Archiv der Kategorie: Allgemein

Aus der Reihe: Gespräche from Hell

Heute: Polizei und Staatsanwaltschaft Duisburg

Am 24.8. habe ich auf dieser Seite einen Augenzeugenbericht veröffentlicht, der mir im Vertrauen und in meiner Eigenschaft als Mitglied des Landtages NRW zugestellt wurde.

Vor ca. 10 Tagen meldete sich ein Polizist der Kripo Duisburg auf meinem Handy, weil er gerne den Namen des Zeugen haben möchte. So weit, so gut.

Heute bin ich dann (in Begleitung meines Mit-MdL Torsten Sommer) zur Polizei Duisburg gefahren. Meine naive Idee war ja, wir reden dann einfach mal locker. (Zumal ich bezüglich des Verhaltens der Polizei dort auch mal ein paar (unangenehme) Fragen hätte. Zum Beispiel bezüglich der Gerüchte, die Polizei würde nicht zum Haus „In den Peschen“ fahren, wenn Menschen mit gebrochenem Deutsch anrufen. Oder bezüglich der Gerüchte, es hätte beim Eindringen in das Haus rassistische Äußerungen gegen Bewohner*innen gegeben.)

Es kam dann aber gar nicht so richtig zu einem Gespräch.

Erwartet wurden wir von dem Polizeibeamten aus dem Telefonat (Herrn S.) und dem mir nicht angekündigten und bis dahin unbekannten Staatsanwalt (Herrn M.).

Wir stellten uns kurz vor, da fragte Herr M., wer denn mein Begleiter sei. Ich stellte ihn als Kollegen aus dem Landtag vor. Herr M. stellte fest, dass eine Begleitung nur als Rechtsvertretung vorgesehen sei, sonst nicht und forderte meinen Kollegen auf, den Raum zu verlassen. (Auf eine Bemerkung von Torsten Sommer kam die Entgegnung vom Herrn Staatsanwalt an Torsten: „Mit ihnen rede ich gar nicht.“) Wir stellten dann klar, dass wir dann auch umgehend wieder gehen.

Der Staatsanwalt erläuterte weiterhin, dass er mir dann eine Vorladung zukommen lassen würde und ich dann verpflichtet sei, zu kommen und auszusagen.

Dem Polizisten nehme ich ab, dass er wirklich keine Eskalation gewollt hat. Er wollte „den Drive“ aus dem Gespräch nehmen und seine Ermittlungsgrundlage durch einen zusätzlichen Zeugen stärken. Den „Drive“ hat aber vor allem der Herr Staatsanwalt in das Gespräch gebracht. Das kann die Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens tun. Nur die Mittel dazu sind unverhältnismäßig.

Hier wollen also Menschen Machtspiele spielen. Vor allem der Herr Staatsanwalt. Kraft seines Amtes. Man stellt sich zu zweit gegen einen. Und der Hinweis auf einen Rechtsbeistand ist eher niedlich. Erstens war ein Gespräch mit dem einzelnen Beamten angeregt. Eins zu eins. Zweitens kostet ein Rechtsbeistand immer Geld. Über das verfügt leider nicht jeder Mensch. Schon gar nicht für ein einfaches Gespräch bei der Polizei.

Ich muss gestehen. Ich bin entsetzt. So richtig. Ich stelle mir jetzt einen Menschen ohne Landtagsmandat vor, der in diese Situation gerät und nicht in der Lage ist, entsprechend zu kontern. Unfassbarer Tonfall. Drohgebärden. Mal ganz unabhängig von rechtlicher Beurteilung des Falls: Dieser Umgang ist systemimmanent. Wird ständig so gemacht.
Und. Geht. Gar Nicht!

Rechtlich schließt sich die Frage an, inwiefern ich nun zu einer Aussage gezwungen werden kann. Hier käme eventuell dies in Frage:

§ 53 I Nr. 4 StPO: „Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst.“

Also. Bring it on….

Über Identifikation, Norm und Verantwortung (und Anzüge)

„We are not afraid. We do not obey.“ ZSK – We will stop you

Gestern, noch so im Halbschlaf wagte ich einen provokativen Tweet:

„Männer in Anzügen sind mir zumeist suspekt. Symbol des kapitalistischen Systems. Fassade.“

Manchmal ist diese Twitter-Welt spannend. Ein Tweet und ihr habt den ganzen Sonntag diskutiert. Gern geschehen.

Es waren übrigens auch ganz viele spannende Ansätze dabei.

Im Grunde geht es um Normen. Mir ist suspekt, was eine Gesellschaft als „normal“ oder „richtig“ definiert. Die Anzugträger sind also nur ein mögliches Beispiel. Jemand mit blauen Haaren und tätowierten Armen wird wohl auch nicht als „Norm“ angesehen, wenn er einen Anzug trägt.

Problematisch wird es, wenn Normen Eintritts- oder Ausschlusskriterium sind. Weil jemand bestimmte Kleidung tragen „muss“, um anerkannt zu werden. Wenn sie/er sich das nicht leisten kann. Dem „Anzugzwang“ kann sich dann jemand in bestimmten Branchen erst entziehen, wenn sie/er relativ hoch gekommen ist in der Karriereleiter.
Bricht jemand dann noch die Regeln oder profitiert jemand dann von den Normen, so dass sie/er das Durchsetzen der Regeln eher fortführt gegen andere Menschen?

