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Kriminalisierung von Antifaschismus

Da sind doch auch gerne die Piraten bei.

Zum Beispiel wird die Unterstützung des Bündnisses in Dortmund BlockaDO nun durch den neuen Bundesvorstand abgelehnt.

Hübsch (ich wollte doch nie zynisch werden…) ist auch die Begründung (ab Z. 231).

Mir scheint, Urteile des Verfassungsgerichts zu Blockaden sind dort nicht bekannt. Ein Aufruf für eine Blockade wird vom Bundesvorstand als Aufruf zu einer Straftat gewertet. Eine Blockade ist aber rechtlich ebenso eine Versammlung. Da ist sogar unser Dortmunder Polizeipräsident weiter in seiner Einschätzung als der Bundesvorstand dieser orangenen Kleinpartei.
(Stichwort: Praktische Konkordanz)

Auch der Rest der Ausführungen in diesem Pad ist eher zweifelhaft aus meiner Sicht.

Als Antifaschistin in einer Stadt mit militanten Neonazis sehe ich mich in keinerlei Weise unterstützt durch diesen peinlichen Bundesvorstand. Es ist ein Schlag ins Gesicht der Menschen, die sich hier parteiübergreifend engagieren.

Danke, dass diese Kooperation gegen Neonazis in Dortmund/im Ruhrgebiet und im gesamten Land vor allem mit Menschen aus dem Umkreis der Antifa, der Linken und den Grünen so angenehm/solidarisch und stärkend ist.

Nachtrag: Jetzt haben sie ein Banner auf der Homepage. Ich bin sicher, die Nazis zittern schon.

Wie will ich eigentlich zukünftig leben/arbeiten?

Mit einem Freund war ich ein paar Tage in der Kommune Niederkaufungen.

Bei der Arbeit für unser Projekt www.la-flora-negra.de überlege ich durchaus, wie ich zukünftig leben und arbeiten möchte.

Ich kann mir durchaus vorstellen, nach 2017 etwas ganz Anderes zu machen. Möchte ich zurück in meine Tätigkeit als Lehrerin? Ich habe das sehr gerne gemacht, sehe aber durchaus Zweifel am aktuellen Schulsystem bei mir und möchte halt nicht junge Menschen für einen Arbeitsmarkt fertig machen oder aussortieren, weil sie irgendwie nicht passen ins System.

Ich könnte mir auch vorstellen, ganz anders zu leben. Zum Beispiel in einer Kommune. Im Studium habe ich auf einem kleinen Reiterhof gearbeitet über mehrere Jahre. Ich mag Arbeit in der Landwirtschaft ebenfalls. Verwaltung kann ich. Das habe ich mal gelernt, aber mehr Spaß habe ich zumindest immer mal an körperlicher Arbeit, bei der man ein Resultat sieht (und sei es der gepflasterte Boden vom neuen Stall z.B.)

Ich stelle mir also die Frage: Wäre so eine Kommune etwas für mich?

Gerade Niederkaufungen gibt es schon sehr lange (seit 1986). Die
Menschen dort haben viel Erfahrung gesammelt in Entscheidungsfindung, solidarischer Ökonomie (es gibt keine eigenen Konten mehr, alles Geld läuft in eine gemeinsame Kasse), in Arbeitsorganisation (es gibt dort diverse tw. kollektiv betriebene Arbeitsbereiche/Unternehmen mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten).

Exkurs: Die verschiedenen Möglichkeiten der Entscheidungsfindung in Projekten, die wir uns angesehen haben, könnten auch für ein System wie die Piratenpartei interessant sein. Zumindest als Inspiration und als Möglichkeit, über den eigenen Horizont zu gucken auf Alternativen.

Zurück zu meinen Gedanken für ein Leben in einer Kommune:
Sehr gut hat mir in der Kommune Niederkaufungen der Umgang miteinander gefallen. Ist ein wenig wie in einer anderen Welt. Rücksichtsvoll. Auf Konsens ausgerichtet. Das hat mir sehr gut getan. Ich bin manchmal das ganze Gegeneinander in der Mehrheitsgesellschaft (und vor allem auch in der Politik/der Partei) sehr leid. Ich habe wenig ins Internet geschaut, viel draußen gesessen, mit Menschen geredet, beim Spülen geholfen, Tiere gestreichelt, die Auszeit genossen. Mir gefallen zudem die unterschiedlichen Möglichkeiten, dort zu arbeiten, sehr.

Die Kommune ist allerdings sehr groß (ca. 60 Menschen plus Kinder/Jugendliche, die nicht Teil des Plenums sind). Das hat sicherlich viele Vorteile. Man kann viel mehr Arbeitsbereiche anbieten. Reproduktionsarbeit kann auch auf mehr Menschen verteilt werden. Kinder/Jugendliche können Pat*innen aus der Gemeinschaft haben. Ich wüsste für mich aber nicht, ob die Größe und die Vielzahl der Menschen mich nicht überfordern könnte.

Ich habe ja noch ein wenig Zeit, zu überlegen, wohin ich mich bewerben möchte nach 2017. Auf jeden Fall möchte ich mir in meiner Freizeit noch mehr Projekte ganz unterschiedlicher Art ansehen. Die Arbeit daran (ok. Bis auf die echt anstrengende Transkription der Audiodateien der Interviews) empfinde ich als so sehr inspirierend. Es gibt mir Kraft, so wundervolle Menschen kennen lernen zu dürfen und ganz unterschiedliche Formen von Arbeit und Leben. Es sollte zudem hoffentlich später mit unseren Veröffentlichungen Menschen Mut machen, bestehende Projekte zu unterstützen und auch neue Projekte anzustoßen und Alternativen für ihr Leben auszuprobieren.

Machtspielchen

Ich war gestern auf einer Demo gegen Polizeigewalt in Münster.

Die Demo lief bis fast zum Ende sehr ruhig. (Man könnte jetzt durchaus den Widerspruch aufmachen von Demonstrant*innen, die Parolen gegen „Bullen“ rufen, aber nicht die zweite Straßenseite mitbenutzen wollen, weil das nicht vereinbart wurde. Aber gut. Das ist dann nochmal eine andere Diskussion.)

Zum Schluss gab es dann eine längere Phase der Eskalation. Ein Demonstrant wurde aus mir unbekanntem Grund festgenommen. Die Festnahme wurde von Polizist*innen zunächst am Rande abgeschirmt. Pfefferspray gezückt. Das Übliche, sag ich jetzt mal fast… Die Demonstrant*innen versuchten entsprechend darum herum, Bilder zu machen, denn der Festgenommene schrie und mehrere Polizist*innen knieten auf ihm. Die Polizist*innen schleiften den Festgenommenen dann zwischen zwei etwas entfernt geparkte Polizeibullis und platzierten sich so darum herum, dass man kaum sehen konnte, was mit dem Festgenommenen passierte.

