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It’s not over – Besetzung der Hauptschule Bärendelle in Essen

Von ungefähr Sonntag Nacht/Montag früh an hatte eine Gruppe junger Menschen (Plenum Bärendelle) das seit einigen Jahren leer stehende (und mangels Investor langsam verfallende) Gebäude der Hauptschule Bärendelle in Essen besetzt.

Heute früh erfolgte die Räumung durch ein massives Aufgebot an Polizei.

Ich habe seit Montagnachmittag viele Stunden vor Ort verbracht. Aus mehreren Gründen:
Ich fühle mich der Antifa verbunden.
Ich bin der Auffassung, dass es dem Ruhrgebiet gesamt sehr gut tun würde, alternative, selbstverwaltete Projekte für Menschen zu fördern.
Ich kann mir vorstellen, dass eine Stadt ein leer stehendes Gebäude für eine Zwischennutzung frei gibt.

Was ich vor Ort erlebte:

Die Menschen dort waren allesamt friedlich und politisch hoch engagiert. Ich habe Gespräche verfolgt über feministische Sicht auf Filme, über Literatur und Kunst. All das gibt mir das Gefühl: Das sind Menschen, die das Zeug hätten, ein kulturelles, bildendes, politisches Projekt zu initiieren und zu betreiben. Die Atmosphäre dort war sehr angenehm. Musik, Kerzen, Gespräche. Und der einende Wunsch nach einem Ort, der dafür auch weiterhin verwendet werden kann.

Auf Twitter wurde mir vereinzelt „fehlendes Unrechtsbewusstsein“ vorgeworfen. Es gehe nicht, dass Menschen sich „ein Objekt der Begierde“ einfach nehmen würden. (Dass gerade „Piraten“ das so sehen, entbehrt nicht einer gewissen Komik.)

Ich bin etwas anderer Ansicht. Sicher. Es ist strafrechtlich relevant, in das Eigentum der Stadt Essen einzudringen. Auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass es durchaus ein wirkungsvoller Protest war, um auf Missstände aufmerksam zu machen (mit friedlichen Mitteln). Ich war selber nicht im Gebäude und kann also nichts dazu sagen, ob es dort Sachbeschädigungen durch die Besetzer*innen gegeben hat. Allerdings habe ich die staatlich legitimierte Sachbeschädigung durch die Polizei am Eingangsbereich gesehen und deren Kettensägen etc.

Ich war heute Nacht vor Ort. Der Abend verlief wie zuvor friedlich und entspannt. (Man mag darüber streiten, ob es sinnvoll ist, laute Musik zu hören nachts im Park vor der Schule, weil ich es taktisch nicht klug finde, die Anwohner*innen zu verärgern. Aber das waren nicht unmittelbar die Menschen vom Plenum Bärendelle, sondern nach meiner Wahrnehmung eher solidarische Gruppen im Park.)

Gegen Ende der Nacht gab es dann zunehmend Berichte darüber, dass die Polizei die Schule bald räumen würde. Ein Räumpanzer fuhr dann auch mal vorbei (zunächst zum Bahnhof dort, wo sich die Polizeikräfte sammelten.) Wie vermutet wurde es dann gegen 6 Uhr ernst. (Meine Nachfrage ob einer bevorstehenden Räumung wurde aus „polizeitaktischen Gründen“ von den dann kurze Zeit später abgezogenen Polizist*innen direkt vor Ort nicht beantwortet.)

Die Räumung:

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Die Polizei fuhr mit allerlei Gerät auf. Ich habe die Menge der Polizist*innen und Fahrzeuge plus Räumpanzer plus Hunde als recht bedrohlich und übertrieben empfunden. Es gab drei ähnlich lautende Ansagen durch die Polizei, bevor dann geräumt wurde. Den Besetzer*innen wurde dabei bewusst über den Mund und in ihre Erklärung gefahren. Menschen nicht ausreden zu lassen, ist auch Demonstration von Macht. Gleich zu Beginn haben Polizist*innen mit Helm etc. solidarische Menschen auch gleich mal aus dem Weg geschubst.

