„Unsere Antwort steht fest: Globaler Protest.“ Aufstehn. Irie Révoltés
Nun fragen mich Menschen ja immer mal, was denn nun passieren soll. Was denn eigentlich mein Ansatz sei (bezüglich Rassismus, bezüglich der Probleme in der Gesellschaft). Klingt es depressiv, wenn ich schreibe, dass ich nicht mehr so recht an so Klein-Klein-Lösungen glaube? Es ist ja nicht so, als hätte ich nicht ebenfalls immer mal so ein Ohnmachtsgefühl, nichts ändern zu können…
Was sind denn die Probleme?
Nach meiner Auffassung ist eins der Grundprobleme Entsolidarisierung.
Aus 2011 gibt es die Studie des Soziologen W. Heitmeyer über „Deutsche Zustände“: Es geht um eine Langzeitstudie über „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“.
„Für die weltweit größte Studie dieser Art wurden in den zehn Jahren insgesamt 23.000 Personen nach ihrer Haltung zu schwachen Gruppen, wie etwa Migranten oder Langzeitarbeitslosen, befragt.“
Siehe Presseberichte dradio und taz.
„Wilhelm Heitmeyer sorgt allerdings das auffälligste Ergebnis: Dass nämlich gerade die mittleren bis höheren Schichten unserer Gesellschaft die Solidarität mit den unteren Klassen aufkündigen und auf Ellbogenmentalität umschalten; dass also unsere bisherige tolerante Bürgerlichkeit durch eine „rohe“ ersetzt wird:
‚Diese rohe Bürgerlichkeit lässt sich in ihrer Selbstgewissheit nicht stören: Die Würde bestimmter Menschen und die Gleichwertigkeit von Gruppen sind antastbar.'“
https://www.iz3w.org/zeitschrift/ausgaben/330_arabischer_fruehling/rez1_heitmeyer
„Der diesjährige Report warnt, dass etwa 47 Prozent der repräsentativ Befragten den AsylbewerberInnen einen legitimen Grund für ihre Einwanderung absprechen. Über 40 Prozent äußern Unmut bei der Vorstellung, Roma und Sinti könnten sich in ihrer Wohngegend aufhalten. Jüngere und Wohlhabende neigen zunehmend zur Abwertung von Langzeitarbeitslosen.“
Dieser Trend der Entsolidarisierung mit Schwächeren scheint sich auch heute nicht abgeschwächt zu haben, sondern eher zuzunehmen, wenn man aktuelle Ereignisse in Duisburg (In den Peschen) oder Berlin-Hellersdorf betrachtet.
Grundsätzlich gibt es gefühlt weiterhin in breiten Teilen der Bevölkerung eine diffuse Unzufriedenheit und Ängste, sozial abzusteigen oder finanzielle Sicherheit einzubüßen. Dies führt dann leider nicht dazu, dass sich Gruppen zusammenschließen, sondern zum Treten nach unten.
Und ich werde so richtig wütend, wenn ich dann sowas am frühen Morgen lesen muss:
[TW Innenminister Friedrich] http://www.spiegel.de/politik/ausland/friedrich-verlangt-haerte-gegen-armutseinwanderer-aus-der-eu-a-926609.html
„Zu Gast bei Freunden“ gilt halt nur, wenn man zum Wachstum beiträgt und nicht etwa aus Not hier landet. Widerlich. Vielleicht mag sich der Mob einfach mal vorstellen, dass die Menschen hierhin kommen, weil sie keinen Ausweg sehen? ICH WILL SCHREIEN.
Um was geht es denn da eigentlich? Besitzstandswahrung aus Angst vor Veränderung?
Purer Egoismus? Deutsches Geld für Deutsche Kinder?
Ok. Ganz ruhig….
Fangen wir das mal anders an:
Fahren Sie/fährst Du Bahn?
Sehen Sie/schau mal in die Augen der Menschen.
Wie viele freuen sich auf den Tag?
Wohin fahren die Menschen?
Zur Schule, die wie viel freie Entfaltung wirklich zulässt?
Zur Arbeit, die wem dient?
Und nachmittags?
Sport? (Brot und Spiele?)
Fernsehen?
Und die Menschen, die sich nun schon politisch engagieren: Was verändern wir denn eigentlich wirklich?
