Archiv für den Monat: April 2014

Mehr als nur Nazis jagen?!

Da ich selber leider nicht zur Bilokation fähig bin und dieser Workshop parallel lief und auch super interessant klang, hier ein Gastbeitrag von Alice zum Workshop „Antifa feministisch weiterdenken“:

Das letzte Podium, was ich im Rahmen des Kongress „Antifa in der Krise?!“ besucht habe, beschäftigte sich mit queerfeministischen Themen in der antifaschistischen Bewegung. Auffällig wurde, noch bevor es losging, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen dem oft formulierten Anspruch „Antifa ist mehr als Nazis jagen!“ und den tatsächlichen Zuständen. Offensichtlich scheint es die cis-männlichen Genossen wenig zu interessieren was die beiden referierenden Personen der „trans*geniale f_antifa“ zu sagen hatten. Immerhin waren ca. 3x mehr Frauen als Männer anwesend. Die kommunistische Argumentation des Nebenwiderspruchs drängt sich auf.

Nach einer kurzen Einleitung fingen die Referierenden an einige Begriffe, die für dieses Thema wichtig sind, zu erklären. Damit kamen sie einem selbsterklärten Anspruch nach, ihren Vortrag auch für Personen offen zu gestalten, die keinen akademischen Hintergrund haben, um einer Exklusion vorzubeugen.

Im Rahmen dieser Begriffserklärung wurden einige Ansichten geäußert, die ich gerne weitertragen würde, da ich sie für interessant und/oder wichtig halte:

1. Ablehnung der Begriffe „Homophobie“ und „Transphobie“, da sie Hass und Gewalt, zumindest dem Begriff nach, mit Angstzuständen erklären und damit eben jenen Hass relativieren. Als Ersatz wurde der Begriff „Heterosexismus“ vorgeschlagen oder das Ersetzen des Wort „Phobie“ durch „Feindlichkeit“.

2. Im Zusammenhang mit der Thematik Ableismus (Diskriminierung/Exklusion von behinderten Menschen) wurde angemerkt, dass Menschen nicht behindert sind, sondern durch die Gesellschaft behindert werden. (Stichwort: Einrichtung einer barrierefreien bzw. barrierearmen Gesellschaft und Umwelt)

Anschließend wurde die Struktur/Gruppe vorgestellt, aus der die beiden kommen. Die „trans*geniale f_antifa“ versteht sich als Gruppe, die an feministische Antifakonzepte der ’90er anknüpft und sie um die Bedürfnisse von Trans- und Inter-Menschen erweitert. Um für die Gruppenmitglieder einen Raum zu schaffen, in dem sie sich vor Übergriffigkeiten sicher fühlen, sind keine cis-Männer zugelassen. Ansonsten probiert die Gruppe jegliche Exklusion zu vermeiden und übt daher Gesellschafts- und Herrschaftskritik, die u.a. auch in Reflexion über die eigenen Privilegien und eigenen Betroffenheit mündet. Sie versuchen barrierearme Räume und Veranstaltungen zu organisieren. (Stichwort: Reflexion darüber, inwiefern nicht-drogenfreie Räume (von Tabak über Alkohol bis hin zu „härteren“ Drogen) eine Barriere darstellen)
Kritik wurde u.a. an der teils sehr heterosexistischen Berliner linksradikalen „Szene“ geübt, an linker Emotionsfeindlichkeit, die den Umgang/die Verarbeitung von Erfahrungen mit sprachlicher und körperlicher Gewalt schwieriger macht und damit selber wieder zur Barriere werden kann.

Ein schwerer, aber berechtigter Vorwurf ist, dass die radikale Linke, genau wie der Rest der Gesellschaft, Trans-Menschen unsichtbar macht (z.B. auf Plakaten, in Aufrufen gegen Naziaufmärsche etc.) Dabei gibt es viele und berechtigte Gründe, warum Queer-Feminismus Teil der antifaschistische Bewegung sein sollte. Die „trans*geniale f_antifa“ nimmt z.B. positiven Bezug auf den Schwur von Buchenwald und benennt als Wurzel des Nazismus u.a. die duale Geschlechtereinteilung und das Patriarchat. So wurden z.B. bei der ersten Bücherverbrennung in Berlin auch sexualwissenschaftliche Werke verbrannt.