Zu mir war die Polizei weitgehend freundlich. Ich musste zwar gefühlte x Male meinen Ausweis zeigen, wurde aber dann auch im gesperrten Bereich toleriert. Bis eine Polizistin kam und mich gar nicht ausreden ließ. Sie hat mich hinter die Absperrung verwiesen, weil ich dort in ihrem Arbeitsbereich stehen würde. (Ich stand neben dem Zaun zum Sportplatz in sicherer Entfernung zum Eingang. Da war also kein direkter Arbeitsbereich.) Sie hat zur Kenntnis genommen, dass ich MdL bin und argumentiert, sie könne meine Anwesenheit dort nicht rechtfertigen vor den Menschen, die hinter der Absperrung bleiben müssten. Ihre vermummte Kollegin hat es dann aber gar nicht mehr mit Reden versucht, sondern mich einfach gewaltsam Richtung Absperrung gedrängt. Meinen rechten Arm hat sie auch nach mehrfacher Aufforderung (auch durch ihre Kollegin) nicht losgelassen. (Ich denke, dass jemand hinter mir das gefilmt haben müsste.) Ich selber habe mehrfach gesagt, dass ich Mitglied des Landtages sei und sie kein Recht hätten, mich dort wegzudrängen. Ich habe den Ausweis der Polizistin auch nach mehrfacher Aufforderung nicht zu sehen bekommen. Den Namen habe ich. Ich habe kein Interesse, das weiter zu verfolgen, aber interessant war, zu sehen, wie viel Spaß die Dame an dem Machtkampf hatte. Ich bin nach der Auseinandersetzung wieder nach vorne in die Nähe der Eingangstür gegangen. Ich spiele solche Privilegien nicht gerne aus. Aber an der Stelle ist es vielleicht auch einfach wichtig, Präsenz zu zeigen. Zu zeigen, dass die Polizei auch beobachtet wird. Zu zeigen, dass es mich interessiert, wie bei einer Räumung mit Menschen umgegangen wird.

Irgendwann dann kamen wohl auch Vertreter*innen der Stadt (Frau Kern? und weitere mir nicht bekannte Personen, die zum Teil auch mit der vor Ort anwesenden Presse sprachen.)

Was mich traurig macht: Formulierungen wie „Die Stadt will“, „Der Stadt gehört“ etc. Solche Formulierungen nehmen Beteiligten die Verantwortung. Da steht dann kein Mensch direkt hinter, sondern ein wenig greifbares Kollektiv. Zudem hätte ich es mutiger gefunden, wenn Vertreter*innen der Stadt den Kontakt mit den Menschen vom Plenum Bärendelle gesucht hätten (und zwar ohne Polizeischutz). Nach meinem Kenntnisstand ist das bis zuletzt nicht wirklich passiert. Man mag darüber streiten, ob es von Seiten der Besetzer*innen klüger gewesen wäre, selber offensiver den Kontakt zu suchen. Eine Mail zu schreiben, sollte aber auch von Seiten der Stadt möglich sein. Ebenfalls wenig glaubhaft fand ich die Begründung der Stadt beim Abstellen des Wassers. (Diese kenne ich allerdings nur aus Gerüchten.) Zu sagen, man hätte das gemacht, weil das Gebäude nicht mehr genutzt würde, ist zu wenig klar. Im Grunde ging es doch darum, den Besetzer*innen das Leben schwer zu machen im Haus, weil sie dort nicht erwünscht waren.

Ich finde zusammenfassend, dass sich der Protest gelohnt hat. (Und ja: Ich finde die Menschen, die das organisiert haben, mutig.)

Was nun?

Ich wünsche mir aber, dass es nun nicht vorbei ist. Ich habe die Hoffnung, dass jetzt Gespräche aufgenommen werden, die vielleicht sogar die Nutzung eines Gebäudes der Stadt für ein Autonomes Zentrum ermöglichen. Ich behaupte, damit wäre allen geholfen: Den Menschen, die sich politisch engagieren und Kunst und Kultur organisieren wollen. Der Stadt, die damit neue Freiräume schaffen könnte. Und dem Ruhrgebiet, dem viele Freiräume für derlei fehlen. In allen Städten.

Ausdrücklich loben möchte ich die Berichterstattung von Stefan Laurin und Team via Ruhrbarone, die sehr viel vor Ort waren.

Demo:

Heute (Mittwoch, 24.7.) findet um 18. 00 Uhr eine Demo am Bahnhof Essen-West statt. Nehmt teil, seid bunt und laut und friedlich.