Ich habe dann meinen Ausweis gezückt und um Erklärung gebeten. Weiterhin bestand ich mehrfach und an unterschiedlichen Stellen darauf, zusehen zu dürfen, was mir bis zum Schluss verwehrt wurde mit der Begründung, das würde die „Maßnahme“ stören. Der Demonstrant schrie und wimmerte. Gelegentlich gelang mir ein Blick auf die Szene, weil ich mich zwischen zwei Polizeiketten gedrängelt hatte. Ein Polizist kniete auf dem Kopf des Demonstranten, mehrere auf dem Körper. Vom Demonstranten sah ich vor Polizisten über ihm kaum etwas. Die Antworten der Polizist*innen auf meine Anmerkung, ich würde nichts sehen können, waren teilweise zynisch. Sie seien halt so breit.

Der Demonstrant wurde irgendwann in einen weiteren Polizeiwagen gebracht. Er soll verletzt gewesen sein, was indirekt ein Polizist auf Nachfrage bestätigte, weil er auf meine Frage, ob der Mann einen Arzt brauche und warum kein Krankenwagen vor Ort geholt würde, antwortete, im Gewahrsam sei ein Arzt. Es sei deshalb unnötig. (Dabei muss ich ergänzen, dass gefühlt die ganze Aktion sicher eine halbe Stunde ging und es deshalb durchaus möglich und m.E. notwenig gewesen wäre, einen Krankenwagen vor Ort hinzuzuziehen.)

Langer Rede, kurzer Sinn: Ich habe die Erfahrung, dass ich als Mandatsträgerin von solchen „Maßnahmen“ ferngehalten werde, schon oft gemacht. Da wird dann so lange herumdiskutiert, bis alles vorbei ist. Man wird weggeschubst. Es wird behauptet, das sei zu meinem Schutz. Es wird behauptet, man müsse erst mit irgendwem im Einsatzzentrum sprechen usw.

Ich sehe das als große Gefahr an, weil da ein Raum ist für das Handeln von Polizist*innen, der sich jeder Kontrolle von Presse oder auch Mandatsträger*innen entzieht und der natürlich derart unbeobachtet Möglichkeiten für Missbrauch von Macht und Gewalt bietet.

Kommentar zum Bericht des Innenministeriums zum Überfall auf das Dortmunder Rathaus

Gastbeitrag meines Kollegen Torsten Sommer, der am Abend vor Ort war:

In dem Bericht des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen wird mehrfach die Unwahrheit verbreitet. Es wird gezielt desinformiert. Es wird mehrfach eine verharmlosende Gleichstellung von Opfern und Tätern vorgenommen. Es wird versucht, demokratische Politiker zu verunglimpfen. Im Zweifel wird den rechten Gewalttätern Glauben geschenkt.
Eine demokratische Gesellschaft kann sich einen derartigen Affront auf Dauer nicht leisten. Die berechtigte Kritik an diesem Bericht muss zum Umdenken bei Polizei und Innenministerium führen. Speziell das Vorgehen des Staatsschutzes (keine eigenen Erkenntnisse im Vorfeld, fehlerhafte Lageeinschätzungen, blindes Vertrauen auf Einschätzungen der Rechtsdezernentin und Vertrauen auf Aussagen der rechten Gewalttäter) muss zu durchgreifenden Veränderungen beim Staatsschutz führen. Geschieht dies nicht, wird deutlich, dass der Staatsschutz in seiner jetzigen Form nicht nutzbringend ist.

Was aber auch deutlich wird, ist, dass offensichtlich selbst von Dienstgruppenleitern bei der Polizei Volksverhetzung überhört? wird.
Das ist nicht hinnehmbar und muss interne Ermittlungen nach sich ziehen, da andernfalls einer Radikalisierung der Polizei Vorschub geleistet wird. Es ist die Aufgabe des neuen Polizeipräsidenten tiefgreifende Änderungen vorzunehmen. Andernfalls verspielt die Polizei die Unterstützung und die Akzeptanz der Zivilgesellschaft, ohne die sie ihre Aufgaben nicht wahrnehmen kann.

Im Detail
Am Abend des 25.5.2014 wurde das Rathaus in Dortmund von rechten Gewalttätern überfallen. Dazu gibt es jetzt, etwa eine Monat nach dem Überfall, einen Bericht des Innenministeriums.

Das Innenministerium berichtet nicht so gerne von den Dingen, die es so tut. Daher erfahren wir oft, z.B. bei kleinen und großen Anfragen, dass keine Daten vorliegen oder dass die Sachverhalte zu komplex sind, um sie uns Normalsterblichen zu erklären. Beispiele findet man etwa hier
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMD16-6051.pdf

Aber dass mir als Mensch in diesem Land und als gewähltem Vertreter der Menschen in diesem Land so offensichtlich und unverblümt ins Gesicht gelogen wird, das ist mir in den vergangenen zwei Jahren noch nicht passiert. Das ist eine neue Stufe der Missachtung von Menschen und ihrer Vertreter. Von einem Innenminister einer demokratischen Landesregierung erwarte ich mir Ehrlichkeit. Aber schauen wir uns den Bericht im Einzelnen an:

Auf Seite 1 wird geschildert, welche Absprachen es mit Vertretern der Stadt Dortmund gab. Und dass die Ergebnisse der Kommunalwahl wahrscheinlich erst nach 23 Uhr vorliegen würden. Eigene Erkenntnisse von Polizei oder Staatsschutz werden nicht aufgeführt.
Auf Seite 2 wird dann in der zweiten Hälfte doch erwartet, dass am Wahlabend rechte Gewalttäter zur Wahlparty im Rathaus auftauchen werden. Also war sowohl der Stadtspitze, wie auch der Polizei eine entsprechende Gefahrenlage bekannt. Und wir sprechen hier von den organisierten Gewalttätern, die seit 2000 fünf Menschen in Dortmund und p Umgebung ermordet, unzählige Gewalttaten und diverse Überfälle, z.B. auf die Hirsch-Q begangen haben.

Was macht man also im Zweifel? Man fragt mal einfach bei den Gewalttätern nach, was diese so vor haben. Auf Seite 3 oben ist das überraschende Ergebnis der Gespräche zu lesen: die Gewalttäter planen selbstverständlich keine Gewalttaten. Zur Sicherheit schaut die Polizei noch mal bei den sozialen Netzwerken im Internet und findet dort auch nichts. Na dann ist ja alles gut und die Party kann kommen!