Weiterhin zeigt sich gerade in letzter Zeit wie „besorgte Eltern“ und Rechte Hand in Hand gehen (z.B. Pro Köln in Köln, NPD und Autonome Nationalist_innen in Stuttgart).

Ein weiteres Bespiel, dass Nazis massiv antifeministisch sind, ist einer der jüngsten Angriffe in Schweden auf Showan Shattak. Er war nicht das einzige Opfer des Angriff. Er und seine Genoss_innen kamen von einer Veranstaltung zum Frauenkampftag. Weiterhin hat Showan die Kampagne „Fottbolssupportrar mot Homofobi“ (Fußballfans gegen Homophobie) mit initiiert. Aber natürlich gibt es trans- und homofeindliche Übergriffe auch in Deutschland und nach Aussage der Referierenden ist die queerfeministische Bewegung alleine nicht in der Lage, das alles abzufangen und Widerstand zu leisten. Genau hier könnte „die Antifa“ ins Spiel kommen.

Zusätzlich wurde noch ein ganz konkretes aktivistisches Thema angesprochen. Der „Marsch für das Leben“ eine heteronormative, patriarchale und reaktionäre Demonstration, die jeden September in Berlin stattfindet und sich gegen Abtreibungen richtet. Trotz steigender Mobilisierungszahlen und politischem und gesellschaftlichem Einfluss (Grußworte kommen u.a. von Mitgliedern des Bundestages und der Landtage sowie von Bischöfen) bleibt eine große linksradikale Mobilisierung zu Gegenprotesten bis jetzt aus. Hier wären antifaschistische Gruppen gefragt, um die (queer)feministische Bewegung zu unterstützen und Teilnehmer_innen der Gegenveranstaltungen vor Übergriffen zu schützen.

In der anschließenden Diskussion wurde u.a. gefragt, was sich „die queerfeministische Bewegung“ von „der Antifa“ wünscht. 3 Hauptpunkte wurden daraufhin von den Referierenden genannt.
1. Reflexion über eigenes exkludierendes Verhalten
2. Zusammenarbeit (z.B. Mobilisierung gegen reaktionäre Demos)
3. Queerfeminismus muss Alltag werden!

PS: Wie sehr auch die antifaschistische Bewegung patriarchale Verhaltensmuster verinnerlicht hat, zeigt sich auch darin, dass Frauen in der Naziszene in den meisten Fällen als Mitläuferinnen angesehen werden und selten als Täterinnen benannt werden oder Ziel von Recherche sind.

„You shall not pass“

Antifa-Kongress, nächster Teil

Workshop:

nazifrei revisited – Über Blockadebündnisse

Immerhin beginnt es mit einer Entschuldigung, dass nur Männer auf dem Podium sitzen. Ich erfreue mich daran, dass es in der Szene zumindest ein Bewusstsein für diese Probleme gibt, aber der Leidensdruck ist offensichtlich nicht groß genug, um’s zu ändern, sondern nur, um sich zu entschuldigen. (Und das nächste Mal läuft’s dann wieder so?)

Aber kommen wir zum eigentlichen Thema:
Auf dem Podium Vertreter aus Dresden, Cottbus, Bad Nenndorf

Dresden nazifrei:

Dresden wird sehr oft als Vorbild genannt. Aber dieses Jahr war eher kein Erfolg.

Erfolg in Dresden: bis 2009 konnten große Gruppen Neonazis durch Dresden marschieren. Zwar mit kleinen Gegenbewegungen, aber bis dahin war die zivilgesellschaftliche Auffassung sehr davon geprägt, dass man sie halt laufen lassen könne und dann wären sie nach einem Tag wieder weg. Mittlerweile wird immerhin mehr darüber diskutiert, wie man mit diesem Tag nun umzugehen hat. Es ist lange noch nicht so, dass die Auseinandersetzung mit dem Opfermythos in weiten Teilen der Gesellschaft zufriedenstellend erfolgt.

Die Frage nach Legitimität von Blockaden wurde diskutiert. Diesbezüglich hat sich gefühlt das Klima in der Stadt durchaus verändert. Mehr Menschen aus Dresden selbst, sind bereit, sich an Blockaden zu beteiligen.