Fraktionssitzung 25.09.

Mal kurz meine Darstellung zur Fraktionssitzung am Dienstag. Für Twitter ist das dann irgendwie doch zu lang.

Ich ärgere mich durchaus ein wenig über mich, weil ich nicht klar Stellung bezogen habe in der Angelegenheit.

Da ich beim Nichtraucherschutzgesetz eine andere Meinung als die Mehrheit (und die Basis) vertrete und auch beim Gesetz entsprechend abstimmen werde, halte ich mich aus den Aktionen heraus. Ich bin nämlich für das Gesetz. Bei dem Antrag von Dienstag habe ich mich deshalb enthalten. (Ich will und kann niemanden abhalten, Anträge zu stellen.) Schlecht war eventuell, dass ich mich auch bei der Abstimmung, ob das öffentlich diskutiert werden soll, enthalten habe. Ich war unsicher, weil die Mehrheit sich so sicher war, dass das sein muss. Ich bin nicht für so taktische Spiele, hatte aber nicht den Mut und die Nerven, mich dagegen zu äußern. Der Umgangston gelegentlich in der Fraktion hat mich auch etwas zermürbt, so dass ich vielleicht zu oft einfach nichts mehr sage.

Hinzu kam, dass es wohl technische Probleme mit dem Internet/dem Stream gab. Inwiefern die lösbar gewesen wären, kann ich nicht beurteilen.

Dass es kein Protokoll von dem Teil gibt, wusste ich nicht. Das finde ich auch sehr ärgerlich. Dies hatte ich bereits bei der Diskussion zur Steuer-CD kritisiert.

Ich denke, wir werden hoffentlich daraus lernen. Ich sehe, außer bei Personalfragen, kaum Grund für nicht öffentliche Teile.

Mein Besuch im Trebe Café

Auf der Suche nach Möglichkeiten, mein Geld aus der Tätigkeit als Landtagsabgeordnete sinnvoll unterzubringen, bin ich bei betterplaces.org recht zufällig auf diese Einrichtung gestoßen: http://www.betterplace.org/de/projects/73-trebecafe-fur-obdachlose-madchen

Hier deren Homepage: http://www.trebe-cafe.de/

Ich habe sehr spontan eine Mail an die Leiterin der Einrichtung, Frau Wenzel, geschrieben, weil ich mir gerne ein Bild vor Ort machen wollte. Letzten Mittwoch war ich nun dort. (Ich habe aber den Text Frau Wenzel vor Veröffentlichung gezeigt. Deshalb dauerte es etwas.)

Vorab: Ich bin sehr berührt. Ich musste immer mal während des Gesprächs gegen Tränen kämpfen, weil mir nahe kommt, worüber wir dort gesprochen haben.
Frau Wenzel hat sich sehr viel Zeit genommen für mich. Sie hat mir das Haus gezeigt, aber auch ein wenig erzählt von den Mädchen und jungen Frauen, die dorthin kommen. Obdachlose Mädchen, teilweise sehr jung, in vielen Fällen mit schrecklichen Erfahrungen. Opfer von Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt. Drogensüchtige. Junge Frauen, die am Rande unserer Gesellschaft leben (müssen). Die, bei denen sonst gerne weggesehen wird.

Die meisten davon brauchen Raum, Zeit, um sich zu fangen, um sich zu entwickeln. Mehrere haben obdachlos Abitur gemacht! Es ist also nicht so, dass sie nicht wollen, wie gerne behauptet wird. Die Drogen sind ein Problem, aber weit mehr die verdreckten Drogen und der Kampf um deren Beschaffung, einschließlich Prostitution.

An dieser Stelle muss es auch immer wieder um Legalisierung von Drogen gehen. Warum? Weil die Kriminalisierung alles noch schlimmer macht. Menschen, die Drogen brauchen, bekommen diese. Irgendwo. Mit all den Folgen, die eine Legalisierung mildern könnte.

Das Trebe-Café bietet den Mädchen den benötigten Raum für ein paar Stunden. Raum zum Baden, Duschen, Umziehen. Raum zum Essen, Reden, Aggressionen abbauen oder für Nähe. Raum, um zur Ruhe zu kommen. Um wieder zu wenigen Menschen ein wenig Vertrauen aufzubauen. Theoretisch wäre auch Raum vorhanden, um mal dort übernachten zu können. Hierfür fehlt aber leider auch Geld für Betreuung. Gerade nachts können all die Dämonen zurückkommen, die einen verfolgen. Dafür braucht es dann Ansprechpartner, die derzeit nicht bezahlt werden können.

