Hervorgehobener Beitrag

Was tun in Situationen mit Menschen in psychischen Krisen…

…statt die Polizei zu rufen?

Contentwarnung: Suizid, Waffen

Ich habe vor einigen Jahren schon mal einen recht persönlichen Text zum Thema verfasst:

Und auch dieser kurze Text gibt meine sehr persönliche Meinung wieder und kann natürlich diskutiert werden.

Was sich seit damals nicht groß geändert hat: Über Suizidabsichten zu reden, ist nach wie vor problematisch. Menschen werden -durchaus verständlicherweise- nicht gerne mit einem so umfassend belastenden Thema konfrontiert und neigen zum Beispiel zu großer Hilflosigkeit. Das führt dann manchmal zu einem fast reflexhaften Wunsch, das Problem ausgliedern zu wollen an professionelle Hilfe. (Und es gibt natürlich oft sehr gute professionelle Hilfe, leider aber in einem entsprechend im Kapitalismus knapp kalkuliertem Angebot von Kliniken, Therapeut*innen etc. und auch mit einem entsprechend komplett überlasteten System. Des Weiteren ist das Hilfesystem oft paternalistisch und mit Zwang verbunden, so dass Menschen -je nach persönlichen Erfahrungen- erst recht nachvollziehbar ablehnend reagieren.)

Zweifellos gibt es auch psychiatrische Krisen, die medikamentöse Behandlung erfordern. Akute schizophrene Schübe zB., aber auch verschiedene Formen und Ausprägungen von Depressionen.

Warum ich es aber nicht für sinnvoll erachte, die Polizei zu rufen:

Polizist*innen sind kaum ausgebildet für den Umgang mit Menschen in psychischen Krisen. In viel zu vielen Fällen hat das System Polizei gezeigt, dass es nicht angemessen deeskalierend umgehen kann mit Menschen in psychischen/psychiatrischen Krisen. Pfefferspray-, Taser- und Schusswaffeneinsatz zeigen dies in sehr trauriger Regelmäßigkeit. Oft führt dies sogar zum Tod der Person, die die Polizei eigentlich vor sich selbst schützen sollte. Polizei will überwältigen, Situationen in kurzer Zeit mit Macht- und Gewaltausübung beenden. Sich bei Überforderung zurückzuziehen, ist in dem Mindset gar nicht vorgesehen.

Weiterführende Links:

https://taz.de/Kriminologe-ueber-schiessende-Polizisten/!5805761&s/

https://taz.de/Polizei-toetet-Jugendlichen-in-Dortmund/!5870594/

https://www.belltower.news/polizeiproblem-toedliche-polizeieinsaetze-treffen-haeufig-migranten-in-psychischen-ausnahmesituationen-136705/

https://taz.de/Psychologe-ueber-toedliche-Polizeischuesse/!5408530/

In einer akuten Krise mit Polizeigewalt konfrontiert zu werden, in der man vor allem Fürsorge benötigt, kann zu einer weiteren Traumatisierung führen.

Die Gründe für akute psychische/psychiatrische Krisen können sehr vielfältig sein:

Verluste, Trauer, Schock, drastische Änderungen der Lebenssituation, Einsamkeit, Abhängigkeiten, Krankheiten, finanzielle Unsicherheit etc.

Das führt zB. dazu, dass die bisher verfügbaren Verhaltensmuster kurz- oder langfristig nicht (mehr) funktionieren und ein möglicher Ausweg aus einer Situation selbst nicht mehr erkannt wird.

Und so vielfältig wie Menschen sind, so vielfältig sind deren Krisen und die daraus dann entstehenden Situationen, so dass es kaum allgemein gültige Ratschläge geben kann. Nichtsdestotrotz ist es sinnvoll, verschiedene Situationen/Fragen gedanklich zumindest durchzuspielen, bevor man tatsächlich damit konfrontiert ist.

Unterschiedliche konkrete Situationen:

  • Sprache
    • Sprecht ihr dieselbe Sprache oder braucht es Dolmetscher*innen?
  • Waffen
    • (Abstand wahren; Nicht selbst in Gefahr bringen!)
  • Ort (draußen, drinnen, Fremdgefährdung)
  • Drogenkonsum
    • Welche Drogen/Medikamente wurden konsumiert? In welcher Menge? Kannst Du die Wirkung einschätzen? (Bei Bewusstlosigkeit: Krankenwagen/Notärzt*innen/Rettungsdienst anrufen)
  • Ist die Person ansprechbar? Ist ein Gespräch möglich?
  • Eigene Verfassung
    • Wie belastend ist die Situation für Dich? Mit wem/wie kannst Du das verarbeiten?
  • Eigene Ausbildung/Erfahrung
  • Wie gut kennst Du die Person?
  • Suizid und eigene Entscheidungen
    • Für jemanden da sein? Vorsicht vor Abhängigkeiten. (Persönliche Geschichte dazu unten)
    • Sich selbst fragen, ob man Entscheidungen (auch die für den eigenen Tod) akzeptieren kann?
  • Psychische Krisen und eigene Entscheidungen (Akuter depressiver oder schizophrener Schub/Wahn…?)
  • Hilfssysteme und Notfallkontakte (Psycholog*innen, Ärzt*innen, Therapie-/Selbsthilfe-Gruppen, (Akut-)Kliniken, Telefonseelsorge etc.)
  • Aufbau von solidarischen Strukturen/Gruppen/Vernetzung
  • Ambivalenzen verdeutlichen (Aufdröseln, was Gründe sein könnten, weiterleben zu wollen)
  • Gründe besprechen für psychische Krise: Gibt es auslösende Faktoren? Was könnte helfen?
  • Welche belastenden Faktoren könnte man bearbeiten? Was kann man loslassen/verändern?
  • Welche Fluchtmöglichkeiten aus der Belastung könnte man ausprobieren? Wie bekommt man Distanz zu belastenden Faktoren?
  • Notfallpläne erstellen; Orte, Handlungen; alles, was helfen könnte etc.
  • Kontaktliste (auch mit persönlichen Kontakten; mit Menschen, die man in Notfällen auch nachts anrufen kann)

