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„Antifa in der Krise?!“

Kongress

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Das Podium von gestern ist mir leider entgangen. Hier nun zum heutigen Tag:

(Insgesamt sind es recht viele Eindrücke und Inhalte, so dass es mir schwer fällt, dies kurz zusammenzufassen. Da aber meine geneigten Leser*innen mitunter nicht alle Antifa-Aktivist*innen sind, trotzdem ein paar Betrachtungen auf den heutigen Tag der oben genannten Konferenz.)

Workshop 1:

NSU und Antifa

Erschreckend im Rückblick, dass antifaschistische Gruppen durchaus die Täter*innen und Unterstützer*innen im Blick hatten auch Jahre vor der Enttarnung.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die zentralen Fragen im Prozess zum Beispiel gar nicht geklärt werden?
Was/wer könnte/kann Recherche leisten? Ein Vorschlag war u.a. eine oder mehrere nichtstaatlich organisierte und finanzierte Ganztagsstelle(n), die Rechercheergebnisse zusammentragen, publizieren und weiterführen.

Mehr Kommunikation mit Opfern von rechter Gewalt oder Angehörigen anbieten.

Den NSU nicht als Geschichte betrachten, als abgehakt ansehen, die Vorfälle als von Einzeltäter*innen begangen abtun. Neonazis haben immer noch Waffen. Es gibt eine gute Vernetzung der Szene. Es muss ein Unterstützer*innennetzwerk gegeben haben.

Workshop 2:

Tschechien. Antiziganismus.

Workshop 3:

Proteste gegen Asylsuchendenunterkünfte

Beispiele Hellersdorf, Leipzig, aus dem Publikum Duisburg und Essen und weitere. Schwierig: Alltagsrassimus und Antiziganzismus bei „besorgten Bürger*innen“ weit verbreitet. Dies wird von rechten Gruppierungen/Parteien aufgegriffen, im Wahlkampf verwendet und verstärkt. Dadurch werden auch zahlenmäßig recht große Gruppen mobilisiert.

Problem: schmaler Grat zwischen Paternalisierung und Hilfe zur Selbsthilfe (sprich Empowerment oder Ermutigung von Refugees, ihre politischen Anliegen zu formulieren und ihre Kämpfe selbstorganisiert zu führen)

Abendpodium:

http://kriseundrassismus.noblogs.org/post/2014/03/10/antifa-in-der-krise-3/

„Danke an die „Junge Freiheit“ (Anm. Rechte Zeitung). Jetzt schaut auch der Verfassungsschutz zu. Das ist ja irgendwie auch beruhigend.“

Welche Rolle kann „die Antifa“ spielen in einer Welt in einer Krise?

Themenblock 1:

Die rechtspopulistische Partei AfD stellt die Antifa vor neue Herausforderungen. Die AfD verschiebt den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts. Klassische Strategien funktionieren da nicht, weil die AfD vermeidet mit bekannten Rechtsradikalen zusammenzuarbeiten. Es ist nichtsdestotrotz eine nationalistische Partei. Man muss an der Stelle also inhaltlich angreifen. Widersprüche aufzeigen (auch zwischen Wähler*innenklientel und Leistungschauvinismus im Programm). Die Gefahr besteht, dass die von der AfD vertretenen Positionen in einer von Alltagsfremdenfeindlichkeit durchzogenen Gesellschaft auf fruchtbaren Boden fällt.

Themenblock 2:

Zunehmende Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte, nicht immer gewalttätig, aber häufig, zeigen Probleme des Versuchs der Abgrenzung vieler Bürger*innen gegen Flüchtlinge etc. und eine Verbrüderung eines bürgerlichen Mobs mit Neonazis. Willkommenskultur kann hier frühzeitig helfen, allerdings wird auch hier der Kritikpunkt genannt, dass leider vielfach Asylsuchende selber gar nicht gefragt werden. Ebenso müssen lokale Strukturen eingebunden werden.

Politisch: Überfälle werden als unpolitisch abgetan. Aktivist*innen/Opfer von rechter Gewalt werden zu häufig als Täter*innen angenommen. Es wirkt, als hätte man aus dem NSU nicht gelernt bzw. sind strukturelle Probleme einfach tatsächlich nicht behoben worden. Ermittlungsbehörden sind weiterhin so tätig wie vor dem Bekanntwerden des NSU. Der Verfassungsschutz zieht im
Grunde Vorteile daraus. Heimleiter*innen wollen trotz Übergriffen Normalität zeigen. Hier überall muss der Finger in die Wunden gelegt werden.

„Selbst wenn Rassismus in einer Gesellschaft Normalität ist, ist das nicht unsere Normalität.“

Themenblock 3:

Nachwuchsproblem bei der Antifa? Zu wenig Menschen für zu viel, was man leisten möchte? Warum wächst die Antifa nicht? (Kurze Antwort: „weil es anstrengend ist“)

Was gut funktioniert: Große Bündnisse (Blockaden in Dresden als Beispiel), Blockaden sinnvoll aus einer defensiven Position heraus?) grundsätzlich Diskussion über zivilen Ungehorsam in einer größeren Gruppe von Zivilgesellschaft. Was ist legal? Was ist legitim?

Themenblock 4:

Institutionelles Versagen bei den NSU-Taten. Systemisches Versagen. Auch Antifagruppen haben ihre durchaus Erkenntnisse zu wenig vernetzt. Zu viele Aufgaben, zu wenig Zeit/Menschen. Beispiel: Zu wenig Begleitung des NSU-Prozesses. Arbeitsteilung muss verbessert werden.

