Umgang mit Hunden

(Auch oder gerade in der sogenannten linksradikalen Szene)

Ich hatte vor Jess keinen eigenen Hund. Bisher waren es Katzen und eine Weile habe ich Pferde ausgebildet. Grundsätzlich sind aber die lernpsychologischen Grundlagen bei unterschiedlichen Tieren nicht so wesentlich anders, oder?

Bei Pferden habe ich immer ein wenig geguckt, was diese anbieten. Was sie gerne machen. Und dann versucht, in der Richtung zu verstärken, so es denn Verhaltensweisen sind, die sinnvoll/nützlich erscheinen.

Jess zum Beispiel ist sehr mutig, vorausgehend, neugierig. Das ist sehr hilfreich. Man muss sie eher etwas bremsen in ihrem Sturm und Drang. Warten fällt ihr schwer. Geduld. Irgendwo rumsitzen. Ruhe zu lernen, ist trotzdem natürlich sehr wichtig und auch sinnvoll gerade vor dem Hintergrund möglicher Neigung zu Reizüberflutung.

Spannend finde ich, seit ich nun diesen Hund habe, aber vor allem auch das Verhalten von Menschen (fremden und bekannten) im Bezug auf Hunde.

Warum erwarten Menschen von Hunden per se erst einmal absoluten Gehorsam? Sogar Menschen, die ich dem anarchistischen/antiautoritären Spektrum zuordnen würde. Was sind das für autoritäre Denkmuster? Würde man das so auch von Katzen, Schafen, Hühner etc. erwarten?

Viele andere Tiere sind aber nun nicht so im öffentlichen Raum unterwegs wie gerade eine auch zunehmende Anzahl von Hunden. Und natürlich ist auch nachvollziehbar, dass man nicht einfach angesprungen, angesabbert, beknabbert etc. werden möchte von einem fremden Hund. Eine gewisse Rücksichtnahme ist daher von Seiten des Hundes (noch mehr von Seiten der dazugehörenden Menschen) auf jeden Fall angebracht.

Aber das erklärt nicht, dass Menschen sich zum Beispiel hinstellen und von meinem Hund erwarten, „Sitz“ zu machen. Was ist denn da der Sinn überhaupt? Geht es um so Unterordnungszeug? Dominanz? (Die meisten dazu herumgereichten Theorien sind im Übrigen mittlerweile lange widerlegt, halten sich aber sogar in linken Kreisen weiter hartnäckig.)

Ein Bekannter schlug mal Kann- und Muss-Kommandos vor. Finde ich durchaus eine spannende Idee. Muss-Kommandos gibt es bei mir nicht so viele. Eigentlich nur welche, die meine, die Sicherheit des Hundes, eines anderen Tieres oder Menschen betreffen. „Stopp“ zum Beispiel (an Straßen, zum Abbruch eines Jagdversuchs, bergab oder auf Treppen, damit ich nicht falle) oder „Aus“, „Nein“ beim Fressen von etwas Unverdaulichem/Unbekannten oder gar Giftigem. (Und da das noch nicht immer klappt, ist sie halt vorwiegend mit Leine unterwegs.)

An anderen Stellen bitte ich mehr. „Kannst Du mir einen Mülleimer/eine Bank/einen Aufzug finden?“, „Zur Seite“, „rechts“/„links“, „voran“/„hinter“ finde ich auch durchaus hilfreich. Es ist aber für mich meistens nicht lebensbedrohend, wenn das nicht klappt.

In erster Linie sind aber Hunde halt auch Wesen mit Bedürfnissen und ich würde mir wünschen, wenn diese auch dementsprechend zur als solche zur Kenntnis genommen würden. Am Ende ist es also auch dort ein Aushandeln dieser Bedürfnisse zu einem möglichen Konsens, oder? Nicht einmal Hundeerziehung ist unpolitisch.

3 Gedanken zu „Umgang mit Hunden

  1. Nick Haflinger

    Hi Birgit,

    ein ausgesprochen schönes Tier! Ein Hund ist IMMER ein vollwertiges Familienmitglied – oder Mitglied des Haushalts, je nach dem – aber mit tierischen Ansprüchen. Was dieses Dominanz- und Unterwerfungsding angeht, hast Du völlig recht. Gleichwohl sind Hunde komplett auf die Außenwelt, auf ihre Rudelkumpels fixiert und da ist eine gewisse Dominanz durchaus angebracht, sonst sind sie unsicher und meinen, die Rudelführung übernehmen zu müssen. Das geht nicht immer gut aus, vor allem bei oder mit Kindern. Macht ein Hund Probleme, ist das eigentliche Problem meist am anderen Ende der Leine.
    Das mit Abstand beste Buch zum Thema stammt von einem US-Biologenpaar, Ray und Lorna Coppinger und heißt schlicht „Hunde“. Es ist sehr teuer aber das Sinnvollste, was ich bislang zu dem Thema gelesen habe. Wir haben ein mittlerweile fast 12 Jahre altes Rauhaardackel-Mädchen. Frieda hat vor allem eins, Persönlichkeit und einen ausgeprägten eigenen Kopf …..

    So long, Dein Ex-Fraktionskollege Joachim

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  2. Psi

    Unterschreibe ich alles voll. Du bist da (immer noch?) sehr nah an dem Ulli-Gedanken, unabhängig von den involvierten Menschen. siehe Superabruf. Für ersteres gibt es die Möglichkeit, den Hund wie beim Clickern selbst auf die Lösung kommen zu lassen (dafür gibt es auch einen Fachbegriff, der mit gerade abhanden gekommen ist). Als Hilfe kann man dann einen ‚Zonk‘ einführen, also ein Wort, das sagt ‚das ist nicht die gewünschte Lösung, such weiter‘. Gelernt wird das einfach, indem zu dem ausgewählten Wort dann keine Belohnung folgt. Hunde verknüpfen das idr schnell… Wir nutzen dafür ‚falsch‘, zum Beispiel, wenn Bela auf der Verlorensuche in eine für mich erkennbar falsche Richtung abdriftet. Ich rufe falsch und sie merkt mit der Zeit, dass da, wo ich das sage, die Suche nicht zum Erfolg führt. Mittlerweile orientiert sie sich auf ‚falsch‘ meist direkt neu – es ist aber eben ein Hinweis, kein Kommando.

    Der Vorteil an der Methode ist, dass Hund selbst auf die Lösung kommt. Das stärkt natürlich auch die Selbstsicherheit enorm, was ja gerade bei Bela anfangs sehr wichtig war. Gleichzeitig arbeitet man zusammen, miteinander und nicht in einem hierarchischen Schema.

    Jess ist ein Schatz. <3 Ich ärgere mich eigentlich kaum noch über Leute, die Hunde nicht zu schätzen wissen… stattdessen denke ich daran, was ihnen entgeht.

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