Archiv des Autors: Birgit Rydlewski

Augenerkrankung -So sieht das gerade aus.

Aktuell habe ich einen neuen Schub der Augenerkrankung. Das ist allerdings das erste Mal, dass es zwei Mal in einem Jahr auftritt. Beide Male nach schweren Erkältungen mit Fieber.

Derzeit sind noch 25 Prozent Sehstärke gemessen worden und die üblichen Flecken/Entzündungen/Ausfälle in der Netzhaut.

Gespritzt wurde heute Triamcinolon (und ein zweiter Wirkstoff, meine ich).

Nun also heißt es wieder: Abwarten. (Das Auge ist nun erst einmal von der Spritze geschwollen und ziemlich rot, weil mit der Spritze (direkt daneben) vermutlich ein Blutgefäß verletzt wurde).

Bildchen vom OCT. Da kann man links die Flecken sehen und rechts, dass die Struktur in der Mitte anders ist.

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Bisher haben die Spritzen geholfen. Bis wieder 60 Prozent (das ist die Grenze, ab der man Autofahren darf) erreicht werden, dauert es aber meist ein paar Wochen.

Rechte Gewalt – Kleine Anfragen im Landtag NRW

Heute wurden die Antworten der Landesregierung auf zwei Kleine Anfragen von uns veröffentlicht:

1. „Ermittlungsdauer und -verfahren in Fällen rechter Gewalt“

Die Antworten sind mir/uns etwas zu wenig.

In Antwort 1 wird von der Landesregierung im letzten Satz behauptet, dass Opfer von rechter Gewalt auf die Hilfsangebote der Vereine „Back Up“ etc. hingewiesen würden. Ich bin tatsächlich nicht sicher, ob dies flächendeckend der Fall ist. Da interessieren mich eure Erfahrungen. (Gerne auch anonym und verschlüsselt an meine Mailadresse rydlewski@gmx.net)

Ich weiß eher von einem Fall, in dem der Staatsanwalt die Verwendung der Adresse von Back Up als ladungsfähige Adresse zunächst ablehnte. War das wirklich ein Einzelfall/Missverständnis?

Frage 3/4/5 werden quasi nicht beantwortet. Wir prüfen, ob es mit entsprechend längerer Frist möglich ist, eine Antwort zu bekommen.

2. Rechtsextreme Gewalt und die Partei „Die Rechte“

Hier sind die Antworten der Landesregierung zumindest aussagekräftiger.

Falls ihr weitere Ideen für Anfragen dieser Art habt, immer gerne…

(Und ja. Den Extremismusbegriff sollten wir vermeiden…)

„Mouvement mondial“?

„Unsere Antwort steht fest: Globaler Protest.“ Aufstehn. Irie Révoltés

Nun fragen mich Menschen ja immer mal, was denn nun passieren soll. Was denn eigentlich mein Ansatz sei (bezüglich Rassismus, bezüglich der Probleme in der Gesellschaft). Klingt es depressiv, wenn ich schreibe, dass ich nicht mehr so recht an so Klein-Klein-Lösungen glaube? Es ist ja nicht so, als hätte ich nicht ebenfalls immer mal so ein Ohnmachtsgefühl, nichts ändern zu können…

Was sind denn die Probleme?

Nach meiner Auffassung ist eins der Grundprobleme Entsolidarisierung.

Aus 2011 gibt es die Studie des Soziologen W. Heitmeyer über „Deutsche Zustände“: Es geht um eine Langzeitstudie über „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“.

„Für die weltweit größte Studie dieser Art wurden in den zehn Jahren insgesamt 23.000 Personen nach ihrer Haltung zu schwachen Gruppen, wie etwa Migranten oder Langzeitarbeitslosen, befragt.“

Siehe Presseberichte dradio und taz.

„Wilhelm Heitmeyer sorgt allerdings das auffälligste Ergebnis: Dass nämlich gerade die mittleren bis höheren Schichten unserer Gesellschaft die Solidarität mit den unteren Klassen aufkündigen und auf Ellbogenmentalität umschalten; dass also unsere bisherige tolerante Bürgerlichkeit durch eine „rohe“ ersetzt wird:

‚Diese rohe Bürgerlichkeit lässt sich in ihrer Selbstgewissheit nicht stören: Die Würde bestimmter Menschen und die Gleichwertigkeit von Gruppen sind antastbar.'“

https://www.iz3w.org/zeitschrift/ausgaben/330_arabischer_fruehling/rez1_heitmeyer


„Der diesjährige Report warnt, dass etwa 47 Prozent der repräsentativ Befragten den AsylbewerberInnen einen legitimen Grund für ihre Einwanderung absprechen. Über 40 Prozent äußern Unmut bei der Vorstellung, Roma und Sinti könnten sich in ihrer Wohngegend aufhalten. Jüngere und Wohlhabende neigen zunehmend zur Abwertung von Langzeitarbeitslosen.“

Dieser Trend der Entsolidarisierung mit Schwächeren scheint sich auch heute nicht abgeschwächt zu haben, sondern eher zuzunehmen, wenn man aktuelle Ereignisse in Duisburg (In den Peschen) oder Berlin-Hellersdorf betrachtet.

Grundsätzlich gibt es gefühlt weiterhin in breiten Teilen der Bevölkerung eine diffuse Unzufriedenheit und Ängste, sozial abzusteigen oder finanzielle Sicherheit einzubüßen. Dies führt dann leider nicht dazu, dass sich Gruppen zusammenschließen, sondern zum Treten nach unten.

Und ich werde so richtig wütend, wenn ich dann sowas am frühen Morgen lesen muss:
[TW Innenminister Friedrich] http://www.spiegel.de/politik/ausland/friedrich-verlangt-haerte-gegen-armutseinwanderer-aus-der-eu-a-926609.html

„Zu Gast bei Freunden“ gilt halt nur, wenn man zum Wachstum beiträgt und nicht etwa aus Not hier landet. Widerlich. Vielleicht mag sich der Mob einfach mal vorstellen, dass die Menschen hierhin kommen, weil sie keinen Ausweg sehen? ICH WILL SCHREIEN.