Aber man ist sich immer noch nicht ganz sicher und schaut am Wahltag doch mal hier und dort vorbei und liest die Nachrichtenwebseite der Rechten und deren Twitteraccount. Wenn was geplant ist, dann wird das da bestimmt zuerst veröffentlicht. Und die Polizei hat Recht! Um 21.16 Uhr (alle Angaben aus dem Bericht des MIK) twittern die Gewalttätern dann tatsächlich ein Bild mit SS-Siggis Konterfei und dem Spruch „Mit einem Schlag ins Rathaus!“
Wohlgemerkt am Wahlabend getwitter. Bewertung der Polizei Dortmund:
Es wurde zu diesem Zeitpunkt nicht als entsprechende Ankündigung bewertet, das Rathaus am Wahlabend aufzusuchen bzw. sich gewaltsam dort Zutritt verschaffen zu wollen. Dazu gab es keinerlei Informationen? Aber egal, der Polizei Dortmund liegen ab 20.50 Uhr Infos vor, dass die Rechten in Dorstfeld feiern. Da schaut man dann um 21 Uhr nach und stellt fest, die Info stimmt.
OK, warum springen wir hier von 21.16 Uhr wieder zurück auf 20.50 Uhr? Und das ohne Zeitreise. Richtig, würde man berichten, dass um 20.50 Uhr in Dorstfeld gefeiert wird, um 21.00 Uhr überprüft man das und wird dabei von den Rechten bemerkt.
Auch wie man wegfährt. Um 21.16 Uhr wird „Mit einem Schlag ins Rathaus!“ getwittert. So ergibt sich eine ganz andere Dynamik. Wurde aber am Wahlsonntag anders bewertet. War in der Rückbetrachtung ein Fehler.

Um 22.10 Uhr gab es dann den ersten Notruf bei der Polizei. Um 22.13 Uhr den nächsten. Wieviele Notrufe es an diesem Abend zu dem Überfall noch gab und was deren Inhalt war ist leider nicht Bestandteil des Berichtes. Laut Bericht standen sich 30 rechte (Anmerkung von mir gut erkennbar an einheitlicher Kleidung) und etwa 100 „linke/bürgerliche“ darunter 20 vermummte Antifas gegenüber. Wenn es wirklich 20 Vermummte gab, wie ist festgestellt worden, dass es „Mitglieder“ einer Antifagruppierung waren? An der Kleidung konnte man das an dem Abend nicht festmachen. Auch auf den vorliegenden Videodaten des Abends sind bei weitem keine 20 vermummten Menschen vor dem Rathaus zu erkennen. Es gab mehrere Menschen, die sich vor dem Reizgas der rechten Gewalttäter geschützt haben. Nachweislich die erste, bedeutende Unwahrheit.

Weiter geht es mit „In dem Tumult wurden nach Angaben der ersten Einsatzkräfte Flaschen geworfen und Reizgas eingesetzt sowie geschlagen“ (Seite 5 Mitte) Hier wird der Eindruck erweckt, dass sich einfach zwei gewalttätige Gruppen gegenüber stehen. Jedwedes Videomaterial zeigt eindeutig, dass die Gewalt ausschließlich von den Rechten ausgeht. Diese Gleichstellung von Opfern und Tätern hat nichts mit polizeilicher Neutralität zu tun, sondern diffamiert die Opfer von rechter Gewalt und ist nicht hinnehmbar.

„Die nur durch eine Polizeikette getrennten Gruppierungen versuchten dennoch fortwährend sich gegenseitig zu attackieren“ Auch hier zeigt das Videomaterial das Gegenteil. Es wird trotz der Polizeikette von Seiten der Rechten weiterhin auf die Menschen vor dem Rathaus eingeschlagen und Reizgas versprüht. Eine aggressive Bewegung zu den Rechten ist auf keinem Videomaterial ersichtlich. Hier wird erneut und nachweislich die Unwahrheit verbreitet.

Seite 6 oben: „Da vor Ort mehrere verletzte Personen gemeldet wurden, erfolgte umgehend die Anforderung von Rettungswagen der Feuerwehr?“
Dumm nur, dass die Rettungskräfte bereits vor dem Eintreffen der Polizei vor Ort waren. Aber so einen RTW übersieht man ja schon mal. Bitte dazu das Bildmaterial vom Wahlabend vergleichen.

Um 22.20 Uhr wurde durch den DGL vor Ort (EA „Rathaus außerhalb“) der Einsatz von Pfefferspray durch Einsatzkräfte gemeldet? Leider wird nicht berichtet, wer Ziel des polizeilichen Reizgaseinsatzes war. Wertet man das reichlich vorhandene Bildmaterial aus, stellt man fest, dass ausschließlich die Rechten Ziel von polizeilichem Reizgaseinsatz war. Das an dieser Stelle nicht zu benennen dient einzig dem Zweck, den Angriff der rechten Gewalttäter als allgemeine Auseinandersetzung darzustellen. Eine solche Desinformation darf eine demokratische Regierung nicht betreiben.

Um 22.21 Uhr sind laut Bericht alle gewalttätigen Auseinandersetzungen beendet. Oder um es ehrlich zu benennen: die Angriffe der Rechten auf die Demokraten vor dem Rathaus wurden von der Polizei unterbunden. Auch hier wieder eine verharmlosende Desinformation, die angegriffene Demokraten auf eine Stufe mit gewalttätigen Rechten stellt.

„Um 22.24 Uhr werden dann 10 weitere Streifenwagen bestellt, da es vermummte Personen im „linken/bürgerlichen Spektrum“ vor dem Rathaus
gibt.“
Die Verhältnismässigkeit der Mittel ist völlig abhanden gekommen.

„Um 23.06 Uhr waren Personalien von insgesamt 22 Personen der rechten Szene aufgenommen worden. Darüber hinaus wurden von 5 Personen der linken Szene, die an den Auseinandersetzungen beteiligt waren, ebenfalls die Personalien aufgenommen?“
Hier wird ausschließlich den Personen der linken Szene unterstellt, sie hätten an den Auseinandersetzungen teilgenommen? Und wieder: Wie auf allen Videos zu sehen ist, gab es ausschließlich Gewalt von Seiten der Rechten, keine allgemeine Auseinandersetzung. Den 22 Personen der Rechten wird das hier nicht unterstellt. Desinformation mit rhetorischen Mitteln, die einer demokratischen Regierung nicht ansteht.

„Da die Kräftelage für eine Umstellung der größeren Personengruppe aus linkem/bürgerlichem Spektrum nicht ausreichend war
Das schlägt dem Fass den Boden aus! Die Demokraten, die passiv vor dem Rathaus zusammengestanden haben und unsere Demokratie verteidigt haben, sollten von unserer Polizei eingekesselt werden? Da bleibt mir als Demokraten die Spucke weg! Was muss passieren, damit die Führungsbeamten ihren Amtseid erfüllen? Jeder Träger des staatlichen Gewaltmonopols hat gelobt unsere Verfassung zu verteidigen. Wer nicht gewillt ist, diesen Eid zu erfüllen hat bei der Polizei nichts zu suchen.

Mussten strafprozessuale Maßnahmen auf diese 5 Personen, die konkret durch Angehörige der rechte Szene beschuldigt wurden, Körperverletzungsdelikte zu deren Nachteil begangenen zu haben, beschränkt werden? Dass die Polizei hier nicht Richter spielt und Personalien aufnimmt, ist nachvollziehbar. Dass jedoch der Eindruck erweckt wird, dass die Polzei das auch noch gerne tut, ist nicht hinnehmbar.