Hilfreiche Links etc.

https://www.mhfa-ersthelfer.de/de/was-ist-mhfa/guidelines/

https://www.deutsche-depressionshilfe.de/depression-infos-und-hilfe/depression-in-verschiedenen-facetten/suizidalitaet#Umgang%20mit%20suizidalen%20Menschen

Eine kurze sehr persönliche Anmerkung zu dem oben erwähnten Punkt, ob man für andere Menschen in einer suizidalen Situation da sein kann: Vor einigen Jahren in einer suizidalen Phase von mir hat mir ein Freund zugesagt, er wäre für mich da, also körperlich bei mir, falls ich irgendwann wirklich sterben wollen würde und dabei nicht alleine sein möchte. Das war damals eine für mich so großartige, liebevolle, respektvolle Aussage (und mit so einem krassen Grad an Verantwortung), dass es mir für den Moment sämtlichen Druck genommen hat. Das ist aber natürlich etwas, was man niemals erwarten und Menschen auch sehr belasten kann. (Von den eventuellen strafrechtlichen Problemen mal abgesehen.)

Und zum Schluss noch einen Lesetipp zum Umgang mit Emotionen/Krisen etc. in linken Kontexten/Gruppen: https://www.akweb.de/ausgaben/679/individualismus-und-leistungsfetisch-in-linken-gruppen-das-start-up-in-uns/

Hervorgehobener Beitrag

Demos barrierefreier gestalten

Aus aktuellem Anlass: Auch wenn eine Regierung beschließt, eine Pandemie sei nun vorbei und man könne allüberall auf Masken verzichten, sollten wir weiterhin im Blick behalten, wie hoch die Gefahr einer Ansteckung mit Covid weiterhin ist.

Zumindest mein persönlicher Anspruch ist es, dafür Sorge zu tragen, dass auch vulnerable Menschen, also welche mit Behinderungen, Vorerkrankungen, unter Immunsuppression etc. weiterhin in meinem Umfeld sicher sind und dazu gehören selbstverständlich entsprechend auch Veranstaltungen und Demos in der linken/anarchistischen Szene.

Fragt euch also bitte:

  • Welche Sicherheit können/wollen wir bieten?
  • Wie und wo kommunizieren wir welche Hygienemaßnahmen?
  • Wo sind Masken weiterhin verpflichtend?
  • Worauf können sich Menschen wo verlassen?
  • Wie gehen wir mit unterschiedlichen Situationen um? (in Innenräumen, draußen, Desinfektion, Masken, Tests, Abstand, Lüftung etc.)

Und weiter geht es mit dem ursprünglichen Text: Verlinkt von der Krüppel Pride, bietet dieses Zine schon einmal eine sehr guten Übersicht zum barrierefreien Gestalten von Veranstaltungen und Demos.

http://akmob.kulturrevolution.de/aus.schluss-barrierefrei-veranstalten.pdf

Genannt bei Twitter wird zum Beispiel Angst, „unter die Räder zu kommen“. Deshalb nehmen mitunter Menschen mit Behinderungen sehr selten oder gar nicht an Demos teil oder nur, wenn sie innerhalb einer Gruppe organisiert sind von weiteren Menschen mit Behinderungen.

Es gibt aber natürlich schon einige Dinge, die Demoorganisator*innen berücksichtigen können, um ihre Demo barrierefreier zu gestalten und damit auch mehr Menschen mit Behinderungen eine Teilnahme zu ermöglichen.

Eine unvollständige Checkliste:

* Ankündigungen, Homepage, Plakate, Flyer, Sticker etc. auf Barrierefreiheit checken (Kontraste, Farben, Schriftgröße, Bildbeschreibungen in sozialen Medien, Sternchen statt Doppelpunkt zum Entgendern, Sprache verständlich/Variante mit leichter Sprache etc.)

* An- und Abreise (barrierefreie Bahnhöfe in der Nähe?)

* Wenn Anreise per Bus: Ist der Bus barrierearm, gibt es die Möglichkeit (E-)-Rollis sicher zu verstauen und schnell griffbereit zu haben?

* Wegstrecke (mögliche Stolperfallen, Straßenbahnschienen, Sand, Wiese, fehlende abgesenkte Bürgersteige, Steigungen etc.)