Wichtige Fragen, die sonst noch via Twitter diskutiert wurden:
Ist das Tragen bestimmter Kleidung auch Unterwerfungsgeste?
Ist eine „Uniform“ eine Möglichkeit, sich individueller Verantwortung zu entziehen?

Wenn ich einen bestimmten Dresscode für mich annehme, werde ich zudem in der Öffentlichkeit bei einer zufälligen Begegnung mit Menschen, die mich nicht kennen, einer bestimmten Gruppierung zugeordnet.

Problematisch wird es m.E. (und das übrigens auch bei Piraten), wenn irgendwelche Normen (manchmal nicht einmal ausformulierte) mit zum Teil erschreckender Brutalität durchgesetzt werden sollen. Ich bin nicht sicher, ob es bei Parteien oder Gruppierungen dabei manchmal auch um sowas wie Überidentifikation geht (gerade jetzt so kurz vor den Wahlen scheint das schlimmer). Mir machen aber auch Fahnenmeere auf Demos Angst. Sowas ist mir auch suspekt.

Das mit dem Kapitalismus und dem Patriarchat lasse ich an der Stelle jetzt mal weg, aber auch da gibt es Mechanismen, um Normen durchzusetzen und Macht zu erhalten. Und manchmal hat das auch mit Kleidung zu tun….

So. Weitermachen!

(Danke an Prof. Dr. Melanie Groß (www.twitter.com/melanie_gross), die großartige Vorträge hält, zum Beispiel über „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ etc., deren Aussagen mich bei diesem Text auch beeinflusst haben.)

„Wenn wir uns erst mal einig sind…“

(Ton Steine Scherben – Allein machen sie dich ein.)

Oder: Die Vernetzung „der linken Szene“

Ich will das jetzt gar nicht so ideologisch angehen. Es gibt viele dem linken Spektrum zugehörige Gruppen von Menschen, bei denen ich im besten Fall davon ausgehe, dass sie zumindest einen groben Grundkonsens haben bezüglich einer Vielfalt von Themen. Gegen Rassismus. Gegen Faschismus. Gegen Sexismus. Gegen Kapitalismus. Keine Diskussion. (Mist. Da geht es schon los…)

Ein Freund von mir war eine Weile in der Türkei. Wir diskutieren ab und an über seine Erfahrungen dort. Auch dort gibt es Gruppierungen, die sich nicht in allen Punkten einig sind, aber der Grundkonsens in den „wichtigen“ Fragen scheint eher gegeben als bei uns in Deutschland.

Warum ist das so? Sind unsere Probleme „zu gering“?
Haben wir uns zu gut eingerichtet in „unserem System“? In unserer Peergroup?
Ich persönlich stoße mich zum Beispiel oft an elitären Strukturen oder elitärer Sprache (und laufe selber auch in die Falle und schließe dann Menschen aus).
(Ich war letztens bei einem „Bewerbungsgespräch“ bei einer anarchistischen Gruppe. Das fand ich zwar aufgrund meines Jobs irgendwie nachvollziehbar, aber im Kern auch etwas absurd 😉 )

Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass man alle „Volksfronten von Judäa“ mit den „Judäischen Volksfronten“ vereinigen kann. Ich verstehe, dass es Bereiche gibt, in denen man keine Kompromisse machen will. Trotzdem könnten wir mal diskutieren, ob „wir“ sowas wie einen Grundkonsens finden, der „uns“ größer, stärker, vernetzter machen könnte…

Weil die Probleme im Land und auch weiter betrachtet, global, so groß sind und werden, dass wir uns die ganze Spaltung vielleicht auch gar nicht mehr erlauben können…

Ich habe für mich persönlich die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen aus der linken, antifaschistischen, feministischen Szene Inspiration sind für mich. Rückhalt. Ansporn. Freunde. Und dabei haben gerade auch kontrovers, aber respektvoll geführte Diskurse mich oft weitergebracht. Manchmal auch radikaler gemacht…

Ich glaube daran, dass es Werte gibt, die uns einen.
(Und mit mehr Pathos:
„Obwohl wir uns nie ganz einig sind, gibt es nichts, was uns auseinander bringt…“
ZSK – Der richtige Weg)

Vielleicht mal bei einem Getränk diskutieren?

(Die Diskussion entstand via Twitter mit einigen Menschen. Unter Anderem mit www.twitter.com/amzdo und www.twitter.com/telegehirn
www.twitter.com/schwarzerhundbo Wir haben überlegt, ob man daraus nicht ein Treffen/eine Veranstaltung (im Ruhrgebiet) machen könnte.)

(Interesse? Rahmen, Größe, Ortsvorschläge?)
Spontan hatte ich ans AZ Mülheim gedacht…

siamo tutti antifascisti?

Ich habe heute Folgendes getwittert:

„Es wird nicht besser, solange die „bürgerliche Mitte“ Nazis zwar doof findet, aber gleichzeitig gegen Linke/Antifa hetzt.“

Es ärgert mich. Schon lange. Wo immer es um rassistische Äußerungen oder Taten geht. Wo immer Nazis marschieren. Es findet sich immer ein Presseartikel, in dem dann behauptet wird, da gäbe es auch „gewaltbereite Linksautonome“ (aktuell gerne auch bezeichnet als „Krawalltouristen“.)