„Im Anschluss an die oben aufgeführten Maßnahmen wurden erste Personen aus der Gruppe der Rechten vor Ort entlassen.“
Aus der gleichen Gruppe, die nachweislich Gewalttaten begangen hat und die nur durchEinsatz von Schlagstock und Reizgas davon abgehalten werden konnte, friedliche Demokraten weiter zu verprügeln. Eine Verhältnismäßigkeit ist hier wieder nicht gegeben.

„Der DGL vor Ort berichtet, dass er zu keinem Zeitpunkt das Rufen volksverhetzender Parolen oder Singen der ersten Strophe des „Deutschlandliedes“ durch die gesamte Gruppe wahrgenommen habe.“
Eine glatte Lüge. Das vorliegende und öffentlich zugängliche Videomaterial zeigt eindeutig, dass sowohl die erste Strophe des Deutschlandliedes gesungen wird, sowie diverse ausländerfeindliche Parolen skandiert worden sind. Auf den Videos ist eindeutig zu erkennen, dass Polizeikräfte die Rechten bei diesen Äußerungen bereits umstellt hatten. Wenn die Polizei das hier in diesem Bericht an die Präsidentin des Landtags verneint und das offensichtlich und nachweislich nicht den Tatsachen entspricht muss das personelle sowie strukturelle Folgen innerhalb der Dienstgruppenleitung der Polizei haben. Die Legislative des Landes dermaßen dreist zu belügen darf nicht folgenlos bleiben. Sonst können wir uns diese Demokratiesimulation sparen.

„Auch nach Einschreiten der ersten Beamten, die durch eine Polizeikette die Gruppierungen zu trennen versuchten, änderte sich das Verhalten der Personen nicht, so dass der Einsatzmehrzweckstock und Pfefferspray eingesetzt werden mussten.“
Gegen wen wurden Schlagstock und Reizgas eingesetzt? Laut Videomaterial ausschließlich gegen die rechten Angreifer. Auch hier findet wieder eine Desinformation mit dem Ziel der Verharmlosung und der Gleichstellung p von Opfer und Täter statt. Unsäglich.

„Während die Einsatzkräfte die Gruppe der Angehörigen der rechten Szene räumlich zurückdrängten, wurden fortwährend aus dem Rücken der Polizeibeamten heraus aus der bürgerIich/linken Gruppierung versucht, die vorhandene Lücken in der Polizeikette auszunutzen, um Angehörige der rechten Gruppierung mit Schlägen und Tritten zu attackieren,…“
Das ist einfach die Unwahrheit. Auch hier wieder der Hinweis auf diverse Videoaufzeichnungen. Eindeutig ist zu sehen, dass nach der Aufstellung der Polizeikette die Polizisten ALLE mit dem Gesicht zu den Rechten stehen und mit Schlagstock und Reizgas Angriffe der Rechten auf die Menschen vor den Rathaustüren abwehren. Was weiterhin zu sehen ist, sind Rechte, die durch Lücken in der Polizeikette weiterhin versuchen, die Menschen vor den Rathaustüren zu schlagen und mit Reizgas zu besprühen.

„Die Maßnahmen der Polizei ließen die Angehörigen der rechten Gruppierung ohne größeren Widerstand über sich ergehen.“ Durchgesetzt mit Schlagstock und Reizgas, wobei weiterhin auf Menschen hinter der Polizeikette eingeprügelt wird. Unfassbar wie hier versucht wird, den Aggressoren und Gewalttätern „friedliche Kooperation“ mit der Polizei zu bescheinigen.

„Auf der anderen Seite berichten die Einsatzkräfte von deutlich alkoholisierten Politikern, die aus dem Rathaus heraus auf den Friedensplatz getreten waren.“
Diese Diffamierung soll auch wieder nur das Augenmerk von den Gewalttaten der Rechten ablenken und demokratische Politiker allgemein diskreditiert werden.

„Durch das Entfernen einer der beiden streitenden Gruppierungen vom Friedensplatz ..“
Auch hier wieder eine Gleichstellung von Aggressoren und Opfern. Kann vor Ort passieren. In einem Bericht des Innenministeriums an den Landtag bedeutet das nicht weniger als eine Entfernung von Polizei und Innenministerium von der freiheitlich demokratischen Grundordnung unseres Landes.

„Aktuell wird auf Anfrage der Ermittlungskommission Friedensplatz durch die Staatsanwaltschaft Dortmund geprüft, wie die „Gruppenstraftaten“ Nötigung und Landfriedensbruch, bezogen auf die jeweilige Gruppierung, bewertet werden. Über die weiteren strafprozessualen Maßnahmen hat sich die Staatsanwaltschaft Dortmund die Entscheidung vorbehalten.“
Nach den bisherigen Erfahrungen mit der Staatsanwaltschaft Dortmund mit den Ermittlungen gegen rechte Gewalttäter erwarte ich, dass ab 2020 die ersten Verfahren gegen die Angreifer eingestellt werden. Gründe werden sich finden.

Von Seiten der Polizei Dortmund wird der Einsatz als „sachgerecht“ eingestuft. Nach den Bildern und meinen persönlichen Erlebnissen am Abend des Wahlsonntages möchte ich nicht erleben, was passieren muss, damit ein derartiger Einsatz als nicht sachgerecht eingestuft wird.
Wenn zehn Verletzte nicht ausreichen, wo soll das hinführen?

Aktuell: NSU Untersuchungsausschuss NRW

Heute erreichte uns sehr überraschend die Presseerklärung der CDU, einen Antrag für einen NSU-Untersuchungsausschuss für NRW stellen zu wollen. Ich bin grundsätzlich natürlich froh, dass nun außer der CDU auch SPD und Grüne deshalb nun doch diesen Ausschuss wollen.

Ich fühle mich immer noch neu im parlamentarischen Politikbetrieb und finde diese parteipolitischen Spielereien anstrengend bis hin zum Absurden. Unser Antrag für einen Untersuchungsausschuss ist lange fertig (siehe auch hier), aber wir sind eine kleine Fraktion, also fehlte uns eine entsprechende Mehrheit zur Einsetzung. Es brauchte also das Manöver der CDU, um den Prozess weiter voranzutreiben, denn SPD und Grüne hatten zunächst eine Beteiligung an unserem Antrag und die Idee eines Untersuchungsausschusses abgelehnt. (Mein Antrag lag speziell den Grünen seit vor Ostern vor.)

Ich finde das Thema viel zu wichtig, um damit taktieren zu wollen. Und deshalb haben wir es nicht im Wahlkampf verwendet. Auch aus diesem Grund haben wir den Antrag mehrfach zurückgestellt, um andere Fraktionen zu beteiligen. Ich bin natürlich in Summe froh über die kommende Einsetzung, weil die Aufklärung des gesamten Themenkomplexes vor allem für die Angehörigen und Opfer, aber auch die gesamte Öffentlichkeit, von großer Bedeutung ist.