* Bei größeren Events: Übernachtung, Essen, Verfügbarkeit von barrierefreien Toiletten

* Awarenessteam, was nicht verhätschelt

* Ausgebildete Demosanis (die nicht nur Sonnenstich, Pfefferspray, Schlagstock-Vorkommnisse abdecken können)

* Tempo der Demo (auch im Hinblick auf Menschen mit Gehbehinderungen)

* Durchsagen/Reden wie kommunizieren für Menschen mit Hörbehinderungen

* Buddys/Bezugsgruppen organisieren? (Erst recht für Menschen, die bisher wenig Demoerfahrung haben, alleine sind und bei Demos, bei denen Eskalationen zu erwarten sind)

* Bereiche ohne laute Musik

* Cops bitten, Blaulicht auszuschalten oder auf Minimum zu reduzieren (Photosensitivität)

* Nachhut zulassen – etwas verstreutere Gruppe für Menschen, die etwas Abstand brauchen, Enge/Blöcke bedrohlich finden etc. (Darauf achten, dass die Polizei nicht drängelt.)

* Weitere Punkte werden entsprechend fortlaufend ergänzt…

Pläne für Notfälle:

* Schutz von Menschen wie organisieren?

* An- und Abreise mit Teams begleiten

* Lautsprecherbesatzung sollte vorhersehbare Gefahren angemessen und transparent kommunizieren

* z.B. weil Demo ins Rennen kommt, Zugriffe/Pfefferspray von Polizei etc., Angriffe von Nazis etc.

* Dafür müssen vorab Menschen (Buddys/in den Bezugsgruppen) benannt werden, die in der Lage sind, den Überblick zu bewahren und erfahren genug sind, dynamische Situationen einschätzen zu können

Lose Gedanken und Gefühle. Etwas unsortiert… (Oder: Mehr weinen wagen.)

You said „anxiety’s the theme of all our lives these days“
Can’t even have my coffee without exploiting someone
Or making another millionaire a billionaire“

But I’m done dying on the inside
Now that everything is dying outside
The sky is letting go
Of holding on, like a crying child
Armageddon on my mind
I’ll try to smile all the time“

Spanish Love Songs – Optimism (as a radical life choice)

Aktuell habe ich den subjektiven Eindruck, dass in vielen Strukturen „nach“ der Pandemie organisatorisch wieder richtig viel geht. Viele Kundgebungen, Demos, Veranstaltungen, Mahnwachen etc. Neue Räume. Effiziente Planungen und Plenumssitzungen.

Aber irgendwas fühlt sich trotzdem immer mal „off“/falsch an. Kennt ihr das oder bin das nur ich?

Wir haben Räume für den ganzen Orgakram, aber wo bleiben wir mit unseren ganzen Gefühlen zu allem, was passiert? Wo weinen wir zusammen? Wo ist Platz, all die Emotionen zu Ereignissen überhaupt noch zu verarbeiten?

Versteht mich nicht falsch. Dass Orga oft gut läuft, ist super toll. All die Menschen, die sich einbringen irgendwo, irgendwas organisieren, einander helfen etc. Aber: Zig Kommunikationskanäle, soziale Medien, Nachrichten. Alles parallel. Überlagernd. Überfordernd. Wie und wo verarbeiten wir das? Oder machen wir das nur weg? Verdrängen. Mehr Orgakram? Mehr Arbeit? Drogen? Abends alleine Zuhause heulen? Offensichtlich bin ich darin gar nicht mehr gut. Im Verdrängen. Im Funktionieren. Darin, alles mit mir alleine auszumachen.

Vielleicht bin ich einfach zu emotional. Ich kann für ’nen überfahrenen Igel weinen. Oder einen abgesägten Baum. Ich ertrage Ungerechtigkeit nur schlecht. Menschen sterben. Kapitalismus. Klimakrise. Armut. Wohnungslosigkeit. Dagegen unfassbarer Reichtum. Manchmal komme ich schon mit der schieren Existenz all dieser Dinge nebeneinander nicht klar.

Nein. Das ist natürlich nicht so. „Wir“ sind eher zu wenig emotional angesichts von allem, was uns und um uns herum passiert. Haben gelernt (manche sehr früh in ihrem Leben) Gefühle wegzumachen, klein zu halten. Vermutlich wäre es sehr sinnvoll, all das in unser (politisches) Leben besser zu integrieren.

Vielleicht übersehe ich auch was. Vielleicht sehe ich das alles mitunter zu negativ. Vielleicht bin ich nicht in den „richtigen“ Kreisen. Oder meine einst engen Freund*innen sind mittlerweile emotional zu weit entfernt. Oder ich bin schlecht geworden damit, emotionale und auch körperliche Nähe überhaupt zuzulassen. Oberflächlich betrachtet ist es auch eine Weile einfacher gewesen, Gespräche ein wenig belanglos zu halten. Sich aufs Sachliche zu beschränken. Tiefe zu vermeiden. Sich in Orgakram „verlieren“. Aber langfristig erscheint mir das zumindest für mich nicht mehr passend. Es führt zu dem oben genannten „Off“-Gefühl.