Um was geht es denn da eigentlich? Besitzstandswahrung aus Angst vor Veränderung?
Purer Egoismus? Deutsches Geld für Deutsche Kinder?

Ok. Ganz ruhig….
Fangen wir das mal anders an:
Fahren Sie/fährst Du Bahn?
Sehen Sie/schau mal in die Augen der Menschen.

Wie viele freuen sich auf den Tag?
Wohin fahren die Menschen?

Zur Schule, die wie viel freie Entfaltung wirklich zulässt?
Zur Arbeit, die wem dient?

Und nachmittags?
Sport? (Brot und Spiele?)
Fernsehen?

Und die Menschen, die sich nun schon politisch engagieren: Was verändern wir denn eigentlich wirklich?

Die Utopie/der Traum von einer besseren Welt

„Unter Geist des Anarchismus verstehe ich jenes umfassende menschliche Gefühl, das das Wohl aller, die Freiheit und Gerechtigkeit für alle, die Solidarität und Liebe unter allen anstrebt und nicht ausschließlich die Anarchisten im eigentlichen Sinne kennzeichnet, sondern alle großherzigen, geistig offenen Menschen erfüllt.“

Errico Malatesta

Ein paar konkretere Ansätze:

Bedingungsloses Grundeinkommen (Sicherheit, dass man nicht jeden Tag für die Befriedigung seiner Grundbedürfnisse kämpfen muss, besseres Ausgangsverhältnis, niemand muss sich ausbeuten/schlecht behandeln lassen)

Umverteilung (im Grunde sind genug finanzielle Mittel da, um Menschen (weltweit) zu versorgen)

Wie fühlt man sich wohl mit so richtig viel Geld, wenn man ein Herz hat und sich in der Welt umsieht? http://www.n24.de/n24/Nachrichten/Wirtschaft/d/3634106/deutschlands-reiche-haben-mehr-geld-denn-je.html

Neoliberales Gedankengut anzweifeln (Solidarität lehren, lernen und stärken statt Konkurrenz, „das System“ Kapitalismus und das Ausspielen von Macht funktioniert besonders gut, wenn wir gegeneinander gehen)

Verzicht (auf Fleisch zum Beispiel, weil es für die Ernährung der Welt sinnvoller ist, nicht so viel Tierprodukte zu essen, nebenbei auch für die Tiere…)
Ja. Verzicht tut weh. Ich habe da auch kein Interesse an einer Moralkeule. Aber guckt euch um. Wem geht es besser? Wem geht es schlechter? Und was kann ich tun, um Menschen zu stärken, denen es schlechter geht als mir? Das kann finanziell sein oder durch Freundlichkeit, Aufmerksamkeit und Respekt und Engagement.

Wir müssen endlich über den Tellerrand unserer in großen Teilen doch sehr heilen Welt hinausgucken. (Ja. Ich weiß, meine Welt ist sicher noch einen ganzen Tick heiler. Ich verdiene viel Geld. Ich gebe davon viel weg und das ist auch schwierig, weil ich das Gönnerhafte nicht mag. Aber ich mag Freunde unterstützen. Ich wohne hübsch. Ich kann mir leisten, einen recht großen Teil meines Geldes anderweitig abzugeben. Aber das sind halt gesamt gesehen Peanuts…)

Ich frage mich zunehmend, was wirklich wichtig ist.

Brauchen wir eigentlich alles? Das Auto? Das zigste Elektronikgerät? Die zwanzigste Jeans (produziert unter miesesten Bedingungen in Bangladesch)?

Mein Ausbruch aus diesem Konsumdenken ist auch nicht immer konsequent. Auch das weiß ich. Aber glücklicher macht mich nicht viel davon. Was also macht vielleicht glücklicher?

Freunde. Und da kann ein Punkkonzert in einer ranzigen Lokation angenehmer/authentischer und erfüllender sein, als jede Schnittchen- und Sektchen-Veranstaltung.

Politisches/ehrenamtliches Engagement erfüllt mich. Mit Menschen, die ähnliche Werte vertreten. Das Gefühl, Hilfe zu bekommen und Zuspruch und Solidarität.
Plenumsdiskussionen in unterschiedlichen Projekten können auch sehr anstrengend sein, aber manchmal bewegt man halt auch gemeinsam was. Und dann fühlt es sich richtig gut an.

Ich denke, dass jede/r im Rahmen seiner Möglichkeiten die Welt ein wenig besser machen kann. (Ob das dann auch jede/r will, ist eine spannende Frage.)

Ok. Für den kommenden Absatz/Gedanken gibt es Prügel;)

Sich Fragen, ob man das System noch stützen will (oder wo man es schwächt). (Ich grübele immer noch, ob es nicht auch mal interessant wäre, wenn möglichst viele Menschen, die nicht mehr an das alles glauben, einfach nicht wählen gehen… Zumindest jedenfalls verstehe ich Nichtwähler*innen irgendwie…)

Die Grundsatzfrage ist: Welche Gesellschaft wollen wir? Wie wollen wir leben?
(Und da sehe ich tatsächlich Potential für eine Welt, die Hierarchien/Macht mehr anzweifelt.)

Und dann ende ich wieder beim Anarchismus. Oder beginnt es da erst? „Die Grundidee des Liberalismus ist es, die persönliche Unabhängigkeit zu sichern. Die Grundidee des Kommunismus ist es, das gesellschaftliche Wohl zu sichern.“

Anarchismus also als „Synthese der besten Aspekte des Liberalismus und des Kommunismus“?