Kritisch wird gesehen, dass in diesem Jahr in der Öffentlichkeit dargestellt wurde, dass Dresden den 13.2. zurück habe und dies ist schlicht nicht wahr. Es waren Nazis in der Stadt und die kritischen Stimmen waren viel zu wenig bei den Gedenkveranstaltungen. Da der große Punkt des Naziaufmarsches wegfiel, wird es schwerer, den Diskurs um den Opfermythos und die Feierlichkeiten des Tages aufrecht zu halten. Ordner*innen der Menschenkette sollen die Anweisung gehabt haben, auch bei offenkundigen Neonazis dazwischen nicht einzuschreiten, um das Gedenken nicht zu stören. Die Demo der Nazis am Tag zuvor wurde hingegen kaum in der Öffentlichkeit beachtet.

Bad Nenndorf:

Angst der Menschen vor Ort vor angeblich Autos anzündende Autonomen war zunächst vorhanden. Struktur geschaffen, um Massenblockade zu organisieren. Erst zwei Jahre nach den ersten Naziaufmärschen hat sich die breite Mehrheit mit dem Problem beschäftigt. Vorher haben sich hauptsächlich Menschen aus Antifa-Strukturen dem entgegengestellt. Weiterhin ist es eher ein kleiner Ort, so dass Vertrauensarbeit wichtig war. Seit 2010 geht die Teilnehmer*innenzahl der Naziaufmärsche deutlich zurück aufgrund der Gegenproteste.

Cottbus:

Bündnis seit ungefähr vier Jahren. Vorbild Dresden. Unterschiedliche Akteur*innen. Zwei Jahre lang hat das Konzept nicht funktioniert. Sitzblockaden wurden gewaltsam geräumt etc.
Zwei Jahre hat es geklappt, den Naziaufmarsch zu verhindern. Es haben sich zunehmend Menschen getraut, mitzumachen. Bei größeren Gruppen in Sitzblockaden nimmt die Gefahr von Gewalt durch die Polizei gegen Aktivist*innen ab. Viel Kommunikation mit der Stadt. Breites Bündnis: Gewerkschaften, Autonome Antifa, Parteimitglieder etc.

Magdeburg:

Problem der Informationsbeschaffung: Da es keine Informationen über die Route der
Nazis gab, war es quasi unmöglich, effektive Sitzblockaden durchzuführen. Dadurch werden Gruppen zersplitterte. (Es ist nicht machbar, 11 Bahnhöfe zu besetzen.) Akzeptanz ist in der
Mehrheit schon vorhanden.

Dortmund:

Bündnis noch relativ neu. Diskussionen natürlich auch über Aktionskonsens. Verschiedene Akteur*innen (Autonome Antifa, Gewerkschaften, Parteien etc.) Bürgermeister hat zunächst freudig verkündet, dass es das Bündnis gibt. Später dann doch keine Unterstützung. Weiterhin Diskussionen darüber, ob man überhaupt Blockaden durchführen oder dazu aufrufen darf. Ablauf des 1. Mai im Detail noch unklar.

Kritikpunkte: Wird genug reflektiert, ob Sitzblockaden sinnvoll sind? Gibt es weitere Aktionsformen, die angewendet werden können? Viel hängt an der frühzeitigen Kenntnis der Route von Aufmärschen. Problem außerdem, mit wem man zusammenarbeiten möchte. Eine Kooperation mit Menschen, Parteien, die in ihrem Verhalten Rassismus etc. mittragen, muss kritisch gesehen werden. Oft geht es halt darum, dass Image einer Stadt zu verbessern. Alle machen toll was gegen Nazis. Presse/Öffentlichkeit: Wenn es gut klappt, war es die breite Gesellschaft/die Stadt, die Naziaufmärsche verhindert haben. Wenn irgendetwas schief geht, waren es „die Autonomen“.

Wünschenswert:

In antifaschistischen Gruppen sollte es mehr Vor- und Nachbereitung von Aktionen geben. (Zum Beispiel zum Umgang mit Polizeigewalt und dadurch entstandenen physischen und psychischen Verletzungen. Darauf gehe ich eventuell nochmal mit einem gesonderten Text ein, weil es auch zu der im Seminar zu Antifa und Feminismus geäußerten Emotionsfeindlichkeit der linken Szene passt und damit als Thema komplexer wird.)

„Antifa in der Krise?!“

Kongress

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Das Podium von gestern ist mir leider entgangen. Hier nun zum heutigen Tag:

(Insgesamt sind es recht viele Eindrücke und Inhalte, so dass es mir schwer fällt, dies kurz zusammenzufassen. Da aber meine geneigten Leser*innen mitunter nicht alle Antifa-Aktivist*innen sind, trotzdem ein paar Betrachtungen auf den heutigen Tag der oben genannten Konferenz.)

