Archiv für den Monat: August 2013

Nazidemo, Dortmund, 31.8.

Wie ihr wisst, laufen die Nazis am Samstag durch Dortmund.

Die Marschroute führt durch die östliche Innenstadt (Gerichtsstraße, Hamburger Straße, Von der Goltz-Straße, Im Defdahl, Deggingstraße, Karl-Marx-Straße, Feldstraße, Heiliger Weg, Ernst-Mehlich-Straße) und endet wohl im Stadewäldchen. Direkt gegenüber (Märkische Straße 64) befindet sich die Geschäftsstelle der Piraten in Dortmund.

Da die Piratenfraktion am Samstag um 14 Uhr dort eine Fraktionssitzung abhalten möchte, laden wir alle am Protest gegen diese Provokation interessierten Demokrat*innen und Antifaschist*innen ab 10 Uhr zum Brunch in unsere Geschäftsstelle. Für das leibliche Wohl und spannende Unterhaltung ist gesorgt. (Ihr dürft gerne noch vegane und andere Speisen mitbringen.) Wir bitten um frühzeitiges Erscheinen, da der Zugang zum Büro aufgrund möglicher Polizeisperren nicht durchgängig gewährleistet werden kann.

(Hinweis: Die Toilette im Büro ist leider nicht barrierefrei, sondern kann nur über eine Treppe erreicht werden.)

In den Peschen, Duisburg, Augenzeugenbericht vom 23.8.

Ein Freund von mir war in der Nacht vom 23. auf den 24.8. vor Ort in Duisburg. Hier sein Bericht:

„Nachdem die WAZ bzw. derwesten.de einen von vorne bis hinten erfundenen Polizeibericht veröffentlicht hat, möchte ich doch mal die letzte Nacht aus meiner Sicht wiedergeben:
Ich beteilige mich erst seit Donnerstag an den Nachtwachen, war am Freitag also das zweite Mal dabei. Ich habe mich auf eine ruhige Nacht eingestellt. Ich habe Decken, Getränke, Süßigkeiten einen Feuerlöscher und Spiele eingepackt. Als ich um 19:30 am Gebäude „In dem Peschen 3-5“ ankam, war die Stimmung jedoch deutlich angespannter als in der Nacht davor. Es fand in der Nähe gerade eine Versammlung des Vereins „Bürger für Bürger“ statt und es wurde befürchtet dass es im Anschluss zu Übergriffen gegen das Haus kommen könnte. Twitternachrichten aus der Versammlung wie „90% der Leute pöbeln rum, rassistische Aussagen ohne Ende.“ und „Der deutsche Mob tobt.“ untermauern diese Befürchtung. Es treffen immer mehr Menschen ein, die helfen wollen, das Gebäude und die Bewohner vor Übergriffen zu schützen. Darunter auch zwei junge Männer, die im späteren Verlauf noch verhaftet werden. Es gehen Gerüchte um, dass Nazis bereits in den umliegenden Straßen gesichtet wurden und es auch schon zu einem Übergriff gekommen sein soll.

Gegen 21 Uhr kommt eine Gruppe von der Bürgerversammlung zurück und berichtet von der Stimmung dort. Sie wirken verängstigt. Sie berichten, dass ihnen das Wort verboten wurde, Menschen körperlich von Wortmeldungen zurückgehalten wurden. ProNRW-Personen, Menschen die eindeutig der Division Duisburg zuzuordnen waren und offensichtliche Neonazis sollen anwesend gewesen sein. Die Menschen haben die Sitzung verlassen und wurden bis zum Auto verfolgt.

Um vorm Gebäude für Ruhe zu sorgen und um in einem Plenum zu besprechen wie weiter vorgegangen wird, wird beschlossen, dass nur ein paar Leute am Gebäude bleiben, um notfalls die Polizei zu rufen und der Rest der Helfer sich zu dem ca. 200m entfernten Gebäude des alten Mädchengymnasiums begibt, um dort in Ruhe ein Plenum abzuhalten.

Zurück am Gebäude „In dem Peschen 3-5“ bleiben die beiden Personen, die später verhaftet werden.

Vor dem alten Mädchengymnasium werden wir von einer kleinen Gruppe angesprochen, die uns entgegen kommen. Die Menschen sind sehr aufgeregt und berichten von einer gerade eben stattgefundenen Auseinandersetzung in der Nähe. Der genaue Ort der Auseinandersetzung erschließt sich mir aus den Berichten nicht. Es wurde wohl eine Gruppe, die von den Berichtenden dem Antifa-Umfeld zugeordnet wurden, von „bürgerlichen“ Menschen angepöbelt. Es kam zu Handgreiflichkeiten incl. Pfefferspray. Wer was gegen wen wie einsetzte erschloss sich mir aus den Berichten nicht.
Es kann jedoch als sicher erachtet werden, dass die beiden Menschen, die später verhaftet wurden, sich zu dem Zeitpunkt der Auseinandersetzung vor dem Gebäude „In den Peschen 3“ befanden, um es zu bewachen.