Dortmunds Oberbürgermeister U. Sierau zum Beispiel verhinderte letztes Jahr das Antifacamp, um dann auch gleich noch einen schier unsäglichen Satz mitzuliefern, in dem er sagte, „Wir können auch Mitgliedern aus dem Alerta!-Bündnis helfen, aus der Szene auszusteigen“. Weiterhin wird dann von ihm im Vorfeld der gestrigen Demo zwar erklärt, dass er Sitzblockaden für legitim hält, gleichzeitig werden diese aber verfolgt. Wie passt das zusammen?

Antifaschistische Aktionen werden gerne in einen Topf geworfen mit rechten Gewalttaten. Nicht vereinzelt, sondern systematisch. Auf so einem Boden konnten NSU-Morde über Jahre unerkannt bleiben.

In einem Bündnis gegen Nazis in Dortmund soll darüber diskutiert worden sein, wie man „die Antifa“ von der Demo am 31.8. fernhalten könne. Ja, geht es denn noch?

Punkt 1: Es gibt nicht „die Antifa“.

Punkt 2: Antifaschistisch organisierte Menschen setzen sich friedlich ein gegen Rassismus, Antiromaismus und gegen Propaganda und Übergriffe durch Nazis.
Das beinhaltet auch mal eine Blockade von Nazidemos. Ich halte es für sinnvoll und sogar für notwenig. Und dabei auch die Variante, die nicht nur „Blockade für hübsches Pressefoto“ beinhaltet, sondern die Variante, bei der man damit rechnen muss, von der Polizei auch unsanft entfernt zu werden und zusätzlich zum Platzverweis eine Anzeige zu kassieren. Widerstand gegen Polizei ist da schnell mal konstruiert. Sich trotzdem den Nazis in den Weg zu stellen oder zu setzen, ist vor allem mutig.

Punkt 3: Gefühlt sind Repressalien gegen linke Versammlungen allgegenwärtig. Wegen Vermummung zum Beispiel. Gefühlt ist da ein Ungleichgewicht zu rechten Demos, bei denen auch viele vermummt herumlaufen, aber nicht in gleichem Maße Vermummte herausgezogen werden. Ich kann Menschen sehr gut verstehen, die verhindern wollen, dass rechte Fotografen ihre Gesichter auf ihren Seiten veröffentlichen und dort zu Gewalt gegen linke Aktivist*innen aufrufen. Das dient also nicht zum Schutz vor Strafverfolgung, wie gerne behauptet, sondern schlicht zum Schutz des eigenen Lebens oder der Familie etc.

Punkt 4: Weiterhin muss die Rolle des Verfassungsschutzes kritisch hinterfragt werden, der permanent auf der Ansicht beharrt, es gehe gar nicht vordergründig um den Kampf gegen Rechtsextremismus, sondern gegen die „freiheitlich demokratische Grundordnung“. Da (auch mit dem Hintergrund der NSU-Morde) nicht ein systemisches Problem zu erkennen, halte ich für naiv.

Punkt 5: Ich habe oft den Eindruck, dass gebetsmühlenartig Dinge über die „linke Szene“ verbreitet werden von Menschen, die nie auch nur einen Hauch damit zu tun hatten. Nahezu alle Erfahrungen, die ich mit antifaschistischen Bündnissen gemacht habe (viele Menschen davon sind Freund*innen geworden) waren und sind geprägt von respektvollem Umgang miteinander und von demokratischen Strukturen. Da muss ich nicht, wie an anderen Stellen der Gesellschaft, darüber diskutieren, wie man mit diskriminierender Sprache umgeht, weil es selbstverständlich ist, dass man das vermeiden kann. Da muss ich nicht darüber diskutieren, dass Sexismus scheiße ist. Da muss ich mich nicht rechtfertigen dafür, dass ich kein Fleisch esse. Da bekomme ich keine dummen Sprüche für antidiskriminierendes Engagement.

Konkret: Glaubt wirklich irgendwer, dass Antifaschist*innen nichts Besseres in ihrer Freizeit machen könnten, als überall in Deutschland nachts vor Häusern zu sitzen, weil sie Sorge haben, es könne nochmal etwas geben wie in Rostock damals? Die Stimmung in Deutschland ist derzeit wieder so, dass rassistische, ausländerfeindliche Äußerungen viel zu sehr toleriert und unter dem Deckmantel der „besorgten Bürger*innen“ kleingeredet werden. Gerne getarnt als Meinungsfreiheit und mit Sätzen wie „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen…“ oder „Ich bin ja nicht ausländerfeindlich, aber…“

Fazit: Es wäre ein Anfang, wenn Menschen vermehrt stutzig würden, wenn in Medien und von Politiker*innen „rechts“ und „links“ in einem Atemzug genannt werden.

Und dann sollten sich immer mehr Menschen selber als Antifaschist*in begreifen….

Nazidemo, Dortmund, 31.8.

Wie ihr wisst, laufen die Nazis am Samstag durch Dortmund.

Die Marschroute führt durch die östliche Innenstadt (Gerichtsstraße, Hamburger Straße, Von der Goltz-Straße, Im Defdahl, Deggingstraße, Karl-Marx-Straße, Feldstraße, Heiliger Weg, Ernst-Mehlich-Straße) und endet wohl im Stadewäldchen. Direkt gegenüber (Märkische Straße 64) befindet sich die Geschäftsstelle der Piraten in Dortmund.

Da die Piratenfraktion am Samstag um 14 Uhr dort eine Fraktionssitzung abhalten möchte, laden wir alle am Protest gegen diese Provokation interessierten Demokrat*innen und Antifaschist*innen ab 10 Uhr zum Brunch in unsere Geschäftsstelle. Für das leibliche Wohl und spannende Unterhaltung ist gesorgt. (Ihr dürft gerne noch vegane und andere Speisen mitbringen.) Wir bitten um frühzeitiges Erscheinen, da der Zugang zum Büro aufgrund möglicher Polizeisperren nicht durchgängig gewährleistet werden kann.

(Hinweis: Die Toilette im Büro ist leider nicht barrierefrei, sondern kann nur über eine Treppe erreicht werden.)

In den Peschen, Duisburg, Augenzeugenbericht vom 23.8.

Ein Freund von mir war in der Nacht vom 23. auf den 24.8. vor Ort in Duisburg. Hier sein Bericht:

„Nachdem die WAZ bzw. derwesten.de einen von vorne bis hinten erfundenen Polizeibericht veröffentlicht hat, möchte ich doch mal die letzte Nacht aus meiner Sicht wiedergeben:
Ich beteilige mich erst seit Donnerstag an den Nachtwachen, war am Freitag also das zweite Mal dabei. Ich habe mich auf eine ruhige Nacht eingestellt. Ich habe Decken, Getränke, Süßigkeiten einen Feuerlöscher und Spiele eingepackt. Als ich um 19:30 am Gebäude „In dem Peschen 3-5“ ankam, war die Stimmung jedoch deutlich angespannter als in der Nacht davor. Es fand in der Nähe gerade eine Versammlung des Vereins „Bürger für Bürger“ statt und es wurde befürchtet dass es im Anschluss zu Übergriffen gegen das Haus kommen könnte. Twitternachrichten aus der Versammlung wie „90% der Leute pöbeln rum, rassistische Aussagen ohne Ende.“ und „Der deutsche Mob tobt.“ untermauern diese Befürchtung. Es treffen immer mehr Menschen ein, die helfen wollen, das Gebäude und die Bewohner vor Übergriffen zu schützen. Darunter auch zwei junge Männer, die im späteren Verlauf noch verhaftet werden. Es gehen Gerüchte um, dass Nazis bereits in den umliegenden Straßen gesichtet wurden und es auch schon zu einem Übergriff gekommen sein soll.

Gegen 21 Uhr kommt eine Gruppe von der Bürgerversammlung zurück und berichtet von der Stimmung dort. Sie wirken verängstigt. Sie berichten, dass ihnen das Wort verboten wurde, Menschen körperlich von Wortmeldungen zurückgehalten wurden. ProNRW-Personen, Menschen die eindeutig der Division Duisburg zuzuordnen waren und offensichtliche Neonazis sollen anwesend gewesen sein. Die Menschen haben die Sitzung verlassen und wurden bis zum Auto verfolgt.

Um vorm Gebäude für Ruhe zu sorgen und um in einem Plenum zu besprechen wie weiter vorgegangen wird, wird beschlossen, dass nur ein paar Leute am Gebäude bleiben, um notfalls die Polizei zu rufen und der Rest der Helfer sich zu dem ca. 200m entfernten Gebäude des alten Mädchengymnasiums begibt, um dort in Ruhe ein Plenum abzuhalten.

Zurück am Gebäude „In dem Peschen 3-5“ bleiben die beiden Personen, die später verhaftet werden.

Vor dem alten Mädchengymnasium werden wir von einer kleinen Gruppe angesprochen, die uns entgegen kommen. Die Menschen sind sehr aufgeregt und berichten von einer gerade eben stattgefundenen Auseinandersetzung in der Nähe. Der genaue Ort der Auseinandersetzung erschließt sich mir aus den Berichten nicht. Es wurde wohl eine Gruppe, die von den Berichtenden dem Antifa-Umfeld zugeordnet wurden, von „bürgerlichen“ Menschen angepöbelt. Es kam zu Handgreiflichkeiten incl. Pfefferspray. Wer was gegen wen wie einsetzte erschloss sich mir aus den Berichten nicht.
Es kann jedoch als sicher erachtet werden, dass die beiden Menschen, die später verhaftet wurden, sich zu dem Zeitpunkt der Auseinandersetzung vor dem Gebäude „In den Peschen 3“ befanden, um es zu bewachen.

Im Plenum wird nun das weitere Vorgehen für die Nacht besprochen. Um 22:10 geht eine kleine Gruppe vom Plenum zum Gebäude „In den Peschen 3“, da mit den Bewohnern vereinbart war, dass um 22 Uhr ein Plenum mit Ihnen stattfindet, um die kommende Nacht zu besprechen.
Um 22:15 fährt ein großes Aufgebot der Polizei an uns vorbei zum Gebäude „In den Peschen 3“. Wir warten weiter am Mädchengymnasium. Berichte erreichen uns telefonisch, dass wahllos Wohnungen gestürmt, Kinder aus den Betten gerissen, Pfefferspray eingesetzt wird. Eine hochschwangere Frau muss mit dem Notarzt zum Krankenhaus gebracht werden. Ein Kind soll sich gewehrt haben und verhaftet worden sein. Der Vater, der dem Kind helfen wollte, wurde ebenfalls verhaftet. Die Bewohner sollen von der Polizei in rassistischer und sexistischer Weise bedroht und beleidigt worden sein.