Workshop 1:

NSU und Antifa

Erschreckend im Rückblick, dass antifaschistische Gruppen durchaus die Täter*innen und Unterstützer*innen im Blick hatten auch Jahre vor der Enttarnung.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die zentralen Fragen im Prozess zum Beispiel gar nicht geklärt werden?
Was/wer könnte/kann Recherche leisten? Ein Vorschlag war u.a. eine oder mehrere nichtstaatlich organisierte und finanzierte Ganztagsstelle(n), die Rechercheergebnisse zusammentragen, publizieren und weiterführen.

Mehr Kommunikation mit Opfern von rechter Gewalt oder Angehörigen anbieten.

Den NSU nicht als Geschichte betrachten, als abgehakt ansehen, die Vorfälle als von Einzeltäter*innen begangen abtun. Neonazis haben immer noch Waffen. Es gibt eine gute Vernetzung der Szene. Es muss ein Unterstützer*innennetzwerk gegeben haben.

Workshop 2:

Tschechien. Antiziganismus.

Workshop 3:

Proteste gegen Asylsuchendenunterkünfte

Beispiele Hellersdorf, Leipzig, aus dem Publikum Duisburg und Essen und weitere. Schwierig: Alltagsrassimus und Antiziganzismus bei „besorgten Bürger*innen“ weit verbreitet. Dies wird von rechten Gruppierungen/Parteien aufgegriffen, im Wahlkampf verwendet und verstärkt. Dadurch werden auch zahlenmäßig recht große Gruppen mobilisiert.

Problem: schmaler Grat zwischen Paternalisierung und Hilfe zur Selbsthilfe (sprich Empowerment oder Ermutigung von Refugees, ihre politischen Anliegen zu formulieren und ihre Kämpfe selbstorganisiert zu führen)

Abendpodium:

http://kriseundrassismus.noblogs.org/post/2014/03/10/antifa-in-der-krise-3/

„Danke an die „Junge Freiheit“ (Anm. Rechte Zeitung). Jetzt schaut auch der Verfassungsschutz zu. Das ist ja irgendwie auch beruhigend.“

Welche Rolle kann „die Antifa“ spielen in einer Welt in einer Krise?

Themenblock 1:

Die rechtspopulistische Partei AfD stellt die Antifa vor neue Herausforderungen. Die AfD verschiebt den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts. Klassische Strategien funktionieren da nicht, weil die AfD vermeidet mit bekannten Rechtsradikalen zusammenzuarbeiten. Es ist nichtsdestotrotz eine nationalistische Partei. Man muss an der Stelle also inhaltlich angreifen. Widersprüche aufzeigen (auch zwischen Wähler*innenklientel und Leistungschauvinismus im Programm). Die Gefahr besteht, dass die von der AfD vertretenen Positionen in einer von Alltagsfremdenfeindlichkeit durchzogenen Gesellschaft auf fruchtbaren Boden fällt.

Themenblock 2:

Zunehmende Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte, nicht immer gewalttätig, aber häufig, zeigen Probleme des Versuchs der Abgrenzung vieler Bürger*innen gegen Flüchtlinge etc. und eine Verbrüderung eines bürgerlichen Mobs mit Neonazis. Willkommenskultur kann hier frühzeitig helfen, allerdings wird auch hier der Kritikpunkt genannt, dass leider vielfach Asylsuchende selber gar nicht gefragt werden. Ebenso müssen lokale Strukturen eingebunden werden.

Politisch: Überfälle werden als unpolitisch abgetan. Aktivist*innen/Opfer von rechter Gewalt werden zu häufig als Täter*innen angenommen. Es wirkt, als hätte man aus dem NSU nicht gelernt bzw. sind strukturelle Probleme einfach tatsächlich nicht behoben worden. Ermittlungsbehörden sind weiterhin so tätig wie vor dem Bekanntwerden des NSU. Der Verfassungsschutz zieht im
Grunde Vorteile daraus. Heimleiter*innen wollen trotz Übergriffen Normalität zeigen. Hier überall muss der Finger in die Wunden gelegt werden.