Antifarecherchen werden durchaus verwendet, trotzdem wird die Expertise nicht anerkannt. Gesellschaftspolitische Analysen werden komplett ignoriert.

Fragestellungen/allgemeine Ansätze:

Strukturen und Alltagsrassismus als Thema stärker in den Fokus nehmen. Mit Opfern reden.
Wie kann sich Antifa Gehör verschaffen? Mehr selber Akzente setzen, nicht nur reagieren. Willkommenskultur schaffen/verbessern. Mit anderen Gruppen vernetzen? Antifa/Antira-Arbeit besser vernetzen. Wie wird man mehr gesellschaftliche Linke? Sich selbst als politischen Akteur ernster nehmen. Strategischer handeln. Arbeitsprozesse verbessern. Trotz fehlender Bundesorganisation Vernetzung/Austausch autonomer Gruppen verbessern. Erweitern auf soziale Themen.

Was mich bis dahin beim Kongress bewegt (Zwischenfazit):

Positiv:

Grundsätzlich sinnvolle Veranstaltung, seit Jahren größerer Kongress dieser Art in Deutschland. Viele engagierte Menschen, nach meiner Auffassung recht gut besucht (Workshopräume sehr voll), fachlich in den meisten Fällen sehr hochwertig, interessante Vorträge, gute Einbindung des Publikums, oftmals sehr gute Moderation, wie immer bei Kongressen zu viele spannende Sachen gleichzeitig

Negativ:

Teilweise „Mackerkultur“ (mehrfach irgendwie unnötig angerempelt worden, so rücksichtsloses Verhalten nervt mich schnell), überhaupt reden auch mehr (weiße, studierte) Männer als Frauen (der Frauenanteil ist sicherlich nicht bei 50 Prozent), aber zumindest wird über quotierte Redelisten nachgedacht und gesprochen, Essen recht teuer und kaum vegan.

Ein Kritikpunkt mal extra: Mir fällt wiederum auf, dass wir bei diversen Workshops und Themen über Betroffene (Asylsuchende, Roma, von Rassismus betroffene Menschen etc.) sprechen, aber im Grunde keine Betroffenen selber zu Wort kommen oder selber Workshops/Vorträge anbieten. Generell sollte antifaschistische Politik mehr mit Betroffenen zusammen gemacht werden. Ich finde, daran könnten wir in der antifaschistischen Szene arbeiten.

„Wenn wir uns erst mal einig sind…“

(Ton Steine Scherben – Allein machen sie dich ein.)

Oder: Die Vernetzung „der linken Szene“

Ich will das jetzt gar nicht so ideologisch angehen. Es gibt viele dem linken Spektrum zugehörige Gruppen von Menschen, bei denen ich im besten Fall davon ausgehe, dass sie zumindest einen groben Grundkonsens haben bezüglich einer Vielfalt von Themen. Gegen Rassismus. Gegen Faschismus. Gegen Sexismus. Gegen Kapitalismus. Keine Diskussion. (Mist. Da geht es schon los…)

Ein Freund von mir war eine Weile in der Türkei. Wir diskutieren ab und an über seine Erfahrungen dort. Auch dort gibt es Gruppierungen, die sich nicht in allen Punkten einig sind, aber der Grundkonsens in den „wichtigen“ Fragen scheint eher gegeben als bei uns in Deutschland.

Warum ist das so? Sind unsere Probleme „zu gering“?
Haben wir uns zu gut eingerichtet in „unserem System“? In unserer Peergroup?
Ich persönlich stoße mich zum Beispiel oft an elitären Strukturen oder elitärer Sprache (und laufe selber auch in die Falle und schließe dann Menschen aus).
(Ich war letztens bei einem „Bewerbungsgespräch“ bei einer anarchistischen Gruppe. Das fand ich zwar aufgrund meines Jobs irgendwie nachvollziehbar, aber im Kern auch etwas absurd 😉 )

Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass man alle „Volksfronten von Judäa“ mit den „Judäischen Volksfronten“ vereinigen kann. Ich verstehe, dass es Bereiche gibt, in denen man keine Kompromisse machen will. Trotzdem könnten wir mal diskutieren, ob „wir“ sowas wie einen Grundkonsens finden, der „uns“ größer, stärker, vernetzter machen könnte…

Weil die Probleme im Land und auch weiter betrachtet, global, so groß sind und werden, dass wir uns die ganze Spaltung vielleicht auch gar nicht mehr erlauben können…

Ich habe für mich persönlich die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen aus der linken, antifaschistischen, feministischen Szene Inspiration sind für mich. Rückhalt. Ansporn. Freunde. Und dabei haben gerade auch kontrovers, aber respektvoll geführte Diskurse mich oft weitergebracht. Manchmal auch radikaler gemacht…

Ich glaube daran, dass es Werte gibt, die uns einen.
(Und mit mehr Pathos:
„Obwohl wir uns nie ganz einig sind, gibt es nichts, was uns auseinander bringt…“
ZSK – Der richtige Weg)

Vielleicht mal bei einem Getränk diskutieren?

(Die Diskussion entstand via Twitter mit einigen Menschen. Unter Anderem mit www.twitter.com/amzdo und www.twitter.com/telegehirn
www.twitter.com/schwarzerhundbo Wir haben überlegt, ob man daraus nicht ein Treffen/eine Veranstaltung (im Ruhrgebiet) machen könnte.)

(Interesse? Rahmen, Größe, Ortsvorschläge?)
Spontan hatte ich ans AZ Mülheim gedacht…