Im Plenum wird nun das weitere Vorgehen für die Nacht besprochen. Um 22:10 geht eine kleine Gruppe vom Plenum zum Gebäude „In den Peschen 3“, da mit den Bewohnern vereinbart war, dass um 22 Uhr ein Plenum mit Ihnen stattfindet, um die kommende Nacht zu besprechen.
Um 22:15 fährt ein großes Aufgebot der Polizei an uns vorbei zum Gebäude „In den Peschen 3“. Wir warten weiter am Mädchengymnasium. Berichte erreichen uns telefonisch, dass wahllos Wohnungen gestürmt, Kinder aus den Betten gerissen, Pfefferspray eingesetzt wird. Eine hochschwangere Frau muss mit dem Notarzt zum Krankenhaus gebracht werden. Ein Kind soll sich gewehrt haben und verhaftet worden sein. Der Vater, der dem Kind helfen wollte, wurde ebenfalls verhaftet. Die Bewohner sollen von der Polizei in rassistischer und sexistischer Weise bedroht und beleidigt worden sein.

Es werden direkt zu Beginn auf dem Gehweg die beiden Menschen verhaftet, die als Wache zurückgeblieben waren. Laut dem WAZ-Bericht wird ihnen vorgeworfen, Menschen, die aus der Bürgerversammlung kamen, angegriffen zu haben. Weiterhin behauptet die Polizei der WAZ gegenüber, dass die Personen ins Gebäude geflohen wären und deswegen die Polizei die Razzia durchgeführt habe. Fakt ist jedoch, dass die beiden Personen seit Stunden an der Ecke des Gebäudes standen, nicht mal in der Nähe des Eingangs und an dieser Ecke auch direkt verhaftet wurden.

Gegen 0 Uhr ist die Polizei wieder vollständig vom Gebäude „In den Peschen 3“ abgezogen. Eine Streife wurde zum Schutz nicht abgestellt. Nachdem einige Menschen, die schon länger die Nachtwache mitmachen, mit den Bewohnern gesprochen haben, wurde die Nachtwache eingeteilt. Ich bin tief beeindruckt von der Herzlichkeit, mit der die Bewohner uns direkt mit Tee empfingen. Die Bewohner waren sichtlich dankbar über unsere Anwesenheit.

Der Rest der Nacht blieb abgesehen von einem Flaschenwurf aus einem fahrenden Auto und besoffenen Pöbeleien eines Anwohners relativ ruhig. Die Polizeistreifen fuhren ca. alle halbe Stunde um das Gebäude. Gegen 3 Uhr wurde die Gruppe am Hofeingang von der Polizei angesprochen, weil es wohl Anzeigen gab, dass ein Rollerfahrer vom Gebäude aus mit einer Flasche beworfen wurde sowie dass Menschen, die aus einem Taxi stiegen bedroht und verfolgt wurden. Die Polizei räumte jedoch selbst ein, dass sich beide Vorfälle zu Zeiten ereignet haben sollen, zu denen die Polizei gerade selbst mit einem Streifenwagen vor Ort war.

Alles in allem hat mir der heutige Abend gezeigt, dass die Polizei in den Bewohnern des Gebäudes „In den Peschen 3“ nicht Opfer, sondern Täter sieht. Es geht nicht darum, Übergriffe auf das Gebäude zu verhindern, sondern die Bewohner zu diskriminieren und zu kriminalisieren. An einen Schutz des Gebäudes durch die Polizei ist damit auch mittelfristig nicht zu glauben.
Ehrlich gesagt glaube ich nicht mehr daran, dass es langfristig möglich sein wird, einen Anschlag auf das Gebäude zu verhindern.“

In den Peschen, Duisburg

Über die Häuser „In den Peschen 3-5“ in Duisburg ist tatsächlich schon viel geschrieben worden. Ich greife das Thema trotzdem auf, weil ich nicht sicher bin, wie weit sich meine geneigten Leser*innen damit schon beschäftigt haben.

Die von einem Mann aus dem Rotlichtbereich vermieteten Wohnungen würden normalerweise Platz bieten für ca. 300 Menschen. Es gibt Schätzungen, dass derzeit aber über 1000 Menschen dort unter sehr schwierigen Bedingungen leben müssen.