Die Utopie/der Traum von einer besseren Welt
„Unter Geist des Anarchismus verstehe ich jenes umfassende menschliche Gefühl, das das Wohl aller, die Freiheit und Gerechtigkeit für alle, die Solidarität und Liebe unter allen anstrebt und nicht ausschließlich die Anarchisten im eigentlichen Sinne kennzeichnet, sondern alle großherzigen, geistig offenen Menschen erfüllt.“
Errico Malatesta
Ein paar konkretere Ansätze:
Bedingungsloses Grundeinkommen (Sicherheit, dass man nicht jeden Tag für die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse kämpfen muss, besseres Ausgangsverhältnis, niemand muss sich ausbeuten/schlecht behandeln lassen)
Umverteilung (im Grunde sind genug finanzielle Mittel da, um Menschen (weltweit) zu versorgen)
Wie fühlt man sich wohl mit so richtig viel Geld, wenn man ein Herz hat und sich in der Welt umsieht? http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Wirtschaft/d/3634106/deutschlands-reiche-haben-mehr-geld-denn-je.html
Neoliberales Gedankengut anzweifeln (Solidarität lehren, lernen und stärken statt Konkurrenz, „das System“ Kapitalismus und das Ausspielen von Macht funktioniert besonders gut, wenn wir gegeneinander gehen)
Verzicht (auf Fleisch zum Beispiel, weil es für die Ernährung der Welt sinnvoller ist, nicht so viel Tierprodukte zu essen, nebenbei auch für die Tiere…)
Ja. Verzicht tut weh. Ich habe da auch kein Interesse an einer Moralkeule. Aber guckt euch um. Wem geht es besser? Wem geht es schlechter? Und was kann ich tun, um Menschen zu stärken, denen es schlechter geht als mir? Das kann finanziell sein oder durch Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und Respekt und Engagement.
Wir müssen endlich über den Tellerrand unserer in großen Teilen doch sehr heilen Welt hinausgucken. (Ja. Ich weiß, meine Welt ist sicher noch einen ganzen Tick heiler. Ich verdiene viel Geld. Ich gebe davon viel weg und das ist auch schwierig, weil ich das Gönnerhafte nicht mag. Aber ich mag Freunde unterstützen. Ich wohne hübsch. Ich kann mir leisten, einen recht großen Teil meines Geldes anderweitig abzugeben. Aber das sind halt gesamt gesehen Peanuts…)
Ich frage mich zunehmend, was wirklich wichtig ist.
Brauchen wir eigentlich alles? Das Auto? Das zigste Elektronikgerät? Die zwanzigste Jeans (produziert unter miesesten Bedingungen in Bangladesch)?
Mein Ausbruch aus diesem Konsumdenken ist auch nicht immer konsequent. Auch das weiß ich. Aber glücklicher macht mich nicht viel davon. Was also macht vielleicht glücklicher?
Freunde. Und da kann ein Punkkonzert in einer ranzigen Lokation angenehmer/authentischer und erfüllender sein, als jede Schnittchen- und Sektchen-Veranstaltung.
Politisches/ehrenamtliches Engagement erfüllt mich. Mit Menschen, die ähnliche Werte vertreten. Das Gefühl, Hilfe zu bekommen und Zuspruch und Solidarität.
Plenumsdiskussionen in unterschiedlichen Projekten können auch sehr anstrengend sein, aber manchmal bewegt man halt auch gemeinsam was. Und dann fühlt es sich richtig gut an.
Ich denke, dass jede/r im Rahmen seiner Möglichkeiten die Welt ein wenig besser machen kann. (Ob das dann auch jede/r will, ist eine spannende Frage.)
Ok. Für den kommenden Absatz/Gedanken gibt es Prügel;)
Sich Fragen, ob man das System noch stützen will (oder wo man es schwächt). (Ich grübele immer noch, ob es nicht auch mal interessant wäre, wenn möglichst viele Menschen, die nicht mehr an das alles glauben, einfach nicht wählen gehen… Zumindest jedenfalls verstehe ich Nichtwähler*innen irgendwie…)
Die Grundsatzfrage ist: Welche Gesellschaft wollen wir? Wie wollen wir leben?
(Und da sehe ich tatsächlich Potential für eine Welt, die Hierarchien/Macht mehr anzweifelt.)
Und dann ende ich wieder beim Anarchismus. Oder beginnt es da erst? „Die Grundidee des Liberalismus ist es, die persönliche Unabhängigkeit zu sichern. Die Grundidee des Kommunismus ist es, das gesellschaftliche Wohl zu sichern.“
Anarchismus also als „Synthese der besten Aspekte des Liberalismus und des Kommunismus“?
Zumindest die Grundwerte des Anarchismus müssen wir immer wieder in Erinnerung rufen, diskutieren, verinnerlichen, weiterentwickeln, verbreiten, leben, finde ich:
„Freiheit, Unabhängigkeit, Solidarität, Internationalismus, freiwillige Assoziation, Föderalismus, Bildung, Spontaneität, Harmonie, gegenseitige Hilfe.“
Zitate aus C. Milstein: „Der Anarchismus und seine Ideale“