Es werden direkt zu Beginn auf dem Gehweg die beiden Menschen verhaftet, die als Wache zurückgeblieben waren. Laut dem WAZ-Bericht wird ihnen vorgeworfen, Menschen, die aus der Bürgerversammlung kamen, angegriffen zu haben. Weiterhin behauptet die Polizei der WAZ gegenüber, dass die Personen ins Gebäude geflohen wären und deswegen die Polizei die Razzia durchgeführt habe. Fakt ist jedoch, dass die beiden Personen seit Stunden an der Ecke des Gebäudes standen, nicht mal in der Nähe des Eingangs und an dieser Ecke auch direkt verhaftet wurden.

Gegen 0 Uhr ist die Polizei wieder vollständig vom Gebäude „In den Peschen 3“ abgezogen. Eine Streife wurde zum Schutz nicht abgestellt. Nachdem einige Menschen, die schon länger die Nachtwache mitmachen, mit den Bewohnern gesprochen haben, wurde die Nachtwache eingeteilt. Ich bin tief beeindruckt von der Herzlichkeit, mit der die Bewohner uns direkt mit Tee empfingen. Die Bewohner waren sichtlich dankbar über unsere Anwesenheit.

Der Rest der Nacht blieb abgesehen von einem Flaschenwurf aus einem fahrenden Auto und besoffenen Pöbeleien eines Anwohners relativ ruhig. Die Polizeistreifen fuhren ca. alle halbe Stunde um das Gebäude. Gegen 3 Uhr wurde die Gruppe am Hofeingang von der Polizei angesprochen, weil es wohl Anzeigen gab, dass ein Rollerfahrer vom Gebäude aus mit einer Flasche beworfen wurde sowie dass Menschen, die aus einem Taxi stiegen bedroht und verfolgt wurden. Die Polizei räumte jedoch selbst ein, dass sich beide Vorfälle zu Zeiten ereignet haben sollen, zu denen die Polizei gerade selbst mit einem Streifenwagen vor Ort war.

Alles in allem hat mir der heutige Abend gezeigt, dass die Polizei in den Bewohnern des Gebäudes „In den Peschen 3“ nicht Opfer, sondern Täter sieht. Es geht nicht darum, Übergriffe auf das Gebäude zu verhindern, sondern die Bewohner zu diskriminieren und zu kriminalisieren. An einen Schutz des Gebäudes durch die Polizei ist damit auch mittelfristig nicht zu glauben.
Ehrlich gesagt glaube ich nicht mehr daran, dass es langfristig möglich sein wird, einen Anschlag auf das Gebäude zu verhindern.“

In den Peschen, Duisburg

Über die Häuser „In den Peschen 3-5“ in Duisburg ist tatsächlich schon viel geschrieben worden. Ich greife das Thema trotzdem auf, weil ich nicht sicher bin, wie weit sich meine geneigten Leser*innen damit schon beschäftigt haben.

Die von einem Mann aus dem Rotlichtbereich vermieteten Wohnungen würden normalerweise Platz bieten für ca. 300 Menschen. Es gibt Schätzungen, dass derzeit aber über 1000 Menschen dort unter sehr schwierigen Bedingungen leben müssen.

Proteste von Anwohner*innen hat es schon sehr lange gegeben, die erschreckend schnell zu unreflektierter rassistischer Hetze wird. (Wer gute Nerven hat, möge die derzeit noch offene Facebookgruppe aufsuchen. Dort findet sich neben dem üblichen „Meinungsfreiheits“-Gerede und „Das wird man doch noch sagen dürfen“ auch die Bezeichnung „Gutmenschen“ für diejenigen, die derzeit dort zum Schutz der Bewohner*innen Nachtwachen organisieren. Die rassistische „Mitte der Gesellschaft“ schreibt dort durchaus unverhohlen unter richtigem, komplettem Namen.) Gegen die offenen Aufrufe zum Angriff wird zwar ermittelt, jedoch zeigt sich dort, dass es „ganz normale“ Menschen sind, die dies ganz offen unterstützen. Alltagsrassismus eben.

Ja. Es gibt Kriminalität in den Häusern vor Ort. Das führt aber gerade auch unter vielen Bewohner*innen zu Streit. Viele Familien wollen eben nicht in die Kriminalität abrutschen. Sie wollen, dass ihre Kinder zur Schule gehen. Sie wollen eine faire Chance. Dort bekommen sie keine. Es werden also dringend Wohnungen gesucht. (Die rechtliche Situation, was Arbeit angeht und Kindergeld etc. ist zudem nicht wirklich unterstützend. Im Grunde sind diese Menschen hier nur so gerade geduldet. Willkommen ist echt etwas anderes.)

Ich verlinke nur einen Artikel: http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/duisburger-organisieren-nach-hetze-gegen-auslaender-nachtwache-id8338177.html

Die Presse trägt leider seit Monaten zur ohnehin aufgeheizten Stimmung bei, denn Titel wie „Roma-Haus“ fördern den Alltagsrassimus in der Gesellschaft. Der obige Artikel fasst aber die aktuelle Situation zumindest einigermaßen treffend zusammen.