Ich habe es als sehr gemütlich, sauber, freundlich empfunden im Trebe-Café. Man sieht gleich, dass viele Menschen da viel Herz hineinstecken mit Arbeit, Spenden, Hilfe.

Ich habe es immer gut gehabt im Leben. Einen vollen Kühlschrank. Eine Mutter, die viel gearbeitet hat, um mir ein schönes Leben zu ermöglichen. Weg von den Abgründen bin ich trotzdem nicht immer gewesen. Ein sehr sensibler Mensch aus meinem Freundeskreis hat sich mit Heroin umgebracht. Ich habe viel gesehen. Letztendlich habe ich immer die „richtigen“ Entscheidungen getroffen. Nichtsdestotrotz weiß ich, welche Emotionen einen in welche Desaster stürzen können. Auch aus eigener Erfahrung. Ich bin manchmal so dankbar für mein kleines, bescheidenes Leben, dass ich gerne etwas zurückgeben möchte. Und zwar gerade für die Menschen, für die es nicht so rund läuft.

Ich habe meine Arbeit als Lehrerin, auch als Beratungslehrerin, geliebt. Vor allem eben auch den Umgang mit den „schwierigen“ Menschen. Wie viel bekommt man zurück, wenn man sich Zeit nimmt für die Geschichten dahinter….

Ich möchte meine Arbeit im Landtag sinnvoll nutzen. Ich möchte an Stellen helfen, wo es wirklich Not gibt. Vielleicht interessiert mich deshalb die Diskussion über die Steuer-CD gerade nicht so, weil ich mich eher bei den Menschen sehe. Bei denen, die es schlechter haben als ich. Das mag ein Tropfen auf den heißen Stein sein und es gibt endlos viele Projekte, für die man sich engagieren kann, aber irgendwo kann ich vielleicht anfangen, etwas zu bewirken. Und sei es „nur“, zuzuhören. Ich möchte den Kontakt nicht verlieren zum „echten“ Leben. Zu den Menschen auf der Straße mit richtig existentiellen Problemen.

Ich weiß, die Bundespartei braucht auch dringend Geld. Trotzdem habe ich derzeit mein freies Geld lieber in solche Projekte gesteckt. Darüber muss ich nochmal nachdenken und werde es an anderer Stelle gerne diskutieren.

Zurück zum Trebe-Café: So eine Einrichtung bekommt Geld von der Stadt. Trotzdem fehlt es an allen Ecken. Es gibt einige Kräfte, die bezahlt werden. Ein großer Teil der benötigten Mittel wird aus Spenden generiert. Das können auch Kleinigkeiten sein: Kleidung für die Mädchen zum Beispiel. Derzeit fehlt leider auch das Geld für eine Kunsttherapeutin. Hier wäre auch eine ehrenamtliche Tätigkeit denkbar. Vielleicht kennt jemand von euch jemanden…. Manchmal hilft da dieses Internet doch weiter;-)

Weiterhin ist eine solche Einrichtung mit unendlich viel Verwaltungsmist beschäftigt. Ich möchte an der Stelle zumindest mal mit der Arge kommunizieren. Es wäre einfacher für die Mitarbeiter der Einrichtung, wenn sie eine feste Ansprechpartnerin hätten, die ihnen die Zeit des Wartens vor Ort ersparen könnte mit festen Sprechstunden direkt in der Einrichtung. Gerade die Zeiten der Angestellten der Einrichtung kosten ja richtig viel und so könnte deren knappe Zeit besser für andere wichtige Tätigkeiten für die Mädchen genutzt werden.

Wie soll es weitergehen:
Ich werde eventuell mal mit der Streetworkerin nachts mitgehen dürfen. Dort mitzubekommen, was nachts in der Stadt passiert, würde ich als bereichernd empfinden. Sicherlich kann das auch belasten, aber ich will nicht wegsehen. Das tun schon zu viele….