„Selbst wenn Rassismus in einer Gesellschaft Normalität ist, ist das nicht unsere Normalität.“

Themenblock 3:

Nachwuchsproblem bei der Antifa? Zu wenig Menschen für zu viel, was man leisten möchte? Warum wächst die Antifa nicht? (Kurze Antwort: „weil es anstrengend ist“)

Was gut funktioniert: Große Bündnisse (Blockaden in Dresden als Beispiel), Blockaden sinnvoll aus einer defensiven Position heraus?) grundsätzlich Diskussion über zivilen Ungehorsam in einer größeren Gruppe von Zivilgesellschaft. Was ist legal? Was ist legitim?

Themenblock 4:

Institutionelles Versagen bei den NSU-Taten. Systemisches Versagen. Auch Antifagruppen haben ihre durchaus Erkenntnisse zu wenig vernetzt. Zu viele Aufgaben, zu wenig Zeit/Menschen. Beispiel: Zu wenig Begleitung des NSU-Prozesses. Arbeitsteilung muss verbessert werden.

Antifarecherchen werden durchaus verwendet, trotzdem wird die Expertise nicht anerkannt. Gesellschaftspolitische Analysen werden komplett ignoriert.

Fragestellungen/allgemeine Ansätze:

Strukturen und Alltagsrassismus als Thema stärker in den Fokus nehmen. Mit Opfern reden.
Wie kann sich Antifa Gehör verschaffen? Mehr selber Akzente setzen, nicht nur reagieren. Willkommenskultur schaffen/verbessern. Mit anderen Gruppen vernetzen? Antifa/Antira-Arbeit besser vernetzen. Wie wird man mehr gesellschaftliche Linke? Sich selbst als politischen Akteur ernster nehmen. Strategischer handeln. Arbeitsprozesse verbessern. Trotz fehlender Bundesorganisation Vernetzung/Austausch autonomer Gruppen verbessern. Erweitern auf soziale Themen.

Was mich bis dahin beim Kongress bewegt (Zwischenfazit):

Positiv:

Grundsätzlich sinnvolle Veranstaltung, seit Jahren größerer Kongress dieser Art in Deutschland. Viele engagierte Menschen, nach meiner Auffassung recht gut besucht (Workshopräume sehr voll), fachlich in den meisten Fällen sehr hochwertig, interessante Vorträge, gute Einbindung des Publikums, oftmals sehr gute Moderation, wie immer bei Kongressen zu viele spannende Sachen gleichzeitig

Negativ:

Teilweise „Mackerkultur“ (mehrfach irgendwie unnötig angerempelt worden, so rücksichtsloses Verhalten nervt mich schnell), überhaupt reden auch mehr (weiße, studierte) Männer als Frauen (der Frauenanteil ist sicherlich nicht bei 50 Prozent), aber zumindest wird über quotierte Redelisten nachgedacht und gesprochen, Essen recht teuer und kaum vegan.

Ein Kritikpunkt mal extra: Mir fällt wiederum auf, dass wir bei diversen Workshops und Themen über Betroffene (Asylsuchende, Roma, von Rassismus betroffene Menschen etc.) sprechen, aber im Grunde keine Betroffenen selber zu Wort kommen oder selber Workshops/Vorträge anbieten. Generell sollte antifaschistische Politik mehr mit Betroffenen zusammen gemacht werden. Ich finde, daran könnten wir in der antifaschistischen Szene arbeiten.

Kein Fußbreit

Gegenargumentation zum Rückzug der Unterstützung des Dortmunder Bündnisses gegen Nazis „BlockaDO“

Statt einer Podiumsdiskussion zu lauschen zum Rechtsruck in Europa, war es mir zunächst ein Bedürfnis, diese innerparteiliche Farce noch einmal dezidierter zu betrachten.

Man fühlt sich in dieser Partei ja immer wieder an Diskussionen aus den 80ern erinnert.

In der Vergangenheit war es in der Partei auf Bundesebene mehrheitsfähig (mit über 2/3-Mehrheiten), dass Initiativen gegen Neonazis unterstützt werden. Dies findet sich in diesen angenommenen Anträgen:

http://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2011.2/Antragsportal/X016

https://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2011.2/Antragsportal/PA165

Weiterhin wurden Blockadebündnisse in Magdeburg und Dresden unterstützt.