Die Privilegierten unter uns haben dann dafür noch Therapeut*innen und/oder Therapiegruppen. (Ich auch!) Aber wünschen würde ich mir dafür oft auch Zeit und Platz in linken Strukturen. (Wüsste aber gleichzeitig nicht einmal, wie das aussehen könnte konkret. Dilemma: Oft sind mir „Befindlichkeitsrunden“ schon zu viel, allerdings vor allem wegen der von mir vermuteten Oberflächlichkeit. Gefühle überhaupt zulassen zu können, braucht Zeit und durchatmen können.)

Ich weiß nicht, was meine persönliche Schlussfolgerung ist. Vielleicht muss ich mich erst ein wenig weiter mit der Frage beschäftigen, was meine Bedürfnisse genau sind und an welchen Stellen es zumindest wahrscheinlicher ist, dass diese befriedigt werden könnten. Hilft es, mehr Zeit in der Natur zu verbringen? Neue Freundschaften zu suchen, die besser zu mir passen? Mehr Sport? Ich weiß es einfach nicht… und das macht traurig, emotional nackt und ein wenig ratlos.

Ein sehr großartiger Mensch sagte vor einiger Zeit mal zu mir: „Du brauchst Schrauben und gehst dafür zum Bäcker. Das kann niemals funktionieren.“

To be continued…

Solidarisch durch die Krise! Aber wie?

Krisen und Bedrohungen aller Art werden mehr. Pandemie. Nächste Welle Corona. Krieg in der Ukraine. Klimawandel. Damit einhergehende Preissteigerungen, die viele Menschen existenziell bedrohen. Abwehrkämpfe gegen Entwicklungen ins Autoritäre.

Was machen „wir“ als wie auch immer aussehende linke Bewegung damit? Demos organisieren, um Forderungen an den Staat zu stellen? Mehr Selbstorganisierung in Gruppen, Stadtteilläden, mit Küfas etc. gegen die Vereinzelung, die (gesellschaftliche) Kälte und das Ohnmachtsgefühl? Beides? Oder vielleicht ganz was Anderes?

Ich weiß für mich gerade auch nicht so richtig, was sinnvoll wäre. Also habe ich erst einmal parallel bei Twitter und Mastodon einige Fragen gestellt, um zumindest in meiner überschaubaren Bubble herauszufinden, wie da eigentlich die Stimmung ist. Das erfüllt natürlich keine wissenschaftlichen Kriterien zur Datenerhebung, ist nicht repräsentativ, viel zu kleine Stichprobe. Dies. Das. (Jede Unfug-Umfrage läuft natürlich besser mit viel mehr Beteiligung. Seufz.) Und verschafft mir trotzdem einen klitzekleinen Überblick, wie es anderen Menschen mit ähnlicher politischer Ausrichtung aktuell so geht diesbezüglich.

Kurzer Exkurs Social Media: Meine Twitteraccounts haben aktuell 1684 Follower*innen (offener Account), 2432 (geschlossener Account). Bei Mastodon sind es 555 . Das ist insofern interessant, weil die Anzahl von Teilnehmenden bei den Umfragen bei Mastodon trotz viel niedrigerer Anzahl an Follower*innen vergleichbar ist. Die Reaktionen in Form von Kommentaren, Diskussionsbeiträgen sind in der Anzahl etwa gleich.

Die Qualität der Diskussionsbeiträge ist natürlich zunächst mal von einzelnen Menschen abhängig. Grundsätzlich empfinde ich aber oftmals die Kommentare bei Mastodon als ausführlicher/persönlicher/tiefergehender in der Analyse. In diesem konkreten Fall waren die Kommentare bei beiden Plattformen durchweg qualitativ hochwertig, differenziert, ausführlich etc. Einen Unterschied kann ich an der Stelle insofern nicht feststellen.

Ich kann keine belastbare Analyse der politischen Einordnung meiner Follower*innen liefern. Aus dem Gefühl heraus ist Mastodon deutlicher politisch linksradikal. Bei Twitter sind (auf beiden Accounts) durchaus auch noch liberale und Accounts der sogenannten „bürgerlichen Mitte“ zu vermuten. (Auch, wenn ich großzügig blocke.) Zudem hat Twitter vermutet mehr Karteileichen (inaktive Accounts) als Mastodon. (Bei Mastodon kann man inaktive Accounts via Dashboard schnell identifizieren. Gibt es sowas auch für Twitter?)

Umfrageergebnisse: (Wenn nichts dabei steht, waren die Fragestellungen bei Twitter und Mastodon identisch.)

Frage 1:

(Boosts/Mastodon: 10 Retweets/Twitter: 5 Likes/Mastodon: 5 Likes/Twitter: 4)

Angesichts kommender Krisen (Corona-Welle, Preissteigerungen, Klimawandel etc.): Was wäre eure bevorzugte Variante?