Was mir tatsächlich noch nicht klar ist: Wie werden sich die anderen Fraktionen nun zu unserem Antrag stellen, der ins Juli-Plenum geht? Werden wir bis dahin einen gemeinsamen Antrag erarbeiten? (Offensichtlich fanden andere Fraktionen unseren Antrag fachlich gut.) Oder wird unser Antrag abgelehnt und die anderen Fraktionen erstellen für den Herbst einen eigenen Antrag?

Es bleibt also spannend.

Nebenbei bemerkt und um den zeitlichen Ablauf zu belegen: Bereits im Vorfeld der Sitzung vom Integrationsausschuss war allen Fraktionen der Entwurf unseres Antrages zugegangen, weil meine Kollegin Frau Simone Brand am 30.04. im Integrationsausschuss unseren Antrag auch -mit mir abgesprochen- erwähnen wollte und dann auch erwähnt hat. Siehe Punkt 3, Seite 8 des Protokolls:
http://www.landtag.nrw.de/portal/WWW/dokumentenarchiv/Dokument/MMA16-534.pdf

„Genderkrebs“

Ich muss da mal kurz was loswerden. Weil es mich zutiefst ärgert.

(Die Überschrift ist ein Zitat eines Kollegen. Es zeigt so ein wenig, mit welchem Sprachgebrauch man sich hier so beschäftigen muss.)

In meiner Fraktion gab es vor einiger Zeit eine Diskussion über geschlechtergerechte Sprache in Pressemitteilungen. Die Diskussion war schwierig und endete in einem „Kompromiss“, zumindest -wenn möglich- neutrale Begriffe zu verwenden.

Seit einiger Zeit haben wir nun eine neue Protokollantin für Fraktionsprotokolle. Sie hat von sich aus, auch, weil ihr dies wichtig war, geschlechtergerechte Sprache verwendet. Dies führte innerhalb von kurzer Zeit zu Mails von Mitarbeitern (ich meine, es schrieben dazu nur Männer) und MdLs, die darauf bestehen, dass rein männlich gegendert wird (oder wiederum als Kompromiss die Variante der Pressemitteilungen genommen wird, wie jetzt abgestimmt wurde), weil dies eine politische Aussage sei. Dies geht so weit, dass der Protokollantin von mehreren Seiten nahegelegt wurde, doch ihren Sprachgebrauch zu überdenken.

Für mich bedeutet die Beschäftigung mit Inklusion auch, dass man sich mit Ebenen und Formen der Diskriminierung beschäftigt und versucht, diese zu verringern. Menschen bewusst und aus politischen Gründen in Sprache nicht zu adressieren, ist etwas, was in meinem Werteverständnis mit dem Bekenntnis zu Inklusion nicht vereinbar ist. Und mir reicht da nicht ein neutral, wenn möglich.

Die Diskussion wird weiter geführt werden müssen. Ich muss aber auch gestehen, dass mich das in dieser Partei zunehmend ermüdet, weil das Gefühl bleibt, dass überhaupt nur wenig Wille da ist bei vielen, sich entsprechend reflektierend mit Sprache und Diskriminierung auseinanderzusetzen.

Tweets wie dieser an mich lassen mich (als Germanistin…) immer mit wenig Hoffnung und etwas ratlos zurück:

@_Rya_ Ich bin sehr dafür, gegen jeden KONKRETEN Diskriminierungsfall vorzugehen. Klassische Schriftsprache gehört IMO nicht dazu.

Ist es wirklich so abwegig, dass Sprache Werte transportiert und deshalb die Verwendung von diskriminierenden Formulierungen oder das Weglassen von Gruppen eben auch entsprechende Werte dahinter offenbaren und -was noch gravierender ist- fortschreiben?

Keine Angst?!

Über Repression und Traumata und wie wir damit umgehen könnten:

„Wem Polizeigewalt widerfährt, ist allein gelassen!
Egal wie oft ihr es retweetet!

Sollte man wissen!“

Quelle:
https://.twitter.com/lottokoenigin

Aufhänger:Es war dem wohl ein Treffen vorangegangen, bei dem mehrere Menschen anwesend waren, die in Frankfurt/Blockupy im Kessel waren und die bis heute traumatisiert zu seien scheinen. Deren „Bewältigungsstrategie“ scheint teilweise zu sein, nach außen kalt zu reagieren und mit der Bewegung gebrochen zu haben.

Die gehen also vielleicht nie wieder auf eine Demo! Und das kann natürlich ein von Repressionsorganen gewollter Effekt sein.

Beim Antifa-Kongress in Berlin sprach ich bereits mit einigen Menschen über die Problematik der Auswirkungen von Repression und Polizeigewalt und was wir dagegen tun könnten. Ich komme aber erst jetzt dazu, mich in Textform damit zu befassen.

Völlig selbstverständlich ist bei jeder Demo/Aktion rechtliche Unterstützung erreichbar. Da leistet die Rote Hilfe großartige Arbeit und auch auch sonst gibt es gute Strukturen, die EAs (Ermittlungsausschüsse) stellen. Man meldet z.B. Festnahmen dort, kann Kontakt zu Anwält*innen bekommen etc.

Ebenfalls oft im Einsatz sind weiterhin meist Demosanitäter*innen, die erste Hilfe leisten z.B. nach Pfeffersprayeinsatz.

Noch nicht ganz so selbstverständlich, aber auch sehr wichtig, ist emotionaler Support. Belastungen bei Demos/Aktionen können sehr vielfältig sein bis hin zum Trauma mit weitreichenden psychischen Folgen.

Hierzu ein kurzer wissenschaftlicher Exkurs:

„Unter einem Trauma wird ein Ereignis verstanden, dass von jedem Menschen als extrem belastend oder katastrophal erlebt werden würde. Der Betreffende erfährt eine oder mehrere Situationen, in denen er lebensbedrohlichen Ereignissen oder Handlungen ausgesetzt war, durch die er körperlich schwer verletzt wurde oder die seine psychische Integrität bedrohten. Ebenso wird darunter das Miterleben als Zeuge verstanden.“ (S.260ff)

Die individuelle Möglichkeit jedes Menschen, sich auf einschneidende Erlebnisse anzupassen, hängt nicht nur vom „Ausmaß des Traumas“, sondern auch von der „individuellen Belastungsgrenze“ ab.

Mögliche Reaktionen umfassen „Veränderungen auf emotionaler, somatischer, kognitiver Ebene“.
Beispiele: „Angst, Verzweiflung, innere Leere, „Betäubung“, Verwirrung, Anspannung, Hilflosigkeit, verminderte Aufnahmefähigkeit“ plus körperliche Symptome wie „Schlafstörungen, Appetitverlust, Herzklopfen, Schwitzen, Zittern etc.“

Weiterführend kann man noch akute Belastungsreaktion und später auftretende Symptome unterscheiden, aber das führt jetzt zu weit, denke ich.