Frauenpolitik

Ich bin da so hineingeraten. Ist ja nicht unbedingt ein Thema, was bei den Piraten -zumindest in NRW- wirklich bearbeitet wird. Ich fühle mich da ziemlich alleine. Es wird also deshalb eher ein persönlicher Artikel. Es besteht zudem die Gefahr, dass ich diverse Themen vermische. Ich bitte, das zu entschuldigen. Es ist mehr mein Brainstorming zum Thema. Stream-of-consciousness. Kommentare zum weiteren Nachdenken ausdrücklich erwünscht. Und Hilfe. Und Unterstützung. Und Geduld. Und Flausch. Was immer ihr so anbieten könnt.

Ich ertappe mich durchaus dabei, wie ich mich darüber ärgere, dass das Thema Frauenpolitik mehrfach auf der Seite der Fraktion schlicht vergessen wird, sei es bei Ausschreibungen oder bei den Sprechern. Es gibt mir immer wieder das Gefühl, das sei ja nicht so wichtig.

Ich fühle mich zudem wirklich unsicher. Ich habe Berge von feministischer Literatur hier liegen und gerade mal angefangen, zu lesen. Wie viel Hintergrundwissen muss ich denn jetzt haben, um überhaupt eine fundierte Aussage machen zu können, bei der ich nicht gleich zerrissen werde?

Ich fürchte, ich habe viele Begriffe gar nicht so drauf, wie ich müsste.

Ich diskutiere an diversen Stellen und mir wird vermittelt, dass ich da etwas falsch mache. Zum Beispiel bei der Diskussion mit @riotmango über das Privileg von Heteros, in der Öffentlichkeit knutschen zu können, ohne dass man blöd angelabert/diskriminiert wird.

Ich gebe zu, in den meisten Jahren meines Lebens habe ich alle Privilegien, die ich habe, wirklich wenig hinterfragt. Erst einmal habe ich ja auch den gesellschaftlichen Normen entsprochen. Ich habe zu Beginn heterosexuelle mononormative Beziehungen geführt. Sogar über viele Jahre. (Bis ich ausgebrochen bin aus dem Muster, was ich selber als sehr schmerzhaft empfunden habe und mein damaliger Freund vermutlich noch mehr.) Vieles davon, weil ich es nicht besser wusste. Weil ich zwar ein Gefühl davon hatte, dass ich da nicht reinpasse, aber es hat Jahre gebraucht, bis ich zum Beispiel das Selbstbewusstsein hatte, offen polyamor zu leben. (Und rede mal über sowas in einer durchschnittlichen Schule im Münsterland.) Es gibt auch durchaus Gründe, warum homosexuelle Lehrer sowas nur sehr selten öffentlich machen oder warum manche Bekenntnisse zu sexuellen Präferenzen (nehmen wir mal was aus dem Bereich BDSM), weil sie eben nicht wirklich gesellschaftlich anerkannt sind, zu Diskriminierung oder gar Konsequenzen im Beruf führen können.

Ich fürchte, bei vielen Männern ist das noch gravierender, dass sie schlicht nicht nachdenken (wollen?) über die Vorteile, die ihnen ausschließlich aufgrund der Tatsache, dass sie als weißer, heterosexueller Mann geboren wurden, zukommen. Darüber zu schreiben, maße ich mir aber an dieser Stelle nicht an. Schließlich schreiben darüber viele Feministinnen wirklich so viel besser. Ich würde mir aber wünschen, dass mehr Männer wirklich mal ernsthaft darüber nachdenken und solche Gedanken nicht gleich als sinnfrei wegwischen. Ja. Das tut vielleicht weh.

Wann ist man eigentlich Feministin?

Ich mochte Feminismus früher nicht wirklich als Begriff. Ich habe mich nie mit Alice Schwarzer identifizieren können und die Emma ist mir suspekt gewesen. Ich habe mich darin nicht wiedergefunden. Ich möchte meine Art von Sexualität leben dürfen, ohne dass Feministinnen mir sagen, was man darf und was nicht. Ich habe Pornos geguckt und dabei Erregung empfunden. Sogar welche mit gefesselten Frauen. (Dass es bessere Pornos geben könnte, müssen wir aber hier nicht diskutieren.)