Zumindest die Grundwerte des Anarchismus müssen wir immer wieder in Erinnerung rufen, diskutieren, verinnerlichen, weiterentwickeln, verbreiten, leben, finde ich:

Freiheit, Unabhängigkeit, Solidarität, Internationalismus, freiwillige Assoziation, Föderalismus, Bildung, Spontaneität, Harmonie, gegenseitige Hilfe.“

Zitate aus C. Milstein: „Der Anarchismus und seine Ideale“

Besorgte Bürger*innen oder Lynchmob?

Heute standen in Duisburg wieder mehrere Kundgebungen/Demos an. Als erstes eine Veranstaltung von Bürger*innen: http://www.radioduisburg.de/duisburg/lokalnachrichten/lokalnachrichten/archive/2013/09/24/article/in-den-peschen-in-rheinhausen-stehen-die-naechsten-demonstrationen-an.html
(In deren Flyer machen sie mit dem Haus „In den Peschen“ auf. Leider finde ich den Flyer gerade nicht im Netz.)

Vor meiner Ankunft am Hochemmericher Markplatz in Duisburg wurde dort mehreren Gegendemonstrant*innen ein Platzverweis erteilt. Wir waren also dann vor Ort nur sehr wenige Gegendemonstrant*innen.

Der Versammlungsleiter erzählte dann in seiner Einstiegsrede gleichzeitig was von Toleranz und belässt aber trotz ausdrücklichem Hinweis darauf Menschen mit Thor Steinar Sachen (teilweiser NW Duisburg (?), teilweise sogar mit Ordnerbinde) in der Kundgebung. Die könnten ruhig mitdemonstrieren, das sei ja Meinungsfreiheit, ergänzt ein anderer Mann.

Nachtrag: Auf ihrer Facebookseite behaupten die Bürger*innen, die Bilder der Nazis in ihrer Mitte seien Fotomontagen:
https://www.facebook.com/groups/260550860733260/
(Offensichtlich schrecken sie vor Lügen keinesfalls zurück. Die Bilder wurden von verschiedensten Personen gemacht. Auch der anwesenden Presse und der Polizei müssen diese Menschen aufgefallen sein. Siehe auch die Fotoserie von „Der Westen„.)

Es wird in den ersten Reden vor allem Angst geschürt und auf die Kriminalität hingewiesen (zum Teil mit absurden Behauptungen. Es sollen zum Beispiel 300 Schafe gestohlen und auf „der Rheinbrücke verrichtet“ worden sein.)

Zwischendurch eskaliert es fast. Eine sehr mutige Frau, die wohl zufällig vorbeikam, redet spontan. Sie weist auf die antisolidarische Stimmung hin und bittet um Verständnis für Armutsflüchtlinge. Da zeigt sich, wie es mit der Meinungsfreiheit der Bürger*innen wirklich aussieht. Die Frau soll aufhören, zu reden. Sie wird ausgebuht. Wir stellen uns solidarisch zu der Frau. Der Rednerin wird das Mikro abgenommen. In der Mitte der Kundgebung, also zwischen den Bürger*innen, danken wir der Frau für ihre Rede. Bürger*innen kommen daraufhin sehr nah und bedrängen uns. Nach meiner Frage, warum sie offen Nazis in ihrer Mitte dulden, werde ich massiv beschimpft und mir wird gesagt, ich solle „nach Rumänien gehen.“ Dieselbe Frau, die das sagt, wettert vorher, dass es ja Geld nur für deutsche Kinder geben solle. Wir werden körperlich von Bürger*innen angegriffen, körperlich bedrängt und mehrfach geschubst. (Ein Ordner hat sich nach der Veranstaltung aber immerhin bei mir dafür entschuldigt. Ob aus Einsicht oder aus Angst vor einer Anzeige, weiß ich nicht.) Wir begeben uns daraufhin außerhalb des Pulks.

Es wird weiterhin vom „Problemhaus“ gesprochen, deutsches Liedgut gespielt und ein Rapper rappt irgendwas mit Stolz auf Deutschland.

Es fällt die Aussage „Dann ist Deutschland verloren“.

Die Stimmung ist unangenehm, aufgeheizt und es fehlen nur die Fackeln und Mistgabeln…

Es gibt auch offene Hetze:
„Scheiß Bulgaren. Die werfen Waschmaschinen aus dem Fenster und kacken aus dem Fenster.“

Jemand von uns fragt die Polizei, ob das für eine Anzeige reiche. Die Anzeige wird erstattet. Danach verbale Angriffe auf uns. Derjenige, der Anzeige erstattet hat, wird als „Pisser“ beschimpft und dass er nicht „die Eier“ habe, sich direkt mit ihnen auseinander zu setzen. Weiterhin werden wir als „Gutmenschen“ beschimpft. Immer alles sehr körperlich nah und sehr unangenehm bedrohlich. Es wird von mehreren Bürger*innen behauptet, niemand außer uns hätte das gehört….

Wir sind dann weiter zur Demo gegen Pro NRW „In den Peschen“. (Auf dem Weg dorthin hört ein Bekannter mehreren Menschen zu, die auch von der Bürger*innenkundgebung dorthin laufen. Eine Frau soll telefoniert und dabei gesagt haben, dass es doch auch gut wäre, wenn jemand das Haus anzünde. Dann wäre auch Ruhe.)

In den Peschen werden wir noch einmal von der oben genannten Bürgerin, die wir angezeigt haben, angesprochen. Sie möchte zusammen mit einer Begleitung wissen, warum wir sie angezeigt hätten. Wir benennen ihre Aussage. Sie habe „Scheiß Bulgaren“ gesagt. Daraufhin sagt ihre Begleitung „Recht hat sie“. Weiterhin bedroht sie uns. Ihr Freund sei „Bulle“ (Zitat) und wir wüssten ja gar nicht, mit wem wir uns da jetzt angelegt hätten. Ein Mann mit „Patriot“-Shirt sagt dann, sie „sollen ‚die Antifa‘ in Ruhe lassen“. (Derselbe soll etwas später gedroht haben, jemandem von uns (Antifa) die Beine zu brechen.)