Ich war gestern auch für einige Stunden bei der Nachtwache. Ich bin sehr beeindruckt zum Beispiel von Annegret Keller-Steegmann. Die Lehrerin organisiert viel vor Ort. Kulturprogramm für die Kinder (zum Teil gegen die bürokratischen Hürden der Stadt). Sie kennt viele Bewohner*innen. Als wir dort ankommen, erzählt sie uns von den Zuständen im Haus und führt uns durch das Gelände. Im Hof stehen drei Müllcontainer. Das ist natürlich viel zu wenig für die vielen Bewohner*innen. Deshalb ist der Müll darum herum verteilt. Die vielen Ratten verteilen den Müll weiter. Und werden mehr. Überall laufen sie herum. Ein wahrlich hoffnungsloser Ort.

Aber da ist auch noch die andere Seite: Die vielen freundlichen Menschen. Die Bewohner*innen, die uns in ihren Wohnungen zur Toilette gehen lassen. Die kaum selbst etwas haben, uns aber Kaffee und Kaltgetränke bringen. Ich spreche kaum Französisch oder Spanisch, aber trotzdem verständigen wir uns irgendwie. Und von deren Gastfreundlichkeit und Liebenswürdigkeit unter diesen widrigen Bedingungen bin ich so gerührt für einen Moment, dass ich hätte heulen können.

Weiterhin macht Hoffnung, dass die gesamte Nacht über 30-40 Menschen vor Ort Wache halten.

Die Nacht verläuft weitgehend ruhig. Die Polizei ist allerdings leider kaum präsent. Ein Mal sehe ich eine Streife um den Block fahren, ein weiteres Mal kommt ein Polizeiwagen, weil er einen anderen Wagen verfolgt und anhält (vermutlich wegen Fahrt unter Alkohol).
Wesentlich öfter fahren Autos mit Nazis vorbei. Manche mehrfach. Manche mit rechten Aufklebern darauf. Oft viel zu schnell. Mit aufheulenden Motoren und Drohgebärden. Es zeigt, dass die Nachtwachen nötig sind, solange die Polizei dort nicht vor Ort bleibt in der Nacht. Für die kommende Nacht wurde dies angekündigt. Ich hoffe, dass dies wahr gemacht wird, denn viele Menschen haben bereits mehrere Nächte in Folge dort verbracht, um die Bewohner*innen vor Übergriffen zu schützen.

Wenn ihr also helfen wollt: lest den Twitteraccount @indenpeschen und die Texte auf der Seite: http://indenpeschen.blogsport.de/
Hilfreich für die Teilnahme an den Nachtwachen oder weitere Vernetzung ist eine kurze Mail. Die Bewohner*innen und auch die Helfer*innen vor Ort sind zu Recht sehr misstrauisch derzeit, weil sie schlicht Angst um ihr Leben haben.

Open Mind 2013

Vom 23.-25. August kommen zum vierten Mal Netzphilosoph*innen, Aktivist*innen, Sympathisant*innen und Kritiker*innen der Piratenpartei zur openmind-Konferenz in der Jugendherberge in Kassel zusammen. Unter dem Motto „Challenge accepted“ wird in Vorträgen, Workshops und einem Barcamp über politische und gesellschaftliche Visionen für die vernetzte Welt diskutiert.

Die breite Themenauswahl geht von der Wirksamkeit von Politik oder der Veränderung der Demokratie über die Wirkung von Sprache, über Cyborgs, #aufschrei, Demonstrationen bis zum Anarchismus und bietet daher erstmals in drei Räumen parallel unterschiedlichste Ansätze, die mögliche Gestaltung der Gesellschaft innerhalb und außerhalb des Netzes zu diskutieren.

Die Veranstaltung ist wie die letzten Jahren bereits im Vorfeld ausverkauft. Die Konferenzbeiträge können aber natürlich live im Internet verfolgt werden.

Pressevertreter*innen sind Samstag herzlich willkommen. Wir bitten um Anmeldung unter 0177/7792284.

Link zum Programm: https://pentabarf.junge-piraten.de/fahrplan/om13/
Den Stream finden Sie am Samstag und Sonntag auf der Homepage der openmind: http://13.openmind-konferenz.de/live/

„Dann geh doch zu den Grünen…“

Der Aufreger der Woche ist also der „Veggieday“, auch bei Piraten.
(Via Twitter wird darüber diskutiert, warum sich vorwiegend Männer über den Vorschlag aufregen. Das können wir dann gerne mal an anderer Stelle diskutieren (oder in den Kommentaren.))

Es wird gegen „Bevormundung“ aufbegehrt. Nochmal langsam. Ich habe keinen Gesetzentwurf gesehen. Ich verstehe das als (durchaus diskussionswürdigen) Vorschlag.

Ich denke, wir können durchaus mal hinterfragen, wie Fleisch so produziert wird, wie Tiere in Massentierhaltung leben. Warum also nicht darüber diskutieren? Es scheint jedenfalls ein allseits sehr emotional besetztes Thema zu sein (ähnlich wie Rauchen oder Tempolimit auf Autobahnen?)

Gibt es dazu eigentlich auch was von den Piraten?

Ja! Zum Beispiel im Wahlprogramm:
https://www.piratenpartei.de/politik/wahl-und-grundsatzprogramme/wahlprogramm-btw13/umwelt-und-verbraucherschutz/#wahlprogramm-umwelt-landwirtschaft-tierproduktion
„Wir lehnen eine industrielle Massentierhaltung ab.“

Dann wird man also in der Konsequenz auch mal über die Menge des Fleischkonsums in Deutschland diskutieren müssen. Hierzu mal ein paar Zahlen via Statistisches Bundesamt:
(Während im Jahr 2011 die Fleischproduktion zunahm, ging im Jahr 2012 erstmals seit 1997 zurück. Ist doch ein Anfang.)

Es gibt sogar eine recht deutliche Abstimmung via lqfb , in der sich 339 Pirat*innen mit 83 Prozent für ein „Umdenken beim Konsum von Lebensmitteln“ entschieden haben. Der „Veggie-Donnerstag“ wird hierbei explizit als Beispiel genannt.

In NRW steht in der Kantinenverordnung: „Das Essen soll aus Fleisch, Gemüse, Kartoffeln oder anderen gleichwertigen Nahrungsmitteln bestehen.“

Das ist doch zumindest überholt. Es wäre also ein Anfang, wenn hier mal deutlich würde, dass ein vollwertiges Essen keinesfalls notwendigerweise Fleisch enthalten muss und jede Kantine mindestens ein vegetarisches und veganes Essen parallel anbieten würde (welches nicht jeden Tag nach undefinierbarem Bratling schmeckt).

Ebenfalls sinnvoll finde ich, dass Menschen generell wieder mehr Bezug zu dem auf dem Teller bekommen sollten. Wer war denn alles schon mal in einer Mastanlage? Oder im Schlachthaus? Es geht nicht darum, Menschen zu bevormunden. Aber es geht darum, den Dingen (den Tieren) wieder einen Wert zu geben.

It’s not over – Besetzung der Hauptschule Bärendelle in Essen

Von ungefähr Sonntag Nacht/Montag früh an hatte eine Gruppe junger Menschen (Plenum Bärendelle) das seit einigen Jahren leer stehende (und mangels Investor langsam verfallende) Gebäude der Hauptschule Bärendelle in Essen besetzt.

Heute früh erfolgte die Räumung durch ein massives Aufgebot an Polizei.

Ich habe seit Montagnachmittag viele Stunden vor Ort verbracht. Aus mehreren Gründen:
Ich fühle mich der Antifa verbunden.
Ich bin der Auffassung, dass es dem Ruhrgebiet gesamt sehr gut tun würde, alternative, selbstverwaltete Projekte für Menschen zu fördern.
Ich kann mir vorstellen, dass eine Stadt ein leer stehendes Gebäude für eine Zwischennutzung frei gibt.

Was ich vor Ort erlebte:

Die Menschen dort waren allesamt friedlich und politisch hoch engagiert. Ich habe Gespräche verfolgt über feministische Sicht auf Filme, über Literatur und Kunst. All das gibt mir das Gefühl: Das sind Menschen, die das Zeug hätten, ein kulturelles, bildendes, politisches Projekt zu initiieren und zu betreiben. Die Atmosphäre dort war sehr angenehm. Musik, Kerzen, Gespräche. Und der einende Wunsch nach einem Ort, der dafür auch weiterhin verwendet werden kann.

Auf Twitter wurde mir vereinzelt „fehlendes Unrechtsbewusstsein“ vorgeworfen. Es gehe nicht, dass Menschen sich „ein Objekt der Begierde“ einfach nehmen würden. (Dass gerade „Piraten“ das so sehen, entbehrt nicht einer gewissen Komik.)

Ich bin etwas anderer Ansicht. Sicher. Es ist strafrechtlich relevant, in das Eigentum der Stadt Essen einzudringen. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass es durchaus ein wirkungsvoller Protest war, um auf Missstände aufmerksam zu machen (mit friedlichen Mitteln). Ich war selber nicht im Gebäude und kann also nichts dazu sagen, ob es dort Sachbeschädigungen durch die Besetzer*innen gegeben hat. Allerdings habe ich die staatlich legitimierte Sachbeschädigung durch die Polizei am Eingangsbereich gesehen und deren Kettensägen etc.

Ich war heute Nacht vor Ort. Der Abend verlief wie zuvor friedlich und entspannt. (Man mag darüber streiten, ob es sinnvoll ist, laute Musik zu hören nachts im Park vor der Schule, weil ich es taktisch nicht klug finde, die Anwohner*innen zu verärgern. Aber das waren nicht unmittelbar die Menschen vom Plenum Bärendelle, sondern nach meiner Wahrnehmung eher solidarische Gruppen im Park.)

Gegen Ende der Nacht gab es dann zunehmend Berichte darüber, dass die Polizei die Schule bald räumen würde. Ein Räumpanzer fuhr dann auch mal vorbei (zunächst zum Bahnhof dort, wo sich die Polizeikräfte sammelten.) Wie vermutet wurde es dann gegen 6 Uhr ernst. (Meine Nachfrage ob einer bevorstehenden Räumung wurde aus „polizeitaktischen Gründen“ von den dann kurze Zeit später abgezogenen Polizist*innen direkt vor Ort nicht beantwortet.)

