Gegenargumentation zum Rückzug der Unterstützung des Dortmunder Bündnisses gegen Nazis „BlockaDO“
Statt einer Podiumsdiskussion zu lauschen zum Rechtsruck in Europa, war es mir zunächst ein Bedürfnis, diese innerparteiliche Farce noch einmal dezidierter zu betrachten.
Man fühlt sich in dieser Partei ja immer wieder an Diskussionen aus den 80ern erinnert.
In der Vergangenheit war es in der Partei auf Bundesebene mehrheitsfähig (mit über 2/3-Mehrheiten), dass Initiativen gegen Neonazis unterstützt werden. Dies findet sich in diesen angenommenen Anträgen:
http://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2011.2/Antragsportal/X016
https://wiki.piratenpartei.de/Bundesparteitag_2011.2/Antragsportal/PA165
Weiterhin wurden Blockadebündnisse in Magdeburg und Dresden unterstützt.
Somit wurde der Konsens diesbezüglich entgegen seiner abschließenden Formulierung von Seiten des Landesvorstands NRW mit gefühlten Mehrheiten statt tatsächlichen Beschlüssen aufgekündigt. Zitat: „Fazit: Gegen einen Aufruf der Piratenpartei zu Blockaden von Nazi-Demos sprechen durchgreifende Gründe. Es gab vor einigen Wochen mal eine Art Konsens, dass die Piratenpartei zu Demonstrationen (!) gegen Nazi-Demos aufruft und es ihren Mitgliedern freistellt. Wenn die Partei es mir freistellt gegen Nazis zu demonstrieren, sich (als Privat-Person und unter Berufung auf die Gewissensfreiheit) an weitergehenden Maßnahmen zu beteiligen. Dieser Konsens würde die Interessen einer überwiegenden Mehrheit in der Partei berücksichtigen, man sollte ihn nicht ohne Not aufkündigen.“
Davon mal ab, sehe ich es eben natürlich nicht so, dass „durchgreifende Gründe“ gegen eine Unterstützung von Blockaden existieren. (Überhaupt ist die gnädige Formulierung, man dürfe ja teilnehmen, ohnehin lächerlich.)
Die Unterstützung des Landesverbandes NRW zurückzuziehen ist ein derart verheerendes Signal politisch, zumal wir hier von einer der Hochburgen der Neonazis in NRW reden mit mehreren Todesfällen und unzähligen Übergriffen durch Neonazis. Wir reden weiterhin von einer Nachfolgeorganisation des verbotenen NWDO, die nur deshalb nicht unter das Verbot fällt, weil die Partei „Die Rechte“ bereits gegründet war, als das Verbot durchgesetzt wurde. Die handelnden Personen sind aber dieselben.
Formulierungen wie diese:
„So, wie wir uns (zurecht) dagegen wenden, dass wegen ein paar Terroristen bürgerliche Freiheitsrechte aufgeweicht werden, so sollten wir sie auch nicht auf dem Altar des Antifaschismus‘ opfern.“
und natürlich die nicht fehlen dürfenden Hinweise auf „Autonome“ zeigen, worum es wieder einmal geht, nämlich um polemische Stimmungsmache wie seit Wochen. Hierbei wird nicht mal sauber aus dem Aktionskonsens oder dem Aufruf zitiert, sondern vorab diskutierte Formulierungen als Beleg verwendet, die am Ende nicht übernommen wurden. Hier die tatsächlichen abschließenden Formulierungen:
Aktionskