der Todesdrohungen auf Journalist*innen oder Angriffe auf Menschen von Antifaschist*innen fingiert sein könnten zur Diskreditierung von Neonazis, weiß man auch nicht wirklich weiter.

Ich habe kein abschließendes Fazit. Nur das zunehmende Gefühl, dass es viele Gründe gibt, auf antifaschistischen Selbstschutz mehr zu vertrauen als auf Sicherheitsbehörden. Während überall die Notwendigkeit von Zivilcourage betont wird gegen Neonazis, trifft diese Feindschaft und Ablehnung und die Kriminalisierung die Antifaschist*innen, die nicht nur weit weg Würstchen grillen und Symbolpolitik betreiben, sondern realen Bedrohungen nahezu täglich ausgesetzt sind. Das ist im Kern bitter und sehr traurig. 

Polizei und soziale Medien

Gestern -im Vorfeld des kommenden Neonaziaufmarsches- fiel der Polizei Dortmund nichts Besseres ein, als nun gerade einen Naziaccount bei Twitter zu retweeten.

Dieser Naziaccount ist gleich auf mehrfache Art auffällig. Die Symbolik des Bildes ist eindeutig. European Brotherhood kann man auch eindeutig zuordnen. 

Weiterhin stellt die Phrase im Accountnamen „Taten statt Worte“ einen Bezug zum NSU her. 

Die Erklärung der Polizei erfolgte heute früh (nach der Kritik also sehr verzögert) und bisher nur sehr knapp via Twitter:

Diese Erklärung wirkt auf mich nicht glaubwürdig und wenig nachvollziehbar. Der entsprechende Account ist bei mir lange (wegen offensichtlich rechtsradikaler Inhalte) geblockt. Selbst, wenn das Bild geändert wurde, ist der sarkastische Ton („mimimi“) auffällig. Zudem sind Follower und Timeline eindeutig. (Der Account ist nun geschützt, war dies aber gestern nicht.)

Insofern habe ich heute früh per Mail bei der Pressestelle der Polizei Dortmund um Erläuterung der Leitung der Pressestelle und der Behördenleitung  gebeten. Eine Antwort liegt bisher nicht vor. 

Update: Die Pressestelle der Polizei hat zumindest versucht, mich telefonisch zu erreichen. 

Update 2: Mittlerweile hat mich die Pressestelle erreicht und sich bei mir für den Retweet entschuldigt.

Kommunikation von Sicherheitsbehörden in NRW

Und noch eine Anfrage an die Landesregierung. Dabei geht es um die rechten Hools, die sich der Gedenkfeier zum Probsteigassenanschlag bedenklich nähern konnten sowie den Umgang der Behörden damit:

Kleine Anfrage zur Kommunikation zwischen Sicherheitsbehörden in Nordrhein- Westfalen betreffend reisende Gewalttäter

Korrespondenz mit der DPolG

Wie gestern angekündigt, ging meine erste Mail vom Büro heute an den Vorsitzenden der DPolG Köln wegen des folgenden (mittlerweile gelöschten) Postings bei Facebook:

IMG_1180.JPG

(Screenshot via @_allroy und @formprim bei FICKO-Magazin)

Der Vorsitzende antwortete mir recht zügig und teilte mit, dass das betroffene Posting nicht „autorisiert“ worden sei. Zukünftig sollen ausschließlich durch ein Redaktionsteam autorisierte Inhalte veröffentlicht werden. Weiterhin entschuldigte er sich, weil in diesem Posting der politischen Neutralität nicht entsprochen worden sei. Der Verfasser des Postings sei freiwillig nicht mehr Mitglied des Redaktionsteams.

In einer weiteren Mail habe ich mich für die schnelle Antwort bedankt, aber meine Bedenken geäußert, inwieweit solches Gedankengut bei der Polizei verbreitet sei. Weiterhin interessiert mich, wie viele Polizist*innen in Köln in der DPolG organisiert sind. Die Antworten auf diese Fragen/Anmerkungen stehen noch aus.

Nachtrag: Heute kam noch die Mail, dass die DPolG zur „Anzahl der Mitglieder“ „grundsätzlich keine Auskunft“ gibt.

Es bleiben die Fragen, wie so ein Posting zustande kommt, wieso dies ca. 12 Stunden unbemerkt bleiben kann, dann beim Aufkommen von Kritik gelöscht wird und wieso die in diversen Screenshots ausgesprochenen Drohungen in den Kommentaren ebenfalls 12 Stunden stehengelassen werden. (Sind da strafrechtlich relevante Sachen bei?)

Kommentar zum Bericht des Innenministeriums zum Überfall auf das Dortmunder Rathaus

Gastbeitrag meines Kollegen Torsten Sommer, der am Abend vor Ort war:

In dem Bericht des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen wird mehrfach die Unwahrheit verbreitet. Es wird gezielt desinformiert. Es wird mehrfach eine verharmlosende Gleichstellung von Opfern und Tätern vorgenommen. Es wird versucht, demokratische Politiker zu verunglimpfen. Im Zweifel wird den rechten Gewalttätern Glauben geschenkt.
Eine demokratische Gesellschaft kann sich einen derartigen Affront auf Dauer nicht leisten. Die berechtigte Kritik an diesem Bericht muss zum Umdenken bei Polizei und Innenministerium führen. Speziell das Vorgehen des Staatsschutzes (keine eigenen Erkenntnisse im Vorfeld, fehlerhafte Lageeinschätzungen, blindes Vertrauen auf Einschätzungen der Rechtsdezernentin und Vertrauen auf Aussagen der rechten Gewalttäter) muss zu durchgreifenden Veränderungen beim Staatsschutz führen. Geschieht dies nicht, wird deutlich, dass der Staatsschutz in seiner jetzigen Form nicht nutzbringend ist.

Was aber auch deutlich wird, ist, dass offensichtlich selbst von Dienstgruppenleitern bei der Polizei Volksverhetzung überhört? wird.
Das ist nicht hinnehmbar und muss interne Ermittlungen nach sich ziehen, da andernfalls einer Radikalisierung der Polizei Vorschub geleistet wird. Es ist die Aufgabe des neuen Polizeipräsidenten tiefgreifende Änderungen vorzunehmen. Andernfalls verspielt die Polizei die Unterstützung und die Akzeptanz der Zivilgesellschaft, ohne die sie ihre Aufgaben nicht wahrnehmen kann.

Im Detail
Am Abend des 25.5.2014 wurde das Rathaus in Dortmund von rechten Gewalttätern überfallen. Dazu gibt es jetzt, etwa eine Monat nach dem Überfall, einen Bericht des Innenministeriums.

Das Innenministerium berichtet nicht so gerne von den Dingen, die es so tut. Daher erfahren wir oft, z.B. bei kleinen und großen Anfragen, dass keine Daten vorliegen oder dass die Sachverhalte zu komplex sind, um sie uns Normalsterblichen zu erklären. Beispiele findet man etwa hier
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-6051.pdf

Aber dass mir als Mensch in diesem Land und als gewähltem Vertreter der Menschen in diesem Land so offensichtlich und unverblümt ins Gesicht gelogen wird, das ist mir in den vergangenen zwei Jahren noch nicht passiert. Das ist eine neue Stufe der Missachtung von Menschen und ihrer Vertreter. Von einem Innenminister einer demokratischen Landesregierung erwarte ich mir Ehrlichkeit. Aber schauen wir uns den Bericht im Einzelnen an:

Auf Seite 1 wird geschildert, welche Absprachen es mit Vertretern der Stadt Dortmund gab. Und dass die Ergebnisse der Kommunalwahl wahrscheinlich erst nach 23 Uhr vorliegen würden. Eigene Erkenntnisse von Polizei oder Staatsschutz werden nicht aufgeführt.
Auf Seite 2 wird dann in der zweiten Hälfte doch erwartet, dass am Wahlabend rechte Gewalttäter zur Wahlparty im Rathaus auftauchen werden. Also war sowohl der Stadtspitze, wie auch der Polizei eine entsprechende Gefahrenlage bekannt. Und wir sprechen hier von den organisierten Gewalttätern, die seit 2000 fünf Menschen in Dortmund und p Umgebung ermordet, unzählige Gewalttaten und diverse Überfälle, z.B. auf die Hirsch-Q begangen haben.

Was macht man also im Zweifel? Man fragt mal einfach bei den Gewalttätern nach, was diese so vor haben. Auf Seite 3 oben ist das überraschende Ergebnis der Gespräche zu lesen: die Gewalttäter planen selbstverständlich keine Gewalttaten. Zur Sicherheit schaut die Polizei noch mal bei den sozialen Netzwerken im Internet und findet dort auch nichts. Na dann ist ja alles gut und die Party kann kommen!

Aber man ist sich immer noch nicht ganz sicher und schaut am Wahltag doch mal hier und dort vorbei und liest die Nachrichtenwebseite der Rechten und deren Twitteraccount. Wenn was geplant ist, dann wird das da bestimmt zuerst veröffentlicht. Und die Polizei hat Recht! Um 21.16 Uhr (alle Angaben aus dem Bericht des MIK) twittern die Gewalttätern dann tatsächlich ein Bild mit SS-Siggis Konterfei und dem Spruch „Mit einem Schlag ins Rathaus!“
Wohlgemerkt am Wahlabend getwitter. Bewertung der Polizei Dortmund:
Es wurde zu diesem Zeitpunkt nicht als entsprechende Ankündigung bewertet, das Rathaus am Wahlabend aufzusuchen bzw. sich gewaltsam dort Zutritt verschaffen zu wollen. Dazu gab es keinerlei Informationen? Aber egal, der Polizei Dortmund liegen ab 20.50 Uhr Infos vor, dass die Rechten in Dorstfeld feiern. Da schaut man dann um 21 Uhr nach und stellt fest, die Info stimmt.
OK, warum springen wir hier von 21.16 Uhr wieder zurück auf 20.50 Uhr? Und das ohne Zeitreise. Richtig, würde man berichten, dass um 20.50 Uhr in Dorstfeld gefeiert wird, um 21.00 Uhr überprüft man das und wird dabei von den Rechten bemerkt.
Auch wie man wegfährt. Um 21.16 Uhr wird „Mit einem Schlag ins Rathaus!“ getwittert. So ergibt sich eine ganz andere Dynamik. Wurde aber am Wahlsonntag anders bewertet. War in der Rückbetrachtung ein Fehler.

Um 22.10 Uhr gab es dann den ersten Notruf bei der Polizei. Um 22.13 Uhr den nächsten. Wieviele Notrufe es an diesem Abend zu dem Überfall noch gab und was deren Inhalt war ist leider nicht Bestandteil des Berichtes. Laut Bericht standen sich 30 rechte (Anmerkung von mir gut erkennbar an einheitlicher Kleidung) und etwa 100 „linke/bürgerliche“ darunter 20 vermummte Antifas gegenüber. Wenn es wirklich 20 Vermummte gab, wie ist festgestellt worden, dass es „Mitglieder“ einer Antifagruppierung waren? An der Kleidung konnte man das an dem Abend nicht festmachen. Auch auf den vorliegenden Videodaten des Abends sind bei weitem keine 20 vermummten Menschen vor dem Rathaus zu erkennen. Es gab mehrere Menschen, die sich vor dem Reizgas der rechten Gewalttäter geschützt haben. Nachweislich die erste, bedeutende Unwahrheit.

Weiter geht es mit „In dem Tumult wurden nach Angaben der ersten Einsatzkräfte Flaschen geworfen und Reizgas eingesetzt sowie geschlagen“ (Seite 5 Mitte) Hier wird der Eindruck erweckt, dass sich einfach zwei gewalttätige Gruppen gegenüber stehen. Jedwedes Videomaterial zeigt eindeutig, dass die Gewalt ausschließlich von den Rechten ausgeht. Diese Gleichstellung von Opfern und Tätern hat nichts mit polizeilicher Neutralität zu tun, sondern diffamiert die Opfer von rechter Gewalt und ist nicht hinnehmbar.

„Die nur durch eine Polizeikette getrennten Gruppierungen versuchten dennoch fortwährend sich gegenseitig zu attackieren“ Auch hier zeigt das Videomaterial das Gegenteil. Es wird trotz der Polizeikette von Seiten der Rechten weiterhin auf die Menschen vor dem Rathaus eingeschlagen und Reizgas versprüht. Eine aggressive Bewegung zu den Rechten ist auf keinem Videomaterial ersichtlich. Hier wird erneut und nachweislich die Unwahrheit verbreitet.

Seite 6 oben: „Da vor Ort mehrere verletzte Personen gemeldet wurden, erfolgte umgehend die Anforderung von Rettungswagen der Feuerwehr?“
Dumm nur, dass die Rettungskräfte bereits vor dem Eintreffen der Polizei vor Ort waren. Aber so einen RTW übersieht man ja schon mal. Bitte dazu das Bildmaterial vom Wahlabend vergleichen.

Um 22.20 Uhr wurde durch den DGL vor Ort (EA „Rathaus außerhalb“) der Einsatz von Pfefferspray durch Einsatzkräfte gemeldet? Leider wird nicht berichtet, wer Ziel des polizeilichen Reizgaseinsatzes war. Wertet man das reichlich vorhandene Bildmaterial aus, stellt man fest, dass ausschließlich die Rechten Ziel von polizeilichem Reizgaseinsatz war. Das an dieser Stelle nicht zu benennen dient einzig dem Zweck, den Angriff der rechten Gewalttäter als allgemeine Auseinandersetzung darzustellen. Eine solche Desinformation darf eine demokratische Regierung nicht betreiben.

Um 22.21 Uhr sind laut Bericht alle gewalttätigen Auseinandersetzungen beendet. Oder um es ehrlich zu benennen: die Angriffe der Rechten auf die Demokraten vor dem Rathaus wurden von der Polizei unterbunden. Auch hier wieder eine verharmlosende Desinformation, die angegriffene Demokraten auf eine Stufe mit gewalttätigen Rechten stellt.

„Um 22.24 Uhr werden dann 10 weitere Streifenwagen bestellt, da es vermummte Personen im „linken/bürgerlichen Spektrum“ vor dem Rathaus
gibt.“
Die Verhältnismässigkeit der Mittel ist völlig abhanden gekommen.

„Um 23.06 Uhr waren Personalien von insgesamt 22 Personen der rechten Szene aufgenommen worden. Darüber hinaus wurden von 5 Personen der linken Szene, die an den Auseinandersetzungen beteiligt waren, ebenfalls die Personalien aufgenommen?“
Hier wird ausschließlich den Personen der linken Szene unterstellt, sie hätten an den Auseinandersetzungen teilgenommen? Und wieder: Wie auf allen Videos zu sehen ist, gab es ausschließlich Gewalt von Seiten der Rechten, keine allgemeine Auseinandersetzung. Den 22 Personen der Rechten wird das hier nicht unterstellt. Desinformation mit rhetorischen Mitteln, die einer demokratischen Regierung nicht ansteht.

„Da die Kräftelage für eine Umstellung der größeren Personengruppe aus linkem/bürgerlichem Spektrum nicht ausreichend war
Das schlägt dem Fass den Boden aus! Die Demokraten, die passiv vor dem Rathaus zusammengestanden haben und unsere Demokratie verteidigt haben, sollten von unserer Polizei eingekesselt werden? Da bleibt mir als Demokraten die Spucke weg! Was muss passieren, damit die Führungsbeamten ihren Amtseid erfüllen? Jeder Träger des staatlichen Gewaltmonopols hat gelobt unsere Verfassung zu verteidigen. Wer nicht gewillt ist, diesen Eid zu erfüllen hat bei der Polizei nichts zu suchen.

Mussten strafprozessuale Maßnahmen auf diese 5 Personen, die konkret durch Angehörige der rechte Szene beschuldigt wurden, Körperverletzungsdelikte zu deren Nachteil begangenen zu haben, beschränkt werden? Dass die Polizei hier nicht Richter spielt und Personalien aufnimmt, ist nachvollziehbar. Dass jedoch der Eindruck erweckt wird, dass die Polzei das auch noch gerne tut, ist nicht hinnehmbar.

„Im Anschluss an die oben aufgeführten Maßnahmen wurden erste Personen aus der Gruppe der Rechten vor Ort entlassen.“
Aus der gleichen Gruppe, die nachweislich Gewalttaten begangen hat und die nur durchEinsatz von Schlagstock und Reizgas davon abgehalten werden konnte, friedliche Demokraten weiter zu verprügeln. Eine Verhältnismäßigkeit ist hier wieder nicht gegeben.

„Der DGL vor Ort berichtet, dass er zu keinem Zeitpunkt das Rufen volksverhetzender Parolen oder Singen der ersten Strophe des „Deutschlandliedes“ durch die gesamte Gruppe wahrgenommen habe.“
Eine glatte Lüge. Das vorliegende und öffentlich zugängliche Videomaterial zeigt eindeutig, dass sowohl die erste Strophe des Deutschlandliedes gesungen wird, sowie diverse ausländerfeindliche Parolen skandiert worden sind. Auf den Videos ist eindeutig zu erkennen, dass Polizeikräfte die Rechten bei diesen Äußerungen bereits umstellt hatten. Wenn die Polizei das hier in diesem Bericht an die Präsidentin des Landtags verneint und das offensichtlich und nachweislich nicht den Tatsachen entspricht muss das personelle sowie strukturelle Folgen innerhalb der Dienstgruppenleitung der Polizei haben. Die Legislative des Landes dermaßen dreist zu belügen darf nicht folgenlos bleiben. Sonst können wir uns diese Demokratiesimulation sparen.

„Auch nach Einschreiten der ersten Beamten, die durch eine Polizeikette die Gruppierungen zu trennen versuchten, änderte sich das Verhalten der Personen nicht, so dass der Einsatzmehrzweckstock und Pfefferspray eingesetzt werden mussten.“
Gegen wen wurden Schlagstock und Reizgas eingesetzt? Laut Videomaterial ausschließlich gegen die rechten Angreifer. Auch hier findet wieder eine Desinformation mit dem Ziel der Verharmlosung und der Gleichstellung p von Opfer und Täter statt. Unsäglich.

„Während die Einsatzkräfte die Gruppe der Angehörigen der rechten Szene räumlich zurückdrängten, wurden fortwährend aus dem Rücken der Polizeibeamten heraus aus der bürgerIich/linken Gruppierung versucht, die vorhandene Lücken in der Polizeikette auszunutzen, um Angehörige der rechten Gruppierung mit Schlägen und Tritten zu attackieren,…“
Das ist einfach die Unwahrheit. Auch hier wieder der Hinweis auf diverse Videoaufzeichnungen. Eindeutig ist zu sehen, dass nach der Aufstellung der Polizeikette die Polizisten ALLE mit dem Gesicht zu den Rechten stehen und mit Schlagstock und Reizgas Angriffe der Rechten auf die Menschen vor den Rathaustüren abwehren. Was weiterhin zu sehen ist, sind Rechte, die durch Lücken in der Polizeikette weiterhin versuchen, die Menschen vor den Rathaustüren zu schlagen und mit Reizgas zu besprühen.

„Die Maßnahmen der Polizei ließen die Angehörigen der rechten Gruppierung ohne größeren Widerstand über sich ergehen.“ Durchgesetzt mit Schlagstock und Reizgas, wobei weiterhin auf Menschen hinter der Polizeikette eingeprügelt wird. Unfassbar wie hier versucht wird, den Aggressoren und Gewalttätern „friedliche Kooperation“ mit der Polizei zu bescheinigen.

„Auf der anderen Seite berichten die Einsatzkräfte von deutlich alkoholisierten Politikern, die aus dem Rathaus heraus auf den Friedensplatz getreten waren.“
Diese Diffamierung soll auch wieder nur das Augenmerk von den Gewalttaten der Rechten ablenken und demokratische Politiker allgemein diskreditiert werden.

„Durch das Entfernen einer der beiden streitenden Gruppierungen vom Friedensplatz ..“
Auch hier wieder eine Gleichstellung von Aggressoren und Opfern. Kann vor Ort passieren. In einem Bericht des Innenministeriums an den Landtag bedeutet das nicht weniger als eine Entfernung von Polizei und Innenministerium von der freiheitlich demokratischen Grundordnung unseres Landes.

„Aktuell wird auf Anfrage der Ermittlungskommission Friedensplatz durch die Staatsanwaltschaft Dortmund geprüft, wie die „Gruppenstraftaten“ Nötigung und Landfriedensbruch, bezogen auf die jeweilige Gruppierung, bewertet werden. Über die weiteren strafprozessualen Maßnahmen hat sich die Staatsanwaltschaft Dortmund die Entscheidung vorbehalten.“
Nach den bisherigen Erfahrungen mit der Staatsanwaltschaft Dortmund mit den Ermittlungen gegen rechte Gewalttäter erwarte ich, dass ab 2020 die ersten Verfahren gegen die Angreifer eingestellt werden. Gründe werden sich finden.

Von Seiten der Polizei Dortmund wird der Einsatz als „sachgerecht“ eingestuft. Nach den Bildern und meinen persönlichen Erlebnissen am Abend des Wahlsonntages möchte ich nicht erleben, was passieren muss, damit ein derartiger Einsatz als nicht sachgerecht eingestuft wird.
Wenn zehn Verletzte nicht ausreichen, wo soll das hinführen?

Aus der Reihe: Gespräche from Hell

Heute: Polizei und Staatsanwaltschaft Duisburg

Am 24.8. habe ich auf dieser Seite einen Augenzeugenbericht veröffentlicht, der mir im Vertrauen und in meiner Eigenschaft als Mitglied des Landtages NRW zugestellt wurde.

Vor ca. 10 Tagen meldete sich ein Polizist der Kripo Duisburg auf meinem Handy, weil er gerne den Namen des Zeugen haben möchte. So weit, so gut.

Heute bin ich dann (in Begleitung meines Mit-MdL Torsten Sommer) zur Polizei Duisburg gefahren. Meine naive Idee war ja, wir reden dann einfach mal locker. (Zumal ich bezüglich des Verhaltens der Polizei dort auch mal ein paar (unangenehme) Fragen hätte. Zum Beispiel bezüglich der Gerüchte, die Polizei würde nicht zum Haus „In den Peschen“ fahren, wenn Menschen mit gebrochenem Deutsch anrufen. Oder bezüglich der Gerüchte, es hätte beim Eindringen in das Haus rassistische Äußerungen gegen Bewohner*innen gegeben.)

Es kam dann aber gar nicht so richtig zu einem Gespräch.

Erwartet wurden wir von dem Polizeibeamten aus dem Telefonat (Herrn S.) und dem mir nicht angekündigten und bis dahin unbekannten Staatsanwalt (Herrn M.).

Wir stellten uns kurz vor, da fragte Herr M., wer denn mein Begleiter sei. Ich stellte ihn als Kollegen aus dem Landtag vor. Herr M. stellte fest, dass eine Begleitung nur als Rechtsvertretung vorgesehen sei, sonst nicht und forderte meinen Kollegen auf, den Raum zu verlassen. (Auf eine Bemerkung von Torsten Sommer kam die Entgegnung vom Herrn Staatsanwalt an Torsten: „Mit ihnen rede ich gar nicht.“) Wir stellten dann klar, dass wir dann auch umgehend wieder gehen.

Der Staatsanwalt erläuterte weiterhin, dass er mir dann eine Vorladung zukommen lassen würde und ich dann verpflichtet sei, zu kommen und auszusagen.

Dem Polizisten nehme ich ab, dass er wirklich keine Eskalation gewollt hat. Er wollte „den Drive“ aus dem Gespräch nehmen und seine Ermittlungsgrundlage durch einen zusätzlichen Zeugen stärken. Den „Drive“ hat aber vor allem der Herr Staatsanwalt in das Gespräch gebracht. Das kann die Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens tun. Nur die Mittel dazu sind unverhältnismäßig.

Hier wollen also Menschen Machtspiele spielen. Vor allem der Herr Staatsanwalt. Kraft seines Amtes. Man stellt sich zu zweit gegen einen. Und der Hinweis auf einen Rechtsbeistand ist eher niedlich. Erstens war ein Gespräch mit dem einzelnen Beamten angeregt. Eins zu eins. Zweitens kostet ein Rechtsbeistand immer Geld. Über das verfügt leider nicht jeder Mensch. Schon gar nicht für ein einfaches Gespräch bei der Polizei.

Ich muss gestehen. Ich bin entsetzt. So richtig. Ich stelle mir jetzt einen Menschen ohne Landtagsmandat vor, der in diese Situation gerät und nicht in der Lage ist, entsprechend zu kontern. Unfassbarer Tonfall. Drohgebärden. Mal ganz unabhängig von rechtlicher Beurteilung des Falls: Dieser Umgang ist systemimmanent. Wird ständig so gemacht.
Und. Geht. Gar Nicht!

Rechtlich schließt sich die Frage an, inwiefern ich nun zu einer Aussage gezwungen werden kann. Hier käme eventuell dies in Frage:

§ 53 I Nr. 4 StPO: „Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst.“

Also. Bring it on….

In den Peschen, Duisburg, Augenzeugenbericht vom 23.8.

Ein Freund von mir war in der Nacht vom 23. auf den 24.8. vor Ort in Duisburg. Hier sein Bericht:

„Nachdem die WAZ bzw. derwesten.de einen von vorne bis hinten erfundenen Polizeibericht veröffentlicht hat, möchte ich doch mal die letzte Nacht aus meiner Sicht wiedergeben:
Ich beteilige mich erst seit Donnerstag an den Nachtwachen, war am Freitag also das zweite Mal dabei. Ich habe mich auf eine ruhige Nacht eingestellt. Ich habe Decken, Getränke, Süßigkeiten einen Feuerlöscher und Spiele eingepackt. Als ich um 19:30 am Gebäude „In dem Peschen 3-5“ ankam, war die Stimmung jedoch deutlich angespannter als in der Nacht davor. Es fand in der Nähe gerade eine Versammlung des Vereins „Bürger für Bürger“ statt und es wurde befürchtet dass es im Anschluss zu Übergriffen gegen das Haus kommen könnte. Twitternachrichten aus der Versammlung wie „90% der Leute pöbeln rum, rassistische Aussagen ohne Ende.“ und „Der deutsche Mob tobt.“ untermauern diese Befürchtung. Es treffen immer mehr Menschen ein, die helfen wollen, das Gebäude und die Bewohner vor Übergriffen zu schützen. Darunter auch zwei junge Männer, die im späteren Verlauf noch verhaftet werden. Es gehen Gerüchte um, dass Nazis bereits in den umliegenden Straßen gesichtet wurden und es auch schon zu einem Übergriff gekommen sein soll.

Gegen 21 Uhr kommt eine Gruppe von der Bürgerversammlung zurück und berichtet von der Stimmung dort. Sie wirken verängstigt. Sie berichten, dass ihnen das Wort verboten wurde, Menschen körperlich von Wortmeldungen zurückgehalten wurden. ProNRW-Personen, Menschen die eindeutig der Division Duisburg zuzuordnen waren und offensichtliche Neonazis sollen anwesend gewesen sein. Die Menschen haben die Sitzung verlassen und wurden bis zum Auto verfolgt.

Um vorm Gebäude für Ruhe zu sorgen und um in einem Plenum zu besprechen wie weiter vorgegangen wird, wird beschlossen, dass nur ein paar Leute am Gebäude bleiben, um notfalls die Polizei zu rufen und der Rest der Helfer sich zu dem ca. 200m entfernten Gebäude des alten Mädchengymnasiums begibt, um dort in Ruhe ein Plenum abzuhalten.

Zurück am Gebäude „In dem Peschen 3-5“ bleiben die beiden Personen, die später verhaftet werden.