Auf der Veranstaltung stehen also die vormals besorgten Bürger*innen auf der Seite gegen Pro NRW. Das ist ja doch dann sehr inkonsequent. Sie rufen zum Teil: „Wir sind keine Nazis, wir sind besorgte Eltern.“ im Schulterschluss mit Nazis.

Als Pro NRW kommt, stehen wir Gegendemonstrant*innen für eine Weile zwischen Pro NRW (geschützt von Polizei und mit zwei Reihen Absperrgitter) und hinter uns stehen die „besorgten Bürger*innen“ zusammen mit Nazis (zum Teil wohl auch Division Duisburg und NW Duisburg). Unangenehm. Die Polizei geht erst nach mehrfacher Aufforderung und Bitte dazwischen.

Nach Neumühl zur Kundgebung von Pro NRW bin ich nicht mehr gefahren. Aber ein Kollege hat mir berichtet, dass die Anwohner*innen dort (ich erlebte einige von ihnen schon derletzt) mit Hassparolen „Kein Asyl in Neumühl“ direkt zur Seite von Pro NRW gegangen seien. Das ist dann zumindest konsequent.

Die heute offen rassistischen Äußerungen der „besorgten Bürger*innen“ und deren Lynchmobstimmung sowie deren offene Aggression bis hin zu körperlichen Übergriffen machen für mich auch deutlich, dass die Geschichten von der Bürger*innenversammlung, die angeblich von „Linksautonomen“ überfallen wurden, auch deutlich anders gewesen seien könnte…

Diese Menschen machen mir Angst. Diese Stimmung macht mir Angst. Sie behaupten, keine Nazis zu sein und finden es unfair, wenn man sie als solche bezeichnet. Aber ich meine, man muss da den Alltagsrassimus auch klar benennen. Die in einer Reihe, Schulter an Schulter, mit Nazis stehen und das nicht ändern, sind eben auch Nazis. Punkt.

„Verlern es, Dich zu fügen…“

(Erich Mühsam)

Derletzt ergab sich via Twitter eine Diskussion über Anarchismus/Anarchie. Ich versuche mal, das ein wenig zusammenzufassen.

Aufhänger der Diskussion war unter anderem dieser Text:

„Sind Sie Anarchist?“

Im Laufe der Diskussion twitterte ich (wohl etwas zynisch):

„Die Anarchie ist leider daran gescheitert, weil niemand das Klo putzen wollte.“

(weil als Gegenargument eingebracht wurde, dass Anarchie schon im Kleinen, also in einer Wohngemeinschaft beim Aufräumen der Wohnung nicht funktionieren würde. Wer putzt freiwillig die Küche? Das Klo? Immer? Oder nur manchmal? Wie gut funktioniert der Putzplan? Woran scheitert es? (Unterschiedliche Bedürfnisse bezüglich der möglichen oder nötigen Hygiene?))

Sagen wir also mal rein theoretisch, wir lösen das Problem in der WG basisdemokratisch:
Skaliert das? Klappt das, wenn es im Kleinen klappt, auch im Großen? In einem Dorf? In einer Stadt? In einem Land? Und weil ich ja eigentlich Lehrerin bin: Ist zum Beispiel Schule in Anarchie denkbar?

Es geht um Selbstorganisation, um Selbstbestimmung.
Sind „shared spaces“ (also durchaus erfolgreiche Konzepte im öffentlichen Raum zur gemeinsamen Nutzung von Straßen etc. ohne Vorschreiben von Regeln) schon Anarchie?

Es geht um echte Demokratie. Nicht nur alle vier/fünf Jahre mit dem Weg zur Wahlurne, sondern um Demokratie, in der gemeinsam, gemeinschaftlich die Mitmenschen im Kleinen und im Großen an Entscheidungen beteiligt. An allen Entscheidungen? Wollen Menschen das überhaupt? Ist es nicht viel einfacher, zu leben, wenn man nicht alle Entscheidungen selber treffen muss? Wenn man nicht ständig alle Positionen aushandeln muss? Wollen Menschen, dass ihnen jemand sagt, was sie tun sollen?

Es geht um Fehlen von Hierarchien/von Macht.
Ist Macht/Hierarchie nötig, um Menschen zu kontrollieren?
Oder führt Macht (und Ohnmacht) erst dazu, dass Menschen verantwortungslos handeln?

Ist mein Menschenbild zu positiv, dass ich überhaupt über Anarchismus/Anarchie nachdenke?
Sind Menschen von Natur aus gut oder schlecht?

Menschen haben ganz unterschiedliche Bedürfnisse? Aber Respekt, Sicherheit, Selbstverwirklichung, Freiheit, Selbstbestimmtheit etc. wollen alle Menschen. Völlig unabhängig von deren Geschlecht, Arbeit, Einkommen. Unabhängig vom Land, in dem sie leben. Gefühlt ganz viele Menschen sind unzufrieden. Mit ihrem Leben. Manchmal diffus. Manchmal aber auch aufgrund ganz offensichtlicher Ungerechtigkeiten und aufgrund unterschiedlicher Chancen. Das ist in Deutschland schon so. Noch schlimmer wird es, wenn man weltweit guckt. (Die Wahlergebnisse der Bundestagswahl scheinen das aber nicht widerzuspiegeln. Berufen sich Menschen in „unsicheren“ Zeiten eher auf Regeln/Normen, neigen also eher zu konservativer Wahl? Wäre nicht das Gegenteil hilfreicher, macht aber mehr Angst?)

Überhaupt geht es vermutlich ganz vielfach um Angst. Angst vor Veränderung. Angst vor Verlust.
Vielleicht geht es auch um Fehlen von Phantasie?