Die Räumung:

20130724-151229.jpg

Die Polizei fuhr mit allerlei Gerät auf. Ich habe die Menge der Polizist*innen und Fahrzeuge plus Räumpanzer plus Hunde als recht bedrohlich und übertrieben empfunden. Es gab drei ähnlich lautende Ansagen durch die Polizei, bevor dann geräumt wurde. Den Besetzer*innen wurde dabei bewusst über den Mund und in ihre Erklärung gefahren. Menschen nicht ausreden zu lassen, ist auch Demonstration von Macht. Gleich zu Beginn haben Polizist*innen mit Helm etc. solidarische Menschen auch gleich mal aus dem Weg geschubst.

Zu mir war die Polizei weitgehend freundlich. Ich musste zwar gefühlte x Male meinen Ausweis zeigen, wurde aber dann auch im gesperrten Bereich toleriert. Bis eine Polizistin kam und mich gar nicht ausreden ließ. Sie hat mich hinter die Absperrung verwiesen, weil ich dort in ihrem Arbeitsbereich stehen würde. (Ich stand neben dem Zaun zum Sportplatz in sicherer Entfernung zum Eingang. Da war also kein direkter Arbeitsbereich.) Sie hat zur Kenntnis genommen, dass ich MdL bin und argumentiert, sie könne meine Anwesenheit dort nicht rechtfertigen vor den Menschen, die hinter der Absperrung bleiben müssten. Ihre vermummte Kollegin hat es dann aber gar nicht mehr mit Reden versucht, sondern mich einfach gewaltsam Richtung Absperrung gedrängt. Meinen rechten Arm hat sie auch nach mehrfacher Aufforderung (auch durch ihre Kollegin) nicht losgelassen. (Ich denke, dass jemand hinter mir das gefilmt haben müsste.) Ich selber habe mehrfach gesagt, dass ich Mitglied des Landtages sei und sie kein Recht hätten, mich dort wegzudrängen. Ich habe den Ausweis der Polizistin auch nach mehrfacher Aufforderung nicht zu sehen bekommen. Den Namen habe ich. Ich habe kein Interesse, das weiter zu verfolgen, aber interessant war, zu sehen, wie viel Spaß die Dame an dem Machtkampf hatte. Ich bin nach der Auseinandersetzung wieder nach vorne in die Nähe der Eingangstür gegangen. Ich spiele solche Privilegien nicht gerne aus. Aber an der Stelle ist es vielleicht auch einfach wichtig, Präsenz zu zeigen. Zu zeigen, dass die Polizei auch beobachtet wird. Zu zeigen, dass es mich interessiert, wie bei einer Räumung mit Menschen umgegangen wird.

Irgendwann dann kamen wohl auch Vertreter*innen der Stadt (Frau Kern? und weitere mir nicht bekannte Personen, die zum Teil auch mit der vor Ort anwesenden Presse sprachen.)

Was mich traurig macht: Formulierungen wie „Die Stadt will“, „Der Stadt gehört“ etc. Solche Formulierungen nehmen Beteiligten die Verantwortung. Da steht dann kein Mensch direkt hinter, sondern ein wenig greifbares Kollektiv. Zudem hätte ich es mutiger gefunden, wenn Vertreter*innen der Stadt den Kontakt mit den Menschen vom Plenum Bärendelle gesucht hätten (und zwar ohne Polizeischutz). Nach meinem Kenntnisstand ist das bis zuletzt nicht wirklich passiert. Man mag darüber streiten, ob es von Seiten der Besetzer*innen klüger gewesen wäre, selber offensiver den Kontakt zu suchen. Eine Mail zu schreiben, sollte aber auch von Seiten der Stadt möglich sein. Ebenfalls wenig glaubhaft fand ich die Begründung der Stadt beim Abstellen des Wassers. (Diese kenne ich allerdings nur aus Gerüchten.) Zu sagen, man hätte das gemacht, weil das Gebäude nicht mehr genutzt würde, ist zu wenig klar. Im Grunde ging es doch darum, den Besetzer*innen das Leben schwer zu machen im Haus, weil sie dort nicht erwünscht waren.

Ich finde zusammenfassend, dass sich der Protest gelohnt hat. (Und ja: Ich finde die Menschen, die das organisiert haben, mutig.)

Was nun?

Ich wünsche mir aber, dass es nun nicht vorbei ist. Ich habe die Hoffnung, dass jetzt Gespräche aufgenommen werden, die vielleicht sogar die Nutzung eines Gebäudes der Stadt für ein Autonomes Zentrum ermöglichen. Ich behaupte, damit wäre allen geholfen: Den Menschen, die sich politisch engagieren und Kunst und Kultur organisieren wollen. Der Stadt, die damit neue Freiräume schaffen könnte. Und dem Ruhrgebiet, dem viele Freiräume für derlei fehlen. In allen Städten.

Ausdrücklich loben möchte ich die Berichterstattung von Stefan Laurin und Team via Ruhrbarone, die sehr viel vor Ort waren.

Demo:

Heute (Mittwoch, 24.7.) findet um 18. 00 Uhr eine Demo am Bahnhof Essen-West statt. Nehmt teil, seid bunt und laut und friedlich.