Vor dem alten Mädchengymnasium werden wir von einer kleinen Gruppe angesprochen, die uns entgegen kommen. Die Menschen sind sehr aufgeregt und berichten von einer gerade eben stattgefundenen Auseinandersetzung in der Nähe. Der genaue Ort der Auseinandersetzung erschließt sich mir aus den Berichten nicht. Es wurde wohl eine Gruppe, die von den Berichtenden dem Antifa-Umfeld zugeordnet wurden, von „bürgerlichen“ Menschen angepöbelt. Es kam zu Handgreiflichkeiten incl. Pfefferspray. Wer was gegen wen wie einsetzte erschloss sich mir aus den Berichten nicht.
Es kann jedoch als sicher erachtet werden, dass die beiden Menschen, die später verhaftet wurden, sich zu dem Zeitpunkt der Auseinandersetzung vor dem Gebäude „In den Peschen 3“ befanden, um es zu bewachen.

Im Plenum wird nun das weitere Vorgehen für die Nacht besprochen. Um 22:10 geht eine kleine Gruppe vom Plenum zum Gebäude „In den Peschen 3“, da mit den Bewohnern vereinbart war, dass um 22 Uhr ein Plenum mit Ihnen stattfindet, um die kommende Nacht zu besprechen.
Um 22:15 fährt ein großes Aufgebot der Polizei an uns vorbei zum Gebäude „In den Peschen 3“. Wir warten weiter am Mädchengymnasium. Berichte erreichen uns telefonisch, dass wahllos Wohnungen gestürmt, Kinder aus den Betten gerissen, Pfefferspray eingesetzt wird. Eine hochschwangere Frau muss mit dem Notarzt zum Krankenhaus gebracht werden. Ein Kind soll sich gewehrt haben und verhaftet worden sein. Der Vater, der dem Kind helfen wollte, wurde ebenfalls verhaftet. Die Bewohner sollen von der Polizei in rassistischer und sexistischer Weise bedroht und beleidigt worden sein.

Es werden direkt zu Beginn auf dem Gehweg die beiden Menschen verhaftet, die als Wache zurückgeblieben waren. Laut dem WAZ-Bericht wird ihnen vorgeworfen, Menschen, die aus der Bürgerversammlung kamen, angegriffen zu haben. Weiterhin behauptet die Polizei der WAZ gegenüber, dass die Personen ins Gebäude geflohen wären und deswegen die Polizei die Razzia durchgeführt habe. Fakt ist jedoch, dass die beiden Personen seit Stunden an der Ecke des Gebäudes standen, nicht mal in der Nähe des Eingangs und an dieser Ecke auch direkt verhaftet wurden.

Gegen 0 Uhr ist die Polizei wieder vollständig vom Gebäude „In den Peschen 3“ abgezogen. Eine Streife wurde zum Schutz nicht abgestellt. Nachdem einige Menschen, die schon länger die Nachtwache mitmachen, mit den Bewohnern gesprochen haben, wurde die Nachtwache eingeteilt. Ich bin tief beeindruckt von der Herzlichkeit, mit der die Bewohner uns direkt mit Tee empfingen. Die Bewohner waren sichtlich dankbar über unsere Anwesenheit.

Der Rest der Nacht blieb abgesehen von einem Flaschenwurf aus einem fahrenden Auto und besoffenen Pöbeleien eines Anwohners relativ ruhig. Die Polizeistreifen fuhren ca. alle halbe Stunde um das Gebäude. Gegen 3 Uhr wurde die Gruppe am Hofeingang von der Polizei angesprochen, weil es wohl Anzeigen gab, dass ein Rollerfahrer vom Gebäude aus mit einer Flasche beworfen wurde sowie dass Menschen, die aus einem Taxi stiegen bedroht und verfolgt wurden. Die Polizei räumte jedoch selbst ein, dass sich beide Vorfälle zu Zeiten ereignet haben sollen, zu denen die Polizei gerade selbst mit einem Streifenwagen vor Ort war.

Alles in allem hat mir der heutige Abend gezeigt, dass die Polizei in den Bewohnern des Gebäudes „In den Peschen 3“ nicht Opfer, sondern Täter sieht. Es geht nicht darum, Übergriffe auf das Gebäude zu verhindern, sondern die Bewohner zu diskriminieren und zu kriminalisieren. An einen Schutz des Gebäudes durch die Polizei ist damit auch mittelfristig nicht zu glauben.
Ehrlich gesagt glaube ich nicht mehr daran, dass es langfristig möglich sein wird, einen Anschlag auf das Gebäude zu verhindern.“