Bemerkt wurde dann in der Diskussion über Anarchismus/Anarchie weiterhin: „Es funktioniert mit den richtigen Leuten.“ Nur dann? Was sind „richtige Leute“?
(Und die Bedenken erinnern mich an Diskussionen um freiere Konzepte in Schulen, in denen dann gerne schnell gesagt wird, dass das mit „unseren“ Schüler*innen nicht gehe… (was woanders funktioniert…))

Wie viele Arschlöcher/Ellenbogentypen verträgt Anarchie?
(Gibt es die „Ellenbogentypen“ generell? Oder entstehen diese erst „im System“? Sind Menschen zu Altruismus fähig?)

Ziemlich sicher ist: Menschen müss(t)en lernen, ohne Macht/ohne Hierarchien zu leben, ihr Leben, ihre Gesellschaft zu organisieren. Das kann man versuchen im Kleinen und irgendwann auf das Große übertragen. Hoffe ich. Weil ich es als erstrebenswert erachte…

Wäre die Piratenpartei nicht im Kern eine Partei, die genau diese Fragen stellen und etwas in der Art anregen, ausprobieren, testen, weiterführen müsste? Oder ist da eine Partei schon der falsche Ansatz, weil ja Parteien Teil eines Systems sind, was dann überholt wäre, wenn Anarchie funktionieren würde. Kann man noch wählen gehen, wenn man darüber nachdenkt, ob es nicht noch bessere, demokratischere Systeme geben könnte oder legitimiert man damit ein System nur unnötig?

Und nun sagen wir mal, so rein theoretisch, wir wüssten in einer großen Menge von Menschen, was wir wollen als Ziel. In welcher Art von Gesellschaft wir leben wollen. Wie kommen wir dann dahin?

Vielleicht ist es ein Anfang, Macht/Hierarchien zu hinterfragen…

Es sind mehr Fragen geworden als Antworten. Ich bin noch relativ am Anfang mit meinen Überlegungen.

Ich bin deshalb sehr gespannt auf zum Beispiel diese kommende Veranstaltungsreihe zum Thema:

Zeit für Plan A

„Das Leben schwindet oder weitet sich aus im Verhältnis zu dem eigenen Mut.“
Anäis Nin

Oh. Ein lustiger Test: Anarchomat
(100 Prozent 😉

Rassismus in Duisburg

In Duisburg Neumühl wird seit einigen Wochen über die Nutzung des leer stehenden Gebäudes der ehemaligen St. Barbara Klinik diskutiert. Es ist bisher nicht einmal beschlossen, ob das Gebäude so genutzt werden kann, trotzdem formiert sich ein Protest „besorgter Bürger*innen“.
Wir kennen das…

„Der Westen“ berichtet ab und an darüber: http://www.derwesten.de/staedte/duisburg/200-protestler-gegen-asylbewerberheim-im-st-barbara-hospital-id8435818.html

Heute fand vorm Rathaus eine Demo gegen die geplante Unterkunft statt. Ich war etwas später da, konnte aber noch einen Teil der offen rassistischen Äußerungen hören. Eine Gruppe von 25 Personen hatte auf Plakaten ihre „Meinung“ zu Asyl zusammenfasst. Am Rande des von ihnen mit OB Sören Link geführten Gesprächs fallen dann Bemerkungen über mögliche Asylbewerber*innen. Dass man sie nicht hier wolle und sie gerne in Container sperren würde. Irgendwo geht es auch um Steine und Trümmerfrauen. Ab und an muss ich lachen, weil es so absurd ist.

Nun, in der Bahn sitzend, ist mir das Lachen vergangen. Mir ist schwindelig und ich habe Angst. Vor Menschen wie diesen. Bilder wie dieses, was im Internet kursiert, zeigen die wahre Gesinnung:

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(Die Stadt hat die Schmierereien mittlerweile wohl entfernen lassen.)

Ihr seid Rassisten. Es geht um Menschen, die sterben. In Syrien und anderswo. Und ihr verbreitet Lügen über Roma (um die ging es natürlich auch zwischendurch) und über Asylsuchende. Dass man sich dann als Frau nicht mehr auf die Straße trauen könne. Und dass man doch Kinder habe…

Ich schäme mich, Deutschland.

8. Sitzung der Steuerungsgruppe „Landesaktionsplan zur Bekämpfung der Gewalt gegen Frauen und Mädchen in NRW“

Themenschwerpunkt: „Prävention“

Sitzungsthema: „Ursachen und Wirkung – Strategien zur Vermeidung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen“

I.) Welche Faktoren begünstigen Gewalt gegen Frauen und Mädchen gesellschaftlich und individuell?
II.) Welche bisherigen unmittelbar auf Gewaltprävention zielenden Maßnahmen gelten als erfolgreich und warum? Gibt es Indikatoren für die Messbarkeit des Erfolges und wenn ja, welche? Ist es möglich, daraus Erfolgsfaktoren abzuleiten?
III.) In welche Richtung müssten innovative Maßnahmen weiterentwickelt werden in Bezug auf:
Zielgruppen?
Wahl der Mittel?
inhaltliche Ausgestaltung?
Kooperation mit anderen?
neue Verbündete?