Interessant sind aber mögliche Folgen, wie „Desinteresse, sozialer Rückzug, Wut, Flash-Backs, Alpträume, Vermeidung ähnlicher Situationen, Teilnahmslosigkeit, Gefühlstaubheit etc.“

Zitate aus: Lieb, Frauenknecht, Brunnhuber: Intensivkurs Psychiatrie und Psychotherapie. München 2008

Was uns helfen kann:

Bezugsgruppen

Im Idealfall habt ihr eine kleine Bezugsgruppe, wenn ihr bei einer Demo seid. Menschen, denen ihr vertraut und die einen ähnlichen Aktionsansatz haben. Die Frage, wie viel man mitmachen möchte, sollte im Grunde vorher geklärt sein, um Konflikte während einer Demo zu vermeiden. Trotzdem kann es auch in eingespielten Teams dazu kommen, dass sich während einer Demo die Stimmung ändert. Seid ehrlich, wenn euch etwas zu viel wird. Seid achtsam und nehmt trotz all des Stresses wahr, wenn es jemandem nicht gut geht mit einer Situation.

In Hamburg zum Beispiel gab es einen größeren, für mich sehr belastenden, Streit am Ende des Tages. Ein Teil meiner Gruppe wollte noch weitermachen. Ein Teil war einfach kaputt, auch von der empfundenen Ohnmacht nach diversen Übergriffen durch vermummte Polizisten (waren da tatsächlich vor allem Männer). Ich war nicht mehr in der Lage, adäquat zu reagieren, habe dann im Grunde resigniert und habe vorgeschlagen, ich könnte einfach alleine weggehen. Das ist natürlich total unvernünftig. Ich habe mich aber in dieser recht belastenden Situation auch nicht wirklich aufgefangen gefühlt. Ich wollte mich nicht dazu drängen lassen, an weiteren Aktionen teilzunehmen. Alleine wollte ich auch nicht sein. Irgendwann habe ich dann halt heulend in einem Hauseingang gesessen bis es wieder ging. Ein Freund war bei mir, aber auch da hat es lange gebraucht, bis er verstanden hatte, wie es mir wirklich geht. Obwohl ich wirklich ganz gut über Gefühle reden kann, ist es mir furchtbar schwer gefallen, in der Situation zu sagen, was los ist.

In der Folge des Erlebten habe ich Monate davon immer wieder geträumt und hatte für längere Zeit (trotz meiner Privilegien mit dem Ausweis) Probleme, mich mit Polizisten auf der Straße auseinanderzusetzen.

Möglicherweise ist das ein generelles Problem beim Umgang mit Emotionen in unserer Gesellschaft. Es ist aber eben manchmal auch eins in der linken Szene, die das durchaus mehr reflektiert als die „Mehrheitsgesellschaft“. Viele sind gerade politisch aktiv, weil sie mit diversen Ungerechtigkeiten nicht klarkommen. Weil sie nicht zusehen wollen, wie Asylsuchende abgewiesen oder sogar vor Grenzen getötet werden. Weil sie Diskriminierung bekämpfen wollen und für eine Gesellschaft, in der Menschen respektvoll miteinander umgehen. Ich kenne deshalb sehr viele empfindsame Menschen, die in der linken Szene politisch aktiv sind. Und trotzdem habe ich manchmal das Gefühl, dass auch wir, dass auch ich, die Gefühle wegschiebe/n, die uns dabei begleiten. Was das mit uns macht, wenn neben uns ein/e Freund*in weggeknüppelt wird. Was das mit uns macht, wenn jemand von uns von Nazis bedroht oder überfallen wird. Wo reden wir über die Wut, die Traurigkeit, die Angst, die Ohnmacht und Hilflosigkeit?

Was tun?

Es gibt zum Beispiel diese Gruppierungen:

Out Of Action (mit recht klaren Positionen, Strukturen und Grundlagen, weshalb der Name nicht einfach so verwendet werden soll)

Leider sind die Aktivitäten auf der Seite zum Beispiel schon einige Zeit her. Ich weiß aktuell nicht, ob die Gruppen noch alle Bestand haben, frage aber zumindest fürs Ruhrgebiet etc. mal dort nach. (Ergänzung: Es gibt im Ruhrgebiet eine aktive Gruppe. Vielleicht schaffen wir es für kommende Aktionen, das Team für alle besser erreichbar zu machen.)

Im Idealfall wünsche ich mir, dass jede Demo von uns auch ein Team mit Handynummer hat, welches sich um emotionale Unterstützung kümmert. Ich weiß: Wir sind immer zu wenig Menschen. Wir brauchen Menschen für Infogruppen, in Delegiertengruppen, für rechtliche Beratung, zur Bedienung der Ticker, für Pressemitteilungen, welche, die Versammlungen anmelden usw.

Aber immer wiederkehrende Diskussionen zeigen mir, dass wir auch emotionale Betreuung brauchen über den selbstverständlichen, achtsamen Umgang in unseren regelmäßigen Bezugsgruppen hinaus, um die Menschen nicht zu verlieren, die eventuell nicht immer gut vernetzt sind. Aber auch, um es als selbstverständlich zu etablieren, all die Emotionen, die um Aktionen herum entstehen können, auszusprechen, zu thematisieren und nicht zu verdrängen.

„Der Unterschied, auf den es wirklich ankommt, ist nicht der zwischen Gewalt und Gewaltlosigkeit, sondern zwischen der Neigung zur Machtausübung und der Abneigung dagegen.“ Orwell

NSU Untersuchungsausschuss NRW

Update: Wir haben heute in der Fraktionssitzung beschlossen, die Anträge erst im Juli! einzubringen. Mir ist die Einsetzung wichtiger als Wahlkampf. Ich möchte dazu beitragen, Aufklärung zu ermöglichen und voranzutreiben. Insofern werden wir in den Wochen bis zum Juniplenum versuchen, mit anderen Fraktionen weiter zu verhandeln über einen gemeinsamen Antrag.

Da das nun doch schon so irgendwie öffentlich ist, mal eine kurze Stellungnahme vorab von mir:

Seit ungefähr Januar schreiben meine Mitarbeiter und viele Freiwillige mit mir zusammen an einem Antrag für einen möglichen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss für NRW bezüglich der Aufarbeitung der Taten des NSU. An dieser Stelle erst einmal vielen Dank an alle. Dabei geholfen haben Menschen und Mitarbeiter*innen von den Piraten natürlich, aber auch mehrere Journalist*innen, Aktivist*innen aus unterschiedlichsten Gruppierungen, von Antifa-Recherchegruppen, aus unterschiedlichsten Parteien (vor allem von „Die Linke“) usw.