  • M 70 % T 45 %     Mehr Selbstorganisation (in Stadtteilen)
  • M 17 % T 33 %     Große, linke Demos
  • M   7 % T   4 %     Was Anderes (Kommentar)
  • M   6 % T 18 %     Ergebnis zeigen
  • M 97     T 136         Anzahl Teilnehmende

Kommentare:

  • Geld wird immer weniger wert und die Preise steigen stetig. Wir müssen Wege finden den Umweg Geld zu umgehen. Dies nutzt in der Inflation und mehr teilen schont auch noch die Umwelt. Also werft nichts weg und fördert die Umsonstökonomie.
  • Eine irgendwann ja vielleicht doch noch mal funktionierende (grüne) Politik/Regierung.
  • Bessere politische Vorgaben durch Land und Bund, letztlich sind das Krisen, die nicht individuell oder durch Bewegungen gelöst werden können, sondern nur durch kluge politische Rahmensetzung.

Frage 2: (Bei Auswahlmöglichkeit 1 musste ich für Twitter aufgrund der restriktiveren Zeichenbegrenzung „Stadtteilläden“ leider weglassen, was zu einem etwas anderen Ergebnis führt. Ein Umsonstladen hat sich deshalb via Twitter statt für Möglichkeit 1 für Möglichkeit 3 mit entsprechend erläuterndem Kommentar entschieden.)

(Boosts/Mastodon: 5 Retweets/Twitter: 1 Likes/Mastodon: 4 Likes/Twitter: 2)

Wie seid ihr aktuell organisiert?

  • M 33 % T 20 %     Selbstorganisation, (Stadtteilläden,) Antifa etc.
  • M   8 % T 11 %     In Parteien
  • M   6 % T   6 %     Anders (Kommentar)
  • M 53 % T 63 %     Nicht organisiert
  • M 79     T 85           Anzahl Teilnehmende

Frage 3: (Erläuterung: ph = physical health, mh = mental health)

(Boosts/Mastodon: 3 Retweets/Twitter: 2 Likes/Mastodon: 3 Likes/Twitter: 2)

An Menschen, die derzeit nicht irgendwo organisiert sind:

Was hindert euch?

  • M 23 % T 32 %     Zu wenig Zeit
  • M 43 % T 42 %     Mastodon: Ich kenne keine Menschen, Orgas, Gruppen. Twitter: Ich weiß nicht, wo.
  • M 32 % T 24 %     Erkrankung (ph, mh)
  • M   2 % T   2 %     Ich sehe keine Notwendigkeit.
  • M 53     T   71         Anzahl Teilnehmende

Kommentare:

  • Angst vor Gruppen und Dynamiken
  • Keine Kraft und keine passenden Strukturen, in denen ich das Gefühl hätte, sinnvoll aktiv zu sein.

Frage 4:

(Boosts/Mastodon: 3 Retweets/Twitter: 2 Likes/Mastodon: 3 Likes/Twitter: 2)

An Menschen, die aktuell nicht organisiert sind:

  • M 65 % T 66 %       Ich würde gerne mehr machen.
  • M 15 % T 12 %       Ich möchte nicht mehr m(achen).
  • M 20 % T 22 %       Ergebnis zeigen.
  • M 61     T 83             Anzahl Teilnehmende

Analyse der Umfrageergebnisse: Aus den in der Einleitung erwähnten vermuteten unterschiedlichen politischen Umfeldern bei Mastodon und Twitter ergeben sich entsprechend zumindest an einzelnen Stellen deutliche Unterschiede in den Ergebnissen. Diese zeigen sich vor allem beim Bedürfnis nach mehr Selbstorganisierung (Frage 1) sowie bei der Art der aktuellen Organisierung (Frage 2).

Potential für Gruppen und zukünftige Aktionen ergibt sich aus dem bei beiden Plattformen recht großen Anteil an Menschen, die Interesse an progressiver, linker Politik haben, die derzeit aber (noch) nicht irgendwo politisch engagiert sind. (Obwohl die absoluten Zahlen sehr klein sind, ist zumindest zu hoffen, dass es außerhalb von Social Media diesbezüglich ähnlich aussieht.) Man darf aber nicht übersehen, dass dies bei „bürgerlicher Mitte“ über liberal hin zu Querdenken und Neonazis ebenfalls zu befürchten ist.

Frage 5:

(Boosts/Mastodon: 2 Retweets/Twitter: 1 Likes/Mastodon: 4 Likes/Twitter: 8)

Ich ergänze noch um eine offene Frage:

Was würde euch helfen, irgendwo einzusteigen in eine Gruppe/Orga? Was braucht ihr dafür?

Kommentare: (in einzelne Punkte aufgesplittet bei längeren Antworten. Teilweise Rechtschreibung (Groß-/Kleinschreibung) angepasst.)