Somit wurde der Konsens diesbezüglich entgegen seiner abschließenden Formulierung von Seiten des Landesvorstands NRW mit gefühlten Mehrheiten statt tatsächlichen Beschlüssen aufgekündigt. Zitat: „Fazit: Gegen einen Aufruf der Piratenpartei zu Blockaden von Nazi-Demos sprechen durchgreifende Gründe. Es gab vor einigen Wochen mal eine Art Konsens, dass die Piratenpartei zu Demonstrationen (!) gegen Nazi-Demos aufruft und es ihren Mitgliedern freistellt. Wenn die Partei es mir freistellt gegen Nazis zu demonstrieren, sich (als Privat-Person und unter Berufung auf die Gewissensfreiheit) an weitergehenden Maßnahmen zu beteiligen. Dieser Konsens würde die Interessen einer überwiegenden Mehrheit in der Partei berücksichtigen, man sollte ihn nicht ohne Not aufkündigen.“

Davon mal ab, sehe ich es eben natürlich nicht so, dass „durchgreifende Gründe“ gegen eine Unterstützung von Blockaden existieren. (Überhaupt ist die gnädige Formulierung, man dürfe ja teilnehmen, ohnehin lächerlich.)

Die Unterstützung des Landesverbandes NRW zurückzuziehen ist ein derart verheerendes Signal politisch, zumal wir hier von einer der Hochburgen der Neonazis in NRW reden mit mehreren Todesfällen und unzähligen Übergriffen durch Neonazis. Wir reden weiterhin von einer Nachfolgeorganisation des verbotenen NWDO, die nur deshalb nicht unter das Verbot fällt, weil die Partei „Die Rechte“ bereits gegründet war, als das Verbot durchgesetzt wurde. Die handelnden Personen sind aber dieselben.

Formulierungen wie diese:
„So, wie wir uns (zurecht) dagegen wenden, dass wegen ein paar Terroristen bürgerliche Freiheitsrechte aufgeweicht werden, so sollten wir sie auch nicht auf dem Altar des Antifaschismus‘ opfern.“
und natürlich die nicht fehlen dürfenden Hinweise auf „Autonome“ zeigen, worum es wieder einmal geht, nämlich um polemische Stimmungsmache wie seit Wochen. Hierbei wird nicht mal sauber aus dem Aktionskonsens oder dem Aufruf zitiert, sondern vorab diskutierte Formulierungen als Beleg verwendet, die am Ende nicht übernommen wurden. Hier die tatsächlichen abschließenden Formulierungen:

Aktionskonsens
Aufruf für den 1. Mai

Zu der unsauberen argumentativen Vorgehensweise passt auch, dass implizit unterzeichnende Gruppen als totalitär oder diktatorisch diffamiert werden.

Siehe:
„klare Positionierung“
„Die Piratenpartei Deutschland positioniert sich im §1 Ihrer Satzung und durch ihre Kernthemen eindeutig gegen faschistische und Menschenverachtende Bestrebungen. Dies ist eine klare Positionierung der Partei, welche es auch umzusetzen gilt.“ Die Piratenpartei lehnt nach § 1 ihrer Satzung nicht nur faschistische Bestrebungen jeder Art entschieden, sondern auch totalitäre und dikstatorische. Wie würde hier eine klare Positionierung bezüglich manch anderem Erstunterzeichner der Demo aussehen?“

Wen genau meint der LaVo da? Gewerkschaften, Linke, Grüne, Antifaschist*innen?

Weiterhin gibt es einen mehr oder minder lustigen Block über juristische Auslegungen. Hobbyjuristerei ist aber, wenn es um so ein ernstes Thema geht, halt nur bedingt witzig.

Mal so ein paar Beispiele für Auffassungen bezüglich Sitzblockaden:

http://www.staff.uni-giessen.de/~g11003/versr.pdf

https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20110307_1bvr038805.html

http://dortmundquer.blogsport.de/2011/08/13/auch-sitzblockaden-sind-geschuetzt-2/

Sitzblockaden sind eben auch Versammlungen. Stichwort: praktische Konkordanz.