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Vorträge:

1. Vortrag:

Präventive Maßnahmen zum Abbau von Gewalt gegen Frauen und Mädchen
B. Rennefeld

Kampagnenbeispiele:

(Oft provokativ, drastisch)

Terre des femmes
Amnesty International
http://www.whiteribbon.at/
(Kampagne von Männern gegen Männergewalt in Beziehungen)
One Billion Rising
Orange Day Campagne
Plattform: „Say No

Kritik:

Selbst weltweite Kampagnen sind wenig bekannt und schlecht vernetzt
Präventive Konzepte sind z.B. in Schulen zu wenig von einzelnen Personen abhängig
Kaum Evaluation

Ökologisches Modell zur Entstehung von Gewalt/WHO
(http://www.who.int/entity/violence_injury_prevention/violence/world_report/en/summary_ge.pdf)

Wiederum Empfehlung des Buches „Und das soll Liebe sein?“ (Das muss ich jetzt dann wohl doch mal lesen)
Hinweis: Das Buch ist derzeit im Handel nicht erhältlich, kann aber über den Dachverband der autonomen Frauenberatungsstellen bezogen werden:
http://www.warnsignale-gewalt.de/content/warnsignale/das_buch.html

Warnsignale häuslicher Gewalt:

http://www.warnsignale-gewalt.de/

Gewalt in der Beziehung entsteht meist nicht über Nacht.
Von verbaler Gewalt zu körperlicher Gewalt/sexualisierter Gewalt

Prävention soll Risikofaktoren erkennen und abbauen und Widerstandsfähigkeit stärken, um Gewalt zu verhindern
Umstrittenstes Warnsignal: „Du bist Sonne, Mond und Sterne für mich.“
(Bei Verlust Gewalttaten)

Zweiter Vortrag:

Ursachen und Wirkung
Strategien zur Vermeidung von Gewalt in Familien
J. Kuehn-Velten

Gesellschaftliche Faktoren

Tabuisierung
Fehlende kollektive Anerkenntnis der Schädigung durch Gewalt
Schwierige Hilfe Kultur
Fehlende Akzeptanz von Kinderrechten
Fehlende Reflektion und offensive Kindheits- und Gewaltgeschichten, auch in unterschiedlichen Kulturen

Familiäre Faktoren
Stress/Überforderung, unerwünschte Schwangerschaften, Gesamtfamilienproblematiken, Psychische Erkrankungen, Machtgefälle, Familienkultur von Gewalt

Soziale Faktoren
Armut, fehlende soziale Netze, Isolation, Schwellenängste gegenüber Hilfsangeboten

Faktoren bei Kindern
Falsches Geschlecht, unerwünscht, kranke/behinderte Kinder, schwierige Kinder, geringe Selbstsicherheit

Opferdynamik

Wenn ich Gewalt erlebt habe,

suche ich mir wieder eine traumatisierende Situation
habe ich nichts anderes verdient
bleibe ich gefangen in der Sprachlosigkeit
gebe ich Signale, die als Aufforderung verstanden werden können
möchte ich nie so werden und bin doch gefangen in alten Verhaltensmustern

Hilfreich

Fördern, zeigen, vermitteln von

Sicherheit, Interesse, Akzeptanz, Vertrauen in die eigene Wahrnehmung, Sicherheit über eigene Bedürfnisse, Gefühle, Wünsche,
Sprache und Kommunikation auch über Gefühle
Wertschätzung
Selbstfürsorge und Selbstachtsamkeit
Selbst-Wirksamkeitserfahrungen
Offenheit für Konflikte und in Frage stellen lassen
Erlaubnis, Geheimnisse weiterzusagen und mit Vertrauenspersonen zu sprechen
durchlässige sichere Systemgrenzen (Schule, Sportverein, Musikverein, Kirche etc.)
Klare Bilder von Verantwortung
Kopplung von Macht und Verantwortung
Entlastung von Verantwortung, Scham und Schuld
Positives Hilfebild
Wissen, wo und wie Hilfe zu finden ist
Beteiligung und Beschwerdekultur
Vermittlung von Werten und Rechten
Gesprächsgelegenheiten in Einrichtungen
Theaterstücke etc. zur Prävention mit Kindern/Jugendliche zur Sensibilisierung, zur Selbsterfahrung etc.

Ausblick

Systeme müssen besser miteinander kooperieren
Gesundheitswesen, Schulen, Arge, Jugendhilfe, Vereine, Stadtteilangebote, Beratungsangebote
Jungen auch wieder mehr in den Fokus nehmen
Positive männliche Rollen in der frühen/öffentlichen Erziehung
Niederschwellige Angebote für Eltern
Kontinuität in den Projekten
Kinderrechte stärken (und als Thema in Schule und Ausbildung)

3. Vortrag:

Gewalt in gleichgeschlechtlichen Beziehungen
A. Dietrich

http://www.lesbenberatung-berlin.de/gewalt-in-beziehungen.html (Video gucken: Warnsignale)

Projekt:

http://www.lars-europe.eu/

Spezifische Faktoren:

Banalisierung
Überidealisiertes Bild von gleichgeschlechtlichen Beziehungen
(Häusliche Gewalt wird daher oft als etwas Getrenntes gesehen)
Gewalt wird individualisiert zugeschrieben (krank, Alkoholikerin, Arbeiter)
Enge der Community

www.pawsforwomen.org.uk (Katzen in einem Hinterhof diskutieren über Gewalt in gleichgeschlechtlichen Beziehungen)

Wissen, was wirkt?

Resilienzforschung
Traumaforschung
Kaum Messungen, wie Kampagnen in der Gesellschaft wirken
Wohl möglich: Nutzung von z.B. Videos im Internet oder Beteiligungskampagnen wie „Say No“
Kaum Evaluation von Präventionskonzepten

Gruppenarbeit:

Was müssen wir (verstärkt) tun (weil es wirkt)?
Wie wollen/können wir die Wirkung messen?
Welche Zielgruppen wollen wir ansprechen?

Bezogen auf:

Prävention durch Empowerment
(Möglichkeit zur Stärkung von Selbstkompetenz zum Schutz vor vor Gewalt in NRW)

Schulen
Klassensprecherteams paritätisch
Streitschlichtung
Beratung
Selbstbehauptungskurse
Gewaltpräventionskurse (Pflicht?)
Theater
Thema muss präsenter werden, aus Nische herausholen
Transparenz von Hilfsangeboten
Projekttage
Anonyme Sprechstunden an Schulen

Mein Kritikpunkt: In meiner Gruppe ging es sehr stark darum, wie man mir potentiellen Tätern umgehen könne, für mich zu wenig um „Empowerment“

Aus anderen Gruppen:
Wen-Do
Medienkompetenz (Cybermobbing)
Schulen
(Verstärkt Gymnasien, da gibt es zumindest gerne vom Image der Schule her keine Gewalt)
Im Lehrplan integrieren!