Proteste von Anwohner*innen hat es schon sehr lange gegeben, die erschreckend schnell zu unreflektierter rassistischer Hetze wird. (Wer gute Nerven hat, möge die derzeit noch offene Facebookgruppe aufsuchen. Dort findet sich neben dem üblichen „Meinungsfreiheits“-Gerede und „Das wird man doch noch sagen dürfen“ auch die Bezeichnung „Gutmenschen“ für diejenigen, die derzeit dort zum Schutz der Bewohner*innen Nachtwachen organisieren. Die rassistische „Mitte der Gesellschaft“ schreibt dort durchaus unverhohlen unter richtigem, komplettem Namen.) Gegen die offenen Aufrufe zum Angriff wird zwar ermittelt, jedoch zeigt sich dort, dass es „ganz normale“ Menschen sind, die dies ganz offen unterstützen. Alltagsrassismus eben.

Ja. Es gibt Kriminalität in den Häusern vor Ort. Das führt aber gerade auch unter vielen Bewohner*innen zu Streit. Viele Familien wollen eben nicht in die Kriminalität abrutschen. Sie wollen, dass ihre Kinder zur Schule gehen. Sie wollen eine faire Chance. Dort bekommen sie keine. Es werden also dringend Wohnungen gesucht. (Die rechtliche Situation, was Arbeit angeht und Kindergeld etc. ist zudem nicht wirklich unterstützend. Im Grunde sind diese Menschen hier nur so gerade geduldet. Willkommen ist echt etwas anderes.)

Ich verlinke nur einen Artikel: http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/duisburger-organisieren-nach-hetze-gegen-auslaender-nachtwache-id8338177.html

Die Presse trägt leider seit Monaten zur ohnehin aufgeheizten Stimmung bei, denn Titel wie „Roma-Haus“ fördern den Alltagsrassimus in der Gesellschaft. Der obige Artikel fasst aber die aktuelle Situation zumindest einigermaßen treffend zusammen.

Ich war gestern auch für einige Stunden bei der Nachtwache. Ich bin sehr beeindruckt zum Beispiel von Annegret Keller-Steegmann. Die Lehrerin organisiert viel vor Ort. Kulturprogramm für die Kinder (zum Teil gegen die bürokratischen Hürden der Stadt). Sie kennt viele Bewohner*innen. Als wir dort ankommen, erzählt sie uns von den Zuständen im Haus und führt uns durch das Gelände. Im Hof stehen drei Müllcontainer. Das ist natürlich viel zu wenig für die vielen Bewohner*innen. Deshalb ist der Müll darum herum verteilt. Die vielen Ratten verteilen den Müll weiter. Und werden mehr. Überall laufen sie herum. Ein wahrlich hoffnungsloser Ort.

Aber da ist auch noch die andere Seite: Die vielen freundlichen Menschen. Die Bewohner*innen, die uns in ihren Wohnungen zur Toilette gehen lassen. Die kaum selbst etwas haben, uns aber Kaffee und Kaltgetränke bringen. Ich spreche kaum Französisch oder Spanisch, aber trotzdem verständigen wir uns irgendwie. Und von deren Gastfreundlichkeit und Liebenswürdigkeit unter diesen widrigen Bedingungen bin ich so gerührt für einen Moment, dass ich hätte heulen können.

Weiterhin macht Hoffnung, dass die gesamte Nacht über 30-40 Menschen vor Ort Wache halten.

Die Nacht verläuft weitgehend ruhig. Die Polizei ist allerdings leider kaum präsent. Ein Mal sehe ich eine Streife um den Block fahren, ein weiteres Mal kommt ein Polizeiwagen, weil er einen anderen Wagen verfolgt und anhält (vermutlich wegen Fahrt unter Alkohol).
Wesentlich öfter fahren Autos mit Nazis vorbei. Manche mehrfach. Manche mit rechten Aufklebern darauf. Oft viel zu schnell. Mit aufheulenden Motoren und Drohgebärden. Es zeigt, dass die Nachtwachen nötig sind, solange die Polizei dort nicht vor Ort bleibt in der Nacht. Für die kommende Nacht wurde dies angekündigt. Ich hoffe, dass dies wahr gemacht wird, denn viele Menschen haben bereits mehrere Nächte in Folge dort verbracht, um die Bewohner*innen vor Übergriffen zu schützen.