Interessant ist auch die folgende Ansicht: „Durch Demos ändert keine Nazi seine Ansichten. Auch eine diesbezügliche Wirksamkeit von Blockaden dürfte zumindest noch nicht belegt sein.“

Da diverse Städte (Dresden, Mannheim, Magdeburg, Bad Nenndorf etc.) sehr wohl gezeigt haben, dass große, solidarische Bündnisse mit Blockaden sehr viel ändern können, ist diese obige Formulierung befremdlich. Es ist zudem so, dass weitgehend egal ist, ob ein Nazi seine Ansichten ändern. Es ist vielmehr wichtig, dass seinen menschenfeindlichen Ansichten und Aufmärschen von Gruppen von Nazis entsprechend Widerstand entgegengestellt wird. Dulden wird keinesfalls helfen. Appeasement hat in Städten wie Dortmund die Gruppierungen der Neonazis im Gegenteil erstarken lassen. Gerade Wegsehen bei zunehmendem Rassismus und anderer gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit birgt die Gefahr des Erudierens von Normen. Wo kein Widerspruch passiert, wird eine Verhaltensweise, eine Äußerung als akzeptiert angenommen. Dem ist entschieden entgegenzuwirken.

Später wird behauptet, eine Unterstützung von Blockaden sei eine Straftat. Auch dies ist polemischer Mist.

„Dass die Partei zu Straftaten aufruft und ungerechtfertigt in das Demonstrationsrecht von politischen Gegnern eingreift, ist mit der Satzung nicht zu vereinbaren.“ Als ob Nazis ein politischer „Gegner“ unter vielen wären. So wie die FDP oder die SPD.

Kommen wir zu dem auch angerissenen Aspekt der Glaubwürdigkeit.

Wiederum ein Zitat: „In der Satzung steht geschrieben, dass die Piratenpartei totalitäre, diktatorische und faschistische Bestrebungen jeder Art ablehnt. Kann man sich nun darauf zurückziehen, dass man sich ja klar positioniert hat? Meiner Meinung nach ganz klar nicht: Soll eine solche Abgrenzung nicht zu einem Lippenbekenntnis verkümmern, dann ist es geboten, dass die Piratenpartei sich zu gegebenen Anlässen (und ggf. auch darüber hinaus) sich eindeutig und aktiv (!) gegen jede Art solcher Bestrebungen wendet.“

Dazu passt nun eben nicht, dass der Landesvorstand die Unterstützung aufkündigt und damit die Distanzierung vom Faschismus zu eben jenem Lippenbekenntnis verkommen lässt.

Fassungslos.

Aktualisierung:
Der LaVo hat seine Entscheidung nochmal überdacht:
http://vorstand.piratenpartei-nrw.de/?p=817

(Persönliche Anmerkung: Ich bin darüber froh, bin aber trotzdem unsicher, inwieweit das die Piraten NRW als Bündnispartner beschädigt hat. Ich weiß nicht, ob wir in der linken Szene (über Einzelpersonen hinaus) so überhaupt noch als verlässlich angesehen werden können.)

Ursprünglicher Artikel:

Da fehlen einem die Worte.

Der Landesverband NRW der Piratenpartei zieht seine Unterstützung des Bündnisses gegen Nazis in Dortmund „BlockaDO“ zurück.

https://lavoteam.piratenpad.de/2014-04-10-Sitzung
(Ab Zeile 413)

Angesichts eines zunehmenden Rechtsrucks in Europa und vor einer entsprechenden Wahl im Mai halte ich das für ein gefährliches Zeichen.

Ich bin zwar froh, dass der BuVo stattdessen seine Unterstützung zugesagt hat. Diesen Antrag hatte ich gestellt im Wissen um den Antrag an den Landesvorstand NRW. (http://verwaltung.piratenpartei.de/issues/4349)

Für die Menschen in Dortmund, die sich lange für diese Vereinigung der verschiedenen Bündnissen eingesetzt haben, ist dies aber ein Schlag ins Gesicht.

Machen wir uns das mal klar. Wir reden hier von Neonazis, die schon Menschen umgebracht haben, die wieder und wieder Menschen bedrohen. Die durch die Straßen ziehen mit Parolen wie „Wir putzen unsere Stiefel mit dem Blut der Antifa.“ Wir reden von der Nachfolgeorganisation des verbotenen NWDO.

Ich bin traurig und fassungslos. Und ich weiß nicht, welche Schlussfolgerung ich daraus ziehen soll. Für die anstehende Wahl, aber auch für meine Parteimitgliedschaft. Vorstellen könnte ich mir einen Wechsel des Landesverbandes nach Sachsen oder Berlin. Das ist auch mit Erhalt des Mandats möglich.