Da wir aktuell noch in Verhandlungen mit den anderen Fraktionen sind, ist noch nicht ganz klar, wie es weitergeht. Die politische Variante mit mehr Zeit ist der kurze Antrag, der dann zur Diskussion in die Ausschüsse gehen kann:

http://www.piratenfraktion-nrw.de/wp-content/uploads/2014/05/Politischer_Antrag_PUA_NSU-Aussch%C3%BCsse.docx

Die ausführliche Variante, die dann aber direkt abgestimmt würde, findet sich hier:

http://www.piratenfraktion-nrw.de/wp-content/uploads/2014/05/Antrag_NSU-PUA-DIREKT.docx

Die Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses erfordert in NRW die Zustimmung von 20 Prozent der Mitglieder des Landtages. Dies bedeutet, dass wir noch Menschen aus anderen Fraktionen benötigen, um wirklich einen Untersuchungsausschuss zu bekommen. Da ich keinen Showantrag will, sondern mir diese Einsetzung sehr wichtig ist, tendiere ich aktuell dazu, den kurzen Antrag einzubringen, damit die anderen Fraktionen nochmal Zeit haben, ihre möglichen Änderungswünsche einzubringen.

Ich halte den Untersuchungsausschuss für absolut notwendig, weil bei weitem nicht alle offenen Fragen rund um den Themenkomplex beantwortet wurden und weil neben dem Gericht in München und neben dem bereits abgeschlossenen Untersuchungsausschuss des Bundestages auch die Länder in der Verpflichtung sind, alles ihnen Mögliche zu tun, um die Aufklärung so weit wie möglich zu betreiben.

Mehr als nur Nazis jagen?!

Da ich selber leider nicht zur Bilokation fähig bin und dieser Workshop parallel lief und auch super interessant klang, hier ein Gastbeitrag von Alice zum Workshop „Antifa feministisch weiterdenken“:

Das letzte Podium, was ich im Rahmen des Kongress „Antifa in der Krise?!“ besucht habe, beschäftigte sich mit queerfeministischen Themen in der antifaschistischen Bewegung. Auffällig wurde, noch bevor es losging, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen dem oft formulierten Anspruch „Antifa ist mehr als Nazis jagen!“ und den tatsächlichen Zuständen. Offensichtlich scheint es die cis-männlichen Genossen wenig zu interessieren was die beiden referierenden Personen der „trans*geniale f_antifa“ zu sagen hatten. Immerhin waren ca. 3x mehr Frauen als Männer anwesend. Die kommunistische Argumentation des Nebenwiderspruchs drängt sich auf.

Nach einer kurzen Einleitung fingen die Referierenden an einige Begriffe, die für dieses Thema wichtig sind, zu erklären. Damit kamen sie einem selbsterklärten Anspruch nach, ihren Vortrag auch für Personen offen zu gestalten, die keinen akademischen Hintergrund haben, um einer Exklusion vorzubeugen.

Im Rahmen dieser Begriffserklärung wurden einige Ansichten geäußert, die ich gerne weitertragen würde, da ich sie für interessant und/oder wichtig halte:

1. Ablehnung der Begriffe „Homophobie“ und „Transphobie“, da sie Hass und Gewalt, zumindest dem Begriff nach, mit Angstzuständen erklären und damit eben jenen Hass relativieren. Als Ersatz wurde der Begriff „Heterosexismus“ vorgeschlagen oder das Ersetzen des Wort „Phobie“ durch „Feindlichkeit“.

2. Im Zusammenhang mit der Thematik Ableismus (Diskriminierung/Exklusion von behinderten Menschen) wurde angemerkt, dass Menschen nicht behindert sind, sondern durch die Gesellschaft behindert werden. (Stichwort: Einrichtung einer barrierefreien bzw. barrierearmen Gesellschaft und Umwelt)

Anschließend wurde die Struktur/Gruppe vorgestellt, aus der die beiden kommen. Die „trans*geniale f_antifa“ versteht sich als Gruppe, die an feministische Antifakonzepte der ’90er anknüpft und sie um die Bedürfnisse von Trans- und Inter-Menschen erweitert. Um für die Gruppenmitglieder einen Raum zu schaffen, in dem sie sich vor Übergriffigkeiten sicher fühlen, sind keine cis-Männer zugelassen. Ansonsten probiert die Gruppe jegliche Exklusion zu vermeiden und übt daher Gesellschafts- und Herrschaftskritik, die u.a. auch in Reflexion über die eigenen Privilegien und eigenen Betroffenheit mündet. Sie versuchen barrierearme Räume und Veranstaltungen zu organisieren. (Stichwort: Reflexion darüber, inwiefern nicht-drogenfreie Räume (von Tabak über Alkohol bis hin zu „härteren“ Drogen) eine Barriere darstellen)
Kritik wurde u.a. an der teils sehr heterosexistischen Berliner linksradikalen „Szene“ geübt, an linker Emotionsfeindlichkeit, die den Umgang/die Verarbeitung von Erfahrungen mit sprachlicher und körperlicher Gewalt schwieriger macht und damit selber wieder zur Barriere werden kann.

Ein schwerer, aber berechtigter Vorwurf ist, dass die radikale Linke, genau wie der Rest der Gesellschaft, Trans-Menschen unsichtbar macht (z.B. auf Plakaten, in Aufrufen gegen Naziaufmärsche etc.) Dabei gibt es viele und berechtigte Gründe, warum Queer-Feminismus Teil der antifaschistische Bewegung sein sollte. Die „trans*geniale f_antifa“ nimmt z.B. positiven Bezug auf den Schwur von Buchenwald und benennt als Wurzel des Nazismus u.a. die duale Geschlechtereinteilung und das Patriarchat. So wurden z.B. bei der ersten Bücherverbrennung in Berlin auch sexualwissenschaftliche Werke verbrannt.

Weiterhin zeigt sich gerade in letzter Zeit wie „besorgte Eltern“ und Rechte Hand in Hand gehen (z.B. Pro Köln in Köln, NPD und Autonome Nationalist_innen in Stuttgart).

Ein weiteres Bespiel, dass Nazis massiv antifeministisch sind, ist einer der jüngsten Angriffe in Schweden auf Showan Shattak. Er war nicht das einzige Opfer des Angriff. Er und seine Genoss_innen kamen von einer Veranstaltung zum Frauenkampftag. Weiterhin hat Showan die Kampagne „Fottbolssupportrar mot Homofobi“ (Fußballfans gegen Homophobie) mit initiiert. Aber natürlich gibt es trans- und homofeindliche Übergriffe auch in Deutschland und nach Aussage der Referierenden ist die queerfeministische Bewegung alleine nicht in der Lage, das alles abzufangen und Widerstand zu leisten. Genau hier könnte „die Antifa“ ins Spiel kommen.

Zusätzlich wurde noch ein ganz konkretes aktivistisches Thema angesprochen. Der „Marsch für das Leben“ eine heteronormative, patriarchale und reaktionäre Demonstration, die jeden September in Berlin stattfindet und sich gegen Abtreibungen richtet. Trotz steigender Mobilisierungszahlen und politischem und gesellschaftlichem Einfluss (Grußworte kommen u.a. von Mitgliedern des Bundestages und der Landtage sowie von Bischöfen) bleibt eine große linksradikale Mobilisierung zu Gegenprotesten bis jetzt aus. Hier wären antifaschistische Gruppen gefragt, um die (queer)feministische Bewegung zu unterstützen und Teilnehmer_innen der Gegenveranstaltungen vor Übergriffen zu schützen.