Wenn ihr also helfen wollt: lest den Twitteraccount @indenpeschen und die Texte auf der Seite: http://indenpeschen.blogsport.de/
Hilfreich für die Teilnahme an den Nachtwachen oder weitere Vernetzung ist eine kurze Mail. Die Bewohner*innen und auch die Helfer*innen vor Ort sind zu Recht sehr misstrauisch derzeit, weil sie schlicht Angst um ihr Leben haben.

Open Mind 2013

Vom 23.-25. August kommen zum vierten Mal Netzphilosoph*innen, Aktivist*innen, Sympathisant*innen und Kritiker*innen der Piratenpartei zur openmind-Konferenz in der Jugendherberge in Kassel zusammen. Unter dem Motto „Challenge accepted“ wird in Vorträgen, Workshops und einem Barcamp über politische und gesellschaftliche Visionen für die vernetzte Welt diskutiert.

Die breite Themenauswahl geht von der Wirksamkeit von Politik oder der Veränderung der Demokratie über die Wirkung von Sprache, über Cyborgs, #aufschrei, Demonstrationen bis zum Anarchismus und bietet daher erstmals in drei Räumen parallel unterschiedlichste Ansätze, die mögliche Gestaltung der Gesellschaft innerhalb und außerhalb des Netzes zu diskutieren.

Die Veranstaltung ist wie die letzten Jahren bereits im Vorfeld ausverkauft. Die Konferenzbeiträge können aber natürlich live im Internet verfolgt werden.

Pressevertreter*innen sind Samstag herzlich willkommen. Wir bitten um Anmeldung unter 0177/7792284.

Link zum Programm: https://pentabarf.junge-piraten.de/fahrplan/om13/
Den Stream finden Sie am Samstag und Sonntag auf der Homepage der openmind: http://13.openmind-konferenz.de/live/

„Dann geh doch zu den Grünen…“

Der Aufreger der Woche ist also der „Veggieday“, auch bei Piraten.
(Via Twitter wird darüber diskutiert, warum sich vorwiegend Männer über den Vorschlag aufregen. Das können wir dann gerne mal an anderer Stelle diskutieren (oder in den Kommentaren.))

Es wird gegen „Bevormundung“ aufbegehrt. Nochmal langsam. Ich habe keinen Gesetzentwurf gesehen. Ich verstehe das als (durchaus diskussionswürdigen) Vorschlag.

Ich denke, wir können durchaus mal hinterfragen, wie Fleisch so produziert wird, wie Tiere in Massentierhaltung leben. Warum also nicht darüber diskutieren? Es scheint jedenfalls ein allseits sehr emotional besetztes Thema zu sein (ähnlich wie Rauchen oder Tempolimit auf Autobahnen?)

Gibt es dazu eigentlich auch was von den Piraten?

Ja! Zum Beispiel im Wahlprogramm:
https://www.piratenpartei.de/politik/wahl-und-grundsatzprogramme/wahlprogramm-btw13/umwelt-und-verbraucherschutz/#wahlprogramm-umwelt-landwirtschaft-tierproduktion
„Wir lehnen eine industrielle Massentierhaltung ab.“

Dann wird man also in der Konsequenz auch mal über die Menge des Fleischkonsums in Deutschland diskutieren müssen. Hierzu mal ein paar Zahlen via Statistisches Bundesamt:
(Während im Jahr 2011 die Fleischproduktion zunahm, ging im Jahr 2012 erstmals seit 1997 zurück. Ist doch ein Anfang.)

Es gibt sogar eine recht deutliche Abstimmung via lqfb , in der sich 339 Pirat*innen mit 83 Prozent für ein „Umdenken beim Konsum von Lebensmitteln“ entschieden haben. Der „Veggie-Donnerstag“ wird hierbei explizit als Beispiel genannt.

In NRW steht in der Kantinenverordnung: „Das Essen soll aus Fleisch, Gemüse, Kartoffeln oder anderen gleichwertigen Nahrungsmitteln bestehen.“

Das ist doch zumindest überholt. Es wäre also ein Anfang, wenn hier mal deutlich würde, dass ein vollwertiges Essen keinesfalls notwendigerweise Fleisch enthalten muss und jede Kantine mindestens ein vegetarisches und veganes Essen parallel anbieten würde (welches nicht jeden Tag nach undefinierbarem Bratling schmeckt).

Ebenfalls sinnvoll finde ich, dass Menschen generell wieder mehr Bezug zu dem auf dem Teller bekommen sollten. Wer war denn alles schon mal in einer Mastanlage? Oder im Schlachthaus? Es geht nicht darum, Menschen zu bevormunden. Aber es geht darum, den Dingen (den Tieren) wieder einen Wert zu geben.