  • Online-Affinität
  • weitgehende inhaltliche Übereinstimmung
  • Umgangsweise ohne Messer im Rücken und Kleinkrieg wie sonst überall.
  • Aktionsformen neu erfinden, statt ritualisiert immer dasselbe abzuspulen.
  • Dinge hinterfragen wird als Inspiration und Chance zur Weiterentwicklung, nicht als Angriff gewertet.
  • Anerkennung der Realität, dass wir als Zivilisation auf dem absteigenden Ast operieren.
  • aber tbh: mehr oder weniger aufgegeben.
  • formell organisiert, habe aber nicht die Kapazitäten, mich auch tatsächlich einzubringen. Eine Partei, mehrere Vereine. Mehr als Beiträge zahlen kommt im allgemeinen nicht rum. Und ob ich das noch dauerhaft bei allen kann, steht aufgrund der explodierenden Preise auf der Kippe.
  • gute Gesundheit
  • Eine geeignete Gruppe oder Orga brauch ich.
  • heterogen
  • kein idiotischer Anspruch an eigene, angebliche Unfehlbarkeit (aka mind. undogmatisch)
  • solidarischer Umgang mit (eigenen) Widersprüchen
  • Ansetzen an Lebensrealitäten
  • (Selbst)Reflektionsfähigkeit
  • Und ein bisschen Spaß wäre auch nicht falsch.
  • In der Wirkung nach außen gerichtet. Selbstbespaßung und „predigen zu den Bekehrten“ gibt mir wenig.
  • Niedrigschwelligkeit bzgl Kindern. Wenn Treffen um 19 Uhr abends stattfinden, bin ich raus. Verrauchte Kneipen als Treffpunkte raus. usw.
  • anarchistisch, antikapitalistisch, antifaschistisch, antirassistisch, undogmatisch, praktisch, lokal.
  • Begriffe ausdifferenzieren: „Antifaschistisch“ heißt zZ für die einen Waffenlieferungen an die Ukraine, für andere gegen die Sanktionen ggü. Russland und für Dritte für einen naiv-depperten Pazifismus einzutreten. Ich glaube, man muss vielfach viel grundlegender debattieren.
  • Hier konkret: Den offensichtlich Betroffenen von überlegener Gewalt beistehen. Und sich dabei vielleicht nicht auf die eigenen Scheuklappen beziehen, sondern auf potenziell Verbündete vor Ort.
  • Gleichgesinnte und Leute wie ich, die in und an dieser Arbeitswelt leiden.
  • Linke wollen (mit Revo) die Welt retten, aber bekommen es nichtmal geschissen, während ner Pandemie laut und sichtbar dafür einzustehen, dass täglich Menschenleben durch simples, konsequentes Masketragen geschützt werden könnten.
  • Umgang mit Konflikten, „bad actors“ (Erläuterung: In der weiteren Diskussion via Twitter kein Konsens diesbezüglich. Rauswerfen vs. Täter*innenarbeit, Fehlerkultur (bis zu welchem Punkt?))
  • Weg von Szenecodes, akademischer Sprache. Menschen zugestehen, da zu lernen.
  • Niedrigschwelliger Einstieg
  • Akzeptieren von Krankheiten mit entsprechenden Einschränkungen
  • gut erreichbar mit ÖPNV

Fazit? (Für Gruppen?)

Trotz nicht ausreichender Zahlen kann man wohl davon ausgehen, dass im linken Spektrum etliche Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen bisher nicht in Gruppen aktiv sind. Diese Gründe sind einerseits sehr persönliche (Gesundheit etc.), aber auch in bisherigen Erfahrungen mit Aktivismus begründet, wenn man sich die doch sehr vielfältigen Kommentare ansieht. Auch Gruppen haben an der Stelle Ansatzpunkte, ihre Zugänglichkeit, ihre Kommunikation, ihre Ausrichtung und den Abbau von Barrieren zu überdenken.

Und nun? (Für Menschen, die sich organisieren wollen)

Wenn ihr in eurer Region was machen wollt, aber nicht so richtig wisst, wo anfangen: Es gibt in vielen Regionen ganz gute Seiten mit Terminen. In Berlin zum Beispiel ist das der Stressfaktor. In Dresden heißt die Seite Terminal. In Hamburg Bewegungsmelder. In München https://www.kalinka-m.org. In Leipzig https://www.planlos-leipzig.org/. Im Ruhrgebiet gibt es Hermine und für Dortmund/Bochum zusätzlich noch Latscher.in.

Mit Behinderungen zu einer Demo gehen?

Menschen mit Behinderungen müssen immer ein paar Dinge mehr jonglieren, um an Veranstaltungen oder Demos teilzunehmen. Darüber schreibe ich hier auch immer mal wieder:

https://birgit-rydlewski.de/2014/11/19/lass-das-doch-lieber-mal-mit-der-demo/

Heute hatte ich mich kurz gefreut, als ich einen Tweet von Fridays for Future Dortmund las, in dem es um Einbindung von Menschen mit Behinderungen in das Demogeschehen ging. Leider bin ich da aber erst einmal einem Verständnisproblem meinerseits erlegen, weil ich davon ausging, dass es auch darum ging, Demos auf der Straße so zu gestalten, dass Menschen mit Behinderungen sich dort gut aufgehoben und mitgedacht fühlen und somit, dass Demos für Menschen mit Behinderungen zugänglicher werden.

In diesem konkreten Fall ging es aber nicht um die Demo auf der Straße, sondern darum, eine Möglichkeit anzubieten, online teilzunehmen mit Schildern und Fotos bei Instagram.

Vielleicht ist die Idee grundsätzlich auch gar nicht so verkehrt, gerade in Zeiten einer globalen Pandemie und bevor man dann halt gar nichts macht, kann man irgendwie online noch partizipieren.