In einer Partei wie jetzt bei den Piraten sehe ich aber zunehmend die Notwendigkeit einer modernen Form von Feminismus. Während Männer meistens sachbezogen diskutieren (auch mal härter), hatte ich als Frau auch immer wieder den Eindruck, dass ich nicht mit Argumenten angegriffen wurde, sondern als Frau. Twittert mal von einer frauenpolitischen Veranstaltung. Da dauert es keine 10 Min. bis irgendein Idiot mit einer Bemerkung kommt, dass mich ja nur mal jemand richtig flachlegen müsse, um mir das auszutreiben.

Als Frau wird man nett aufgenommen bei den Piraten. Bis man eine Meinung vertritt, die von der Parteimeinung abweicht. Sei es damals im legendären Crew-KV-Streit. Oder heute, wenn man sich wegen Rassismus, Sexismus oder anderen strittigen Themen positioniert. Ich bin dadurch sicher etwas abgehärtet. Am Anfang haben mich Aussagen wie „Ich habe Dich nicht gewählt, damit Du den Mund aufmachst.“ wirklich getroffen.

Nein. Ich bin nicht immer stark. Auch ich kann nicht jeden Angriff in diesem Internet oder face-to-face einfach wegstecken. (Wobei sich das im Meatspace wirklich weniger Menschen trauen als in diesem Internetz.)

Schlimmer als diese Aussagen ist aber bei all diesen Themen die schweigende Mehrheit, die das mitbekommt, aber den Mund hält. Dann geht es eben nicht mehr um Einzelfälle, sondern um eine Mehrheit, die sich zurückhält, wenn es um Diskriminierung, Rassismus, Sexismus etc. geht. Das macht mir wirklich Sorgen in dieser Partei. Das Problem ist: Das geht nicht weg, wenn wir es ignorieren. Ich kann es nicht mehr hören und sehen, dass Menschen, die rassistische/sexistische/diskriminierende Aussagen machen, als Trolle verharmlost werden. Den Mund zu halten, hilft hier eben nicht. (Im Moment habe ich zudem (das rein subjektive) Gefühl, es werden eher wieder mehr. Nein. Es sind keine Einzelfälle. Auch die Behauptung, das wäre so, macht nichts besser.)

Vermutlich fühle ich mich irgendwie als Feministin. Weil ich es leid bin. Weil ich zumindest anfange, zu hinterfragen, was in unser Gesellschaft (und ja, auch in unserer Partei) alles falsch läuft. Und ich werde eure Hilfe brauchen, um wirklich etwas zu verändern.

Ich sehe es zudem als mein Privileg, dass ich mich mittlerweile zu meinen sexuellen Präferenzen bekennen kann und dass ich z.B. polyamor leben kann. In diesem Privileg steckt für mich auch eine Verpflichtung. Für die Anerkennung von unterschiedlichsten Lebensformen zu kämpfen, weil eben auch in Deutschland nicht alle Menschen aufgrund von Abhängigkeiten, die Möglichkeit haben, ihre Modelle offen zu leben und kommunizieren zu können, ohne diskriminiert zu werden. (Was mich weiterhin auch zu meinem zweiten Bereich bringt: Zur Bildungspolitik)

Und da haben wir das nächste Problem: Nehmen wir mal an, wir mit ähnlichen Zielen und Ideen wollen diese Themen in die Gesellschaft tragen und nicht nur in unserer Filterbubble diskutieren. Wie funktioniert das? Vermutlich nur mit viel Frustrationstoleranz. Mit viel Geduld. Mit unendlichen Diskussionen. Aber vor allem, indem wir einander den Rücken stärken. Hoffe ich….

Insofern verstehe ich den Ansatz von @Yetzt und @Sanczny (http://sanczny.wordpress.com/2012/07/24/kussen-verboten-kiss-kiss-bang-bang-oder-critical-hetness/) allerdings mit folgenden Anmerkungen:
Ich kann nachvollziehen, dass @Riotmango und auch die Verfasser des genannten Textes Solidarität erbitten für die Menschen, die eben nicht offen knutschen können, ohne Bemerkungen und Angriffen ausgesetzt zu sein. Wie ich oben schon schrieb, ist es sinnvoll, diese Privilegien von Heterosexuellen zumindest bewusst zu machen. Allerdings nehme ich an, dass das langfristige Ziel nicht nur Solidarität ist und eine Veränderung der Normen in der Gesellschaft wird m.E. nicht dadurch erreicht, dass wir solidarisch nicht mehr in der Öffentlichkeit küssen (weil die Menge der Menschen nicht relevant genug ist, die dabei mitmacht und damit die Erkenntnis in der Gesamtbevölkerung ausbleibt.) Ein Nichthandeln wird eben nicht wahrgenommen.