Zielgruppen:
Schülerinnen
auch Jungen/Männer
in
Kirchengemeinden
Sportvereinen etc.

Wie messen?

Modellprojekte?
Betroffene fragen

Bezogen auf:

Gesellschaftliche Sensibilisierung

Vielfalt der Gesellschaft berücksichtigen
Zielorientierung
Plattform „Say No“ für Deutschland?
(Wer kontrolliert, was dort eingestellt wird?)
Finanzielle Mittel? Mittel bündeln?
Kooperationspartner*innen? Bündnispartner*innen? (ÖPNV? Öffentlich-rechtliches Fernsehen/Radio?)
Prominente einbinden
Filme/Plakate
Bestehende Kampagnen besser vernetzen und nutzen in Schulen/Jugendhilfe/Vereinen
Fraueninfrastruktur nutzen für andere Fachkräfte (zum Beispiel in anderen Beratungsstellen)

Aus der Reihe: Gespräche from Hell

Heute: Polizei und Staatsanwaltschaft Duisburg

Am 24.8. habe ich auf dieser Seite einen Augenzeugenbericht veröffentlicht, der mir im Vertrauen und in meiner Eigenschaft als Mitglied des Landtages NRW zugestellt wurde.

Vor ca. 10 Tagen meldete sich ein Polizist der Kripo Duisburg auf meinem Handy, weil er gerne den Namen des Zeugen haben möchte. So weit, so gut.

Heute bin ich dann (in Begleitung meines Mit-MdL Torsten Sommer) zur Polizei Duisburg gefahren. Meine naive Idee war ja, wir reden dann einfach mal locker. (Zumal ich bezüglich des Verhaltens der Polizei dort auch mal ein paar (unangenehme) Fragen hätte. Zum Beispiel bezüglich der Gerüchte, die Polizei würde nicht zum Haus „In den Peschen“ fahren, wenn Menschen mit gebrochenem Deutsch anrufen. Oder bezüglich der Gerüchte, es hätte beim Eindringen in das Haus rassistische Äußerungen gegen Bewohner*innen gegeben.)

Es kam dann aber gar nicht so richtig zu einem Gespräch.

Erwartet wurden wir von dem Polizeibeamten aus dem Telefonat (Herrn S.) und dem mir nicht angekündigten und bis dahin unbekannten Staatsanwalt (Herrn M.).

Wir stellten uns kurz vor, da fragte Herr M., wer denn mein Begleiter sei. Ich stellte ihn als Kollegen aus dem Landtag vor. Herr M. stellte fest, dass eine Begleitung nur als Rechtsvertretung vorgesehen sei, sonst nicht und forderte meinen Kollegen auf, den Raum zu verlassen. (Auf eine Bemerkung von Torsten Sommer kam die Entgegnung vom Herrn Staatsanwalt an Torsten: „Mit ihnen rede ich gar nicht.“) Wir stellten dann klar, dass wir dann auch umgehend wieder gehen.

Der Staatsanwalt erläuterte weiterhin, dass er mir dann eine Vorladung zukommen lassen würde und ich dann verpflichtet sei, zu kommen und auszusagen.

Dem Polizisten nehme ich ab, dass er wirklich keine Eskalation gewollt hat. Er wollte „den Drive“ aus dem Gespräch nehmen und seine Ermittlungsgrundlage durch einen zusätzlichen Zeugen stärken. Den „Drive“ hat aber vor allem der Herr Staatsanwalt in das Gespräch gebracht. Das kann die Staatsanwaltschaft als Herrin des Verfahrens tun. Nur die Mittel dazu sind unverhältnismäßig.

Hier wollen also Menschen Machtspiele spielen. Vor allem der Herr Staatsanwalt. Kraft seines Amtes. Man stellt sich zu zweit gegen einen. Und der Hinweis auf einen Rechtsbeistand ist eher niedlich. Erstens war ein Gespräch mit dem einzelnen Beamten angeregt. Eins zu eins. Zweitens kostet ein Rechtsbeistand immer Geld. Über das verfügt leider nicht jeder Mensch. Schon gar nicht für ein einfaches Gespräch bei der Polizei.

Ich muss gestehen. Ich bin entsetzt. So richtig. Ich stelle mir jetzt einen Menschen ohne Landtagsmandat vor, der in diese Situation gerät und nicht in der Lage ist, entsprechend zu kontern. Unfassbarer Tonfall. Drohgebärden. Mal ganz unabhängig von rechtlicher Beurteilung des Falls: Dieser Umgang ist systemimmanent. Wird ständig so gemacht.
Und. Geht. Gar Nicht!

Rechtlich schließt sich die Frage an, inwiefern ich nun zu einer Aussage gezwungen werden kann. Hier käme eventuell dies in Frage:

§ 53 I Nr. 4 StPO: „Zur Verweigerung des Zeugnisses sind ferner berechtigt Mitglieder des Deutschen Bundestages, der Bundesversammlung, des Europäischen Parlaments aus der Bundesrepublik Deutschland oder eines Landtages über Personen, die ihnen in ihrer Eigenschaft als Mitglieder dieser Organe oder denen sie in dieser Eigenschaft Tatsachen anvertraut haben, sowie über diese Tatsachen selbst.“

Also. Bring it on….

Über Identifikation, Norm und Verantwortung (und Anzüge)

„We are not afraid. We do not obey.“ ZSK – We will stop you

Gestern, noch so im Halbschlaf wagte ich einen provokativen Tweet:

„Männer in Anzügen sind mir zumeist suspekt. Symbol des kapitalistischen Systems. Fassade.“

Manchmal ist diese Twitter-Welt spannend. Ein Tweet und ihr habt den ganzen Sonntag diskutiert. Gern geschehen.