In der anschließenden Diskussion wurde u.a. gefragt, was sich „die queerfeministische Bewegung“ von „der Antifa“ wünscht. 3 Hauptpunkte wurden daraufhin von den Referierenden genannt.
1. Reflexion über eigenes exkludierendes Verhalten
2. Zusammenarbeit (z.B. Mobilisierung gegen reaktionäre Demos)
3. Queerfeminismus muss Alltag werden!

PS: Wie sehr auch die antifaschistische Bewegung patriarchale Verhaltensmuster verinnerlicht hat, zeigt sich auch darin, dass Frauen in der Naziszene in den meisten Fällen als Mitläuferinnen angesehen werden und selten als Täterinnen benannt werden oder Ziel von Recherche sind.

„You shall not pass“

Antifa-Kongress, nächster Teil

Workshop:

nazifrei revisited – Über Blockadebündnisse

Immerhin beginnt es mit einer Entschuldigung, dass nur Männer auf dem Podium sitzen. Ich erfreue mich daran, dass es in der Szene zumindest ein Bewusstsein für diese Probleme gibt, aber der Leidensdruck ist offensichtlich nicht groß genug, um’s zu ändern, sondern nur, um sich zu entschuldigen. (Und das nächste Mal läuft’s dann wieder so?)

Aber kommen wir zum eigentlichen Thema:
Auf dem Podium Vertreter aus Dresden, Cottbus, Bad Nenndorf

Dresden nazifrei:

Dresden wird sehr oft als Vorbild genannt. Aber dieses Jahr war eher kein Erfolg.

Erfolg in Dresden: bis 2009 konnten große Gruppen Neonazis durch Dresden marschieren. Zwar mit kleinen Gegenbewegungen, aber bis dahin war die zivilgesellschaftliche Auffassung sehr davon geprägt, dass man sie halt laufen lassen könne und dann wären sie nach einem Tag wieder weg. Mittlerweile wird immerhin mehr darüber diskutiert, wie man mit diesem Tag nun umzugehen hat. Es ist lange noch nicht so, dass die Auseinandersetzung mit dem Opfermythos in weiten Teilen der Gesellschaft zufriedenstellend erfolgt.

Die Frage nach Legitimität von Blockaden wurde diskutiert. Diesbezüglich hat sich gefühlt das Klima in der Stadt durchaus verändert. Mehr Menschen aus Dresden selbst, sind bereit, sich an Blockaden zu beteiligen.

Kritisch wird gesehen, dass in diesem Jahr in der Öffentlichkeit dargestellt wurde, dass Dresden den 13.2. zurück habe und dies ist schlicht nicht wahr. Es waren Nazis in der Stadt und die kritischen Stimmen waren viel zu wenig bei den Gedenkveranstaltungen. Da der große Punkt des Naziaufmarsches wegfiel, wird es schwerer, den Diskurs um den Opfermythos und die Feierlichkeiten des Tages aufrecht zu halten. Ordner*innen der Menschenkette sollen die Anweisung gehabt haben, auch bei offenkundigen Neonazis dazwischen nicht einzuschreiten, um das Gedenken nicht zu stören. Die Demo der Nazis am Tag zuvor wurde hingegen kaum in der Öffentlichkeit beachtet.

Bad Nenndorf:

Angst der Menschen vor Ort vor angeblich Autos anzündende Autonomen war zunächst vorhanden. Struktur geschaffen, um Massenblockade zu organisieren. Erst zwei Jahre nach den ersten Naziaufmärschen hat sich die breite Mehrheit mit dem Problem beschäftigt. Vorher haben sich hauptsächlich Menschen aus Antifa-Strukturen dem entgegengestellt. Weiterhin ist es eher ein kleiner Ort, so dass Vertrauensarbeit wichtig war. Seit 2010 geht die Teilnehmer*innenzahl der Naziaufmärsche deutlich zurück aufgrund der Gegenproteste.

Cottbus:

Bündnis seit ungefähr vier Jahren. Vorbild Dresden. Unterschiedliche Akteur*innen. Zwei Jahre lang hat das Konzept nicht funktioniert. Sitzblockaden wurden gewaltsam geräumt etc.
Zwei Jahre hat es geklappt, den Naziaufmarsch zu verhindern. Es haben sich zunehmend Menschen getraut, mitzumachen. Bei größeren Gruppen in Sitzblockaden nimmt die Gefahr von Gewalt durch die Polizei gegen Aktivist*innen ab. Viel Kommunikation mit der Stadt. Breites Bündnis: Gewerkschaften, Autonome Antifa, Parteimitglieder etc.

Magdeburg:

Problem der Informationsbeschaffung: Da es keine Informationen über die Route der
Nazis gab, war es quasi unmöglich, effektive Sitzblockaden durchzuführen. Dadurch werden Gruppen zersplitterte. (Es ist nicht machbar, 11 Bahnhöfe zu besetzen.) Akzeptanz ist in der
Mehrheit schon vorhanden.

Dortmund:

Bündnis noch relativ neu. Diskussionen natürlich auch über Aktionskonsens. Verschiedene Akteur*innen (Autonome Antifa, Gewerkschaften, Parteien etc.) Bürgermeister hat zunächst freudig verkündet, dass es das Bündnis gibt. Später dann doch keine Unterstützung. Weiterhin Diskussionen darüber, ob man überhaupt Blockaden durchführen oder dazu aufrufen darf. Ablauf des 1. Mai im Detail noch unklar.

Kritikpunkte: Wird genug reflektiert, ob Sitzblockaden sinnvoll sind? Gibt es weitere Aktionsformen, die angewendet werden können? Viel hängt an der frühzeitigen Kenntnis der Route von Aufmärschen. Problem außerdem, mit wem man zusammenarbeiten möchte. Eine Kooperation mit Menschen, Parteien, die in ihrem Verhalten Rassismus etc. mittragen, muss kritisch gesehen werden. Oft geht es halt darum, dass Image einer Stadt zu verbessern. Alle machen toll was gegen Nazis. Presse/Öffentlichkeit: Wenn es gut klappt, war es die breite Gesellschaft/die Stadt, die Naziaufmärsche verhindert haben. Wenn irgendetwas schief geht, waren es „die Autonomen“.

Wünschenswert:

In antifaschistischen Gruppen sollte es mehr Vor- und Nachbereitung von Aktionen geben. (Zum Beispiel zum Umgang mit Polizeigewalt und dadurch entstandenen physischen und psychischen Verletzungen. Darauf gehe ich eventuell nochmal mit einem gesonderten Text ein, weil es auch zu der im Seminar zu Antifa und Feminismus geäußerten Emotionsfeindlichkeit der linken Szene passt und damit als Thema komplexer wird.)