Statt ein wenig arrogant darüberzubügeln, werden wir mit den Menschen ins Gespräch kommen müssen, die diskriminieren und vielleicht deren Ängste, deren Bedürfnisse, deren fehlende Aufklärung aufgreifen müssen. Das kann sein, indem man offen Stellung bezieht. Das sollte sein, dass man bei Diskriminierung nicht schweigt, sondern einschreitet. Und ebenso sollte das Aktionen beinhalten, die langfristig etwas verändern, zum Beispiel Aufklärungskampagnen und Diskussionen in Schulen und Jugendzentren.

Letztendlich geht es allen Menschen darum, anerkannt und respektiert zu werden.

SSV – Sektchen und Schnittchenveranstaltungen

Hochglanzoutfits. Smalltalk. Schöne Menschen. Falschheit? Zumindest aber: Show. Oberflächlichkeit. (Bin ich da jetzt zu negativ?) Ich glaube, ich tauge für sowas nicht. Es ist ja gar nicht so, dass ich im Kostümchen oder Kleidchen mit Strümpfchen mit Naht und bravem Make-Up und braver Frisur nicht auch recht ordentlich aussehen kann. Es fühlt sich aber irgendwie merkwürdig an (und ehrlich gestanden hoffe ich, dass das so bleibt). Ich bin dann in Versuchung, den Anfang von Hesses „Steppenwolf“ zu zitieren. Irgendwas mit „Zufriedenheitsgott“ und Mittelmaß und der Sehnsucht nach Schmerz, nach dem Echten.

Vermutlich muss man da durch als „Profipolitiker“ (schon wieder das Gefühl von Würgen). Es ist ja durchaus toll organisiert. Auch letzte Woche bei der Preisverleihung beim LWL. Großartige Projekte, die geehrt wurden (das fand ich wirklich beeindruckend). Großartige Lokation (Erbdrostenhof, Münster). Fantastische Musiker. Leckere Schnittchen. Teurer Sekt.

Heute also Ähnliches: „Amtseinführung der Leitenden Oberstaatsanwältin und Würdigung ihrer Amtsvorgängerin“. Und jetzt kommt es ganz dick: Als MdL sitzt man dann erste oder zweite Reihe. Da kann man nicht mal in Ruhe und unbeobachtet twittern.
„Sie sind doch sicher von den Piraten.“ Mist. Am Gerät erkannt.

Ich schwanke also. Repräsentative Pflichten gehören schon auch dazu und ich sehe durchaus, dass Veranstaltungen zu Ehren von Menschen und deren Arbeit wichtig sind. Aber ich bin da Schmuck. Nicht als Mensch, sondern als Funktion.

Veränderungen kann man an der Stelle quasi gar nicht verhindern. Menschen begegnen einem auf einmal komplett anders. Man trifft auch auf Menschen, mit denen man sonst im Leben nichts zu tun haben würde. Und alle gehen anders mit einem um. Beispiel Bahnfahrt. „DIE FAHRKARTEN BITTE.“ Tonfall. Unfreundlich. Und jetzt zückt man diese Fahrkarte, die einen als Abgeordnete/n ausweist. Der Tonfall ändert sich sofort. (Wenn er nicht gleich in devote Unterwürfigkeit umschlägt, wird er zumindest deutlich freundlicher.)

Zurück zu unser heutigen Veranstaltung bei der Staatsanwaltschaft. Die Reden (aber erinnert mich bitte daran bei ähnlicher Gelegenheit nicht unbedingt Goethe zu zitieren) waren angenehm. Reden beendet man hier aber wohl noch mit „Glück auf“. Zumindest taten das manche Redner.

Am Ende der heutigen Veranstaltung habe ich ein paar Mitglieder des (wirklich großartigen) Chors kennen gelernt (und eine Einladung bekommen, dort mitzumachen.)

Einen Sekt getrunken. Auf nüchternen Magen. Schnittchen erspart, weil nicht vegan.