Es waren übrigens auch ganz viele spannende Ansätze dabei.

Im Grunde geht es um Normen. Mir ist suspekt, was eine Gesellschaft als „normal“ oder „richtig“ definiert. Die Anzugträger sind also nur ein mögliches Beispiel. Jemand mit blauen Haaren und tätowierten Armen wird wohl auch nicht als „Norm“ angesehen, wenn er einen Anzug trägt.

Problematisch wird es, wenn Normen Eintritts- oder Ausschlusskriterium sind. Weil jemand bestimmte Kleidung tragen „muss“, um anerkannt zu werden. Wenn sie/er sich das nicht leisten kann. Dem „Anzugzwang“ kann sich dann jemand in bestimmten Branchen erst entziehen, wenn sie/er relativ hoch gekommen ist in der Karriereleiter.
Bricht jemand dann noch die Regeln oder profitiert jemand dann von den Normen, so dass sie/er das Durchsetzen der Regeln eher fortführt gegen andere Menschen?

Wichtige Fragen, die sonst noch via Twitter diskutiert wurden:
Ist das Tragen bestimmter Kleidung auch Unterwerfungsgeste?
Ist eine „Uniform“ eine Möglichkeit, sich individueller Verantwortung zu entziehen?

Wenn ich einen bestimmten Dresscode für mich annehme, werde ich zudem in der Öffentlichkeit bei einer zufälligen Begegnung mit Menschen, die mich nicht kennen, einer bestimmten Gruppierung zugeordnet.

Problematisch wird es m.E. (und das übrigens auch bei Piraten), wenn irgendwelche Normen (manchmal nicht einmal ausformulierte) mit zum Teil erschreckender Brutalität durchgesetzt werden sollen. Ich bin nicht sicher, ob es bei Parteien oder Gruppierungen dabei manchmal auch um sowas wie Überidentifikation geht (gerade jetzt so kurz vor den Wahlen scheint das schlimmer). Mir machen aber auch Fahnenmeere auf Demos Angst. Sowas ist mir auch suspekt.

Das mit dem Kapitalismus und dem Patriarchat lasse ich an der Stelle jetzt mal weg, aber auch da gibt es Mechanismen, um Normen durchzusetzen und Macht zu erhalten. Und manchmal hat das auch mit Kleidung zu tun….

So. Weitermachen!

(Danke an Prof. Dr. Melanie Groß (www.twitter.com/melanie_gross), die großartige Vorträge hält, zum Beispiel über „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ etc., deren Aussagen mich bei diesem Text auch beeinflusst haben.)

„Wenn wir uns erst mal einig sind…“

(Ton Steine Scherben – Allein machen sie dich ein.)

Oder: Die Vernetzung „der linken Szene“

Ich will das jetzt gar nicht so ideologisch angehen. Es gibt viele dem linken Spektrum zugehörige Gruppen von Menschen, bei denen ich im besten Fall davon ausgehe, dass sie zumindest einen groben Grundkonsens haben bezüglich einer Vielfalt von Themen. Gegen Rassismus. Gegen Faschismus. Gegen Sexismus. Gegen Kapitalismus. Keine Diskussion. (Mist. Da geht es schon los…)

Ein Freund von mir war eine Weile in der Türkei. Wir diskutieren ab und an über seine Erfahrungen dort. Auch dort gibt es Gruppierungen, die sich nicht in allen Punkten einig sind, aber der Grundkonsens in den „wichtigen“ Fragen scheint eher gegeben als bei uns in Deutschland.

Warum ist das so? Sind unsere Probleme „zu gering“?
Haben wir uns zu gut eingerichtet in „unserem System“? In unserer Peergroup?
Ich persönlich stoße mich zum Beispiel oft an elitären Strukturen oder elitärer Sprache (und laufe selber auch in die Falle und schließe dann Menschen aus).
(Ich war letztens bei einem „Bewerbungsgespräch“ bei einer anarchistischen Gruppe. Das fand ich zwar aufgrund meines Jobs irgendwie nachvollziehbar, aber im Kern auch etwas absurd 😉 )

Ich bin nicht so naiv, zu glauben, dass man alle „Volksfronten von Judäa“ mit den „Judäischen Volksfronten“ vereinigen kann. Ich verstehe, dass es Bereiche gibt, in denen man keine Kompromisse machen will. Trotzdem könnten wir mal diskutieren, ob „wir“ sowas wie einen Grundkonsens finden, der „uns“ größer, stärker, vernetzter machen könnte…

Weil die Probleme im Land und auch weiter betrachtet, global, so groß sind und werden, dass wir uns die ganze Spaltung vielleicht auch gar nicht mehr erlauben können…

Ich habe für mich persönlich die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen aus der linken, antifaschistischen, feministischen Szene Inspiration sind für mich. Rückhalt. Ansporn. Freunde. Und dabei haben gerade auch kontrovers, aber respektvoll geführte Diskurse mich oft weitergebracht. Manchmal auch radikaler gemacht…

Ich glaube daran, dass es Werte gibt, die uns einen.
(Und mit mehr Pathos:
„Obwohl wir uns nie ganz einig sind, gibt es nichts, was uns auseinander bringt…“
ZSK – Der richtige Weg)

Vielleicht mal bei einem Getränk diskutieren?

(Die Diskussion entstand via Twitter mit einigen Menschen. Unter Anderem mit www.twitter.com/amzdo und www.twitter.com/telegehirn
www.twitter.com/schwarzerhundbo Wir haben überlegt, ob man daraus nicht ein Treffen/eine Veranstaltung (im Ruhrgebiet) machen könnte.)

(Interesse? Rahmen, Größe, Ortsvorschläge?)
Spontan hatte ich ans AZ Mülheim gedacht…