Ketzerisch hat das aber für mich auch ein wenig so einen ähnlichen Gehalt wie Petitionen und vielleicht möchten ja auch Menschen mit Behinderungen nun mal wieder an so einer Demo auf der Straße teilnehmen.

Aus dem Nähkästchen geplaudert habe ich mittlerweile einige Demoerfahrungen gemacht mit eskalierenden Demos, an denen ich teilgenommen habe mit Behinderung. Ein Positivbeispiel (nicht, was das Verhalten der Polizei angeht, aber durchaus von Teilen der Demo) war vor einigen Jahren in Duisburg rund um die Gegendemos gegen Nazis am Wohnblock „In den Peschen“. Ich war gerade frisch gespritzt am kaputten Auge und musste Pfefferspray in jedem Fall aus dem Weg gehen. (Ich ignoriere jetzt mal Kommentare in Richtung: „Warum gehst Du dann auch dahin?“)

Ich habe vor Beginn kommuniziert, dass ich Pfefferspray gerne vermeiden würde. Als die Situation etwas unruhig wurde (tatsächlich kam das mit dem Pfefferspray kurze Zeit später), organisierte eine der Demoorganisatorinnen in sehr kurzer Zeit eine oder zwei Reihen, die sich vor unsere Reihe stellten zu meinem Schutz. Zudem hatte ich eine sehr vertraute Bezugsgruppe, in der auch ein ausgebildeter Sani war. Ich habe mich da also trotz der Eskalation sicher gefühlt die gesamte Zeit.

Wie kann man aber generell Demos so gestalten, dass sich Menschen mit Behinderungen dort wohlfühlen und sich entsprechend auch mehr trauen, bei Demos mitzugehen.

Dafür haben schon einige Menschen via Twitter Input gegeben und vielleicht können wir weiter sammeln, um so etwas wie eine Übersicht/eine Checkliste zu bekommen, die helfen kann, Demos barrierefreier zu gestalten.

Meer – Linien, Wolken, Dramahimmel

Eigentlich sollte ich irgendwas Politisches schreiben. Etwas Bedeutendes. Revolutionäres.

Stattdessen sitze ich nur irgendwie verloren am Meer. Bei teurem Rotwein. Privilegiert. Und versuche, nicht zynisch und verbittert zu werden.

Und das ist halt viel leichter, wenn man sich spontan Meer und teuren Rotwein leisten kann.

Winter in Dortmund

Nur ein paar Bilder…

Phönix-West, ehemaliger Hochofen etc.
Von Phönix-West Blick Richtung Westfalenpark mit Fernsehturm
Phönix-West Hundewiese
Emscher
Westfalenpark mit Florian

Ich versuche auch mit Sehbehinderung ab und an noch Fotos mit dem Smartphone zu machen. Das funktioniert halt mal besser und mal schlechter 😉

Umgang mit Hunden

(Auch oder gerade in der sogenannten linksradikalen Szene)

Ich hatte vor Jess keinen eigenen Hund. Bisher waren es Katzen und eine Weile habe ich Pferde ausgebildet. Grundsätzlich sind aber die lernpsychologischen Grundlagen bei unterschiedlichen Tieren nicht so wesentlich anders, oder?

Bei Pferden habe ich immer ein wenig geguckt, was diese anbieten. Was sie gerne machen. Und dann versucht, in der Richtung zu verstärken, so es denn Verhaltensweisen sind, die sinnvoll/nützlich erscheinen.

Jess zum Beispiel ist sehr mutig, vorausgehend, neugierig. Das ist sehr hilfreich. Man muss sie eher etwas bremsen in ihrem Sturm und Drang. Warten fällt ihr schwer. Geduld. Irgendwo rumsitzen. Ruhe zu lernen, ist trotzdem natürlich sehr wichtig und auch sinnvoll gerade vor dem Hintergrund möglicher Neigung zu Reizüberflutung.

Spannend finde ich, seit ich nun diesen Hund habe, aber vor allem auch das Verhalten von Menschen (fremden und bekannten) im Bezug auf Hunde.

Warum erwarten Menschen von Hunden per se erst einmal absoluten Gehorsam? Sogar Menschen, die ich dem anarchistischen/antiautoritären Spektrum zuordnen würde. Was sind das für autoritäre Denkmuster? Würde man das so auch von Katzen, Schafen, Hühner etc. erwarten?

Viele andere Tiere sind aber nun nicht so im öffentlichen Raum unterwegs wie gerade eine auch zunehmende Anzahl von Hunden. Und natürlich ist auch nachvollziehbar, dass man nicht einfach angesprungen, angesabbert, beknabbert etc. werden möchte von einem fremden Hund. Eine gewisse Rücksichtnahme ist daher von Seiten des Hundes (noch mehr von Seiten der dazugehörenden Menschen) auf jeden Fall angebracht.

Aber das erklärt nicht, dass Menschen sich zum Beispiel hinstellen und von meinem Hund erwarten, „Sitz“ zu machen. Was ist denn da der Sinn überhaupt? Geht es um so Unterordnungszeug? Dominanz? (Die meisten dazu herumgereichten Theorien sind im Übrigen mittlerweile lange widerlegt, halten sich aber sogar in linken Kreisen weiter hartnäckig.)

Ein Bekannter schlug mal Kann- und Muss-Kommandos vor. Finde ich durchaus eine spannende Idee. Muss-Kommandos gibt es bei mir nicht so viele. Eigentlich nur welche, die meine, die Sicherheit des Hundes, eines anderen Tieres oder Menschen betreffen. „Stopp“ zum Beispiel (an Straßen, zum Abbruch eines Jagdversuchs, bergab oder auf Treppen, damit ich nicht falle) oder „Aus“, „Nein“ beim Fressen von etwas Unverdaulichem/Unbekannten oder gar Giftigem. (Und da das noch nicht immer klappt, ist sie halt vorwiegend mit Leine unterwegs.)

An anderen Stellen bitte ich mehr. „Kannst Du mir einen Mülleimer/eine Bank/einen Aufzug finden?“, „Zur Seite“, „rechts“/„links“, „voran“/„hinter“ finde ich auch durchaus hilfreich. Es ist aber für mich meistens nicht lebensbedrohend, wenn das nicht klappt.

In erster Linie sind aber Hunde halt auch Wesen mit Bedürfnissen und ich würde mir wünschen, wenn diese auch dementsprechend zur als solche zur Kenntnis genommen würden. Am Ende ist es also auch dort ein Aushandeln dieser Bedürfnisse zu einem möglichen Konsens, oder? Nicht einmal Hundeerziehung ist unpolitisch.

Auf dem Weg zum Assistenzhund?

(Oder doch nicht?)

Das ist die Hündin, die ich mir seit über einem Jahr mit meinem Mitbewohner teile:

Sie ist ein Ca de Bestiar (ein mallorquinischer Schäferhund). Ob Mix oder reinrassig wissen wir nicht. (Der Vater hat sich vermutlich einfach unerkannt aus dem Staub gemacht.) Sie wurde uns vom Tierschutz vermittelt, da die Familie, die sie von Mallorca mitgebracht hatte, nicht genug Zeit für sie hatte.

Ursprünglich suchte ich einen Hund, welcher Assistenzhund für mich werden sollte. Jess ist dafür aufgrund ihrer Rasse aber wohl nur bedingt geeignet. Der Rasse sagt man Mut und Unabhängigkeit nach und einen starken Schutztrieb. Zumindest fehlt da schlicht der „will to please“, den zum Beispiel Labradöre haben. Sie mag aber rasseuntypisch erst einmal sehr überschwänglich alle fremden Menschen und Hunde. (Auch das kann natürlich recht anstrengend sein.) Als mich irgendwann letztes Jahr drei Typen auf dem Abendspaziergang dumm angequatscht haben, hat sie aber durchaus sehr beeindruckend geknurrt.

Aber wie auch immer sich das entwickelt: Wir waren nun zum ersten Mal ein paar Tage alleine (ohne meinen Mitbewohner) unterwegs und viel hat besser geklappt, als erwartet.

Das erste halbe Jahr war Jess viel krank. Giardien. Mehrfach. Eine Magen-Darm-Empfindlichkeit ist geblieben. Eine Augen-OP war nötig. Ich war oft auch wegen ihres ungestümen Wesens und der nicht unerheblichen Lust, zu jagen, mit den Nerven völlig fertig und hatte auch den Gedanken, den Hund wieder abzugeben. (Wir erinnern uns, als sie mich im Park mit Schleppleine einfach mal umgerissen hat, um Gänse zu jagen und ich laut fluchend und heulend durch den halben Park hinter ihr her musste (kein Tier wurde verletzt).) Ich bin sehr froh, dass mein Mitbewohner und ich uns das alles teilen. Alleine könnte ich das aus unterschiedlichen Gründen einfach nicht.

Auch neigen mallorquinische Schäferhunde wohl mehr als andere Rassen zu Reizüberflutung. Da muss ich allerdings sagen, dass durch Übung schon sehr viel möglich ist zumindest mit diesem Hund. Mittlerweile fährt sie (unter Protest, weil langweilig) U-Bahn/S-Bahn. (Keine Ahnung, ob Tiere und Menschen nicht aber auch generell Reizüberflutung eher nur dulden und nicht per se toll finden und wir uns nur alle irgendwie notgedrungen daran gewöhnt haben.)

Fernzüge hingegen sind richtig entspannt mit ihr. Da schläft sie vorwiegend. (Hamburg und Berlin Hauptbahnhof haben wir nun mittlerweile auch schon zusammen gesehen und überstanden.)

Diese kleine Reise hat uns ganz gut getan. Ich traue mir und dem Hund viel mehr zu. <3

Vielleicht schreibe ich ab und an mal über unsere weitere Entwicklung als Team. Hier geht es zu meinen Überlegungen zum Umgang mit Hunden. (Teaser: Ich hadere da auch mit Menschen aus der „linken“ Szene ob des möglicherweise autoritären Handelns gegenüber Hunden.)

Nachtrag: Mit dem Auszug des Mitbewohners ist auch der „kleine“ Hund weggezogen. Alleine habe ich mir das dann in letzter Konsequenz doch nicht zugetraut. Ihr geht es richtig gut, sie lebt direkt am Wald. (Und ich vermisse sie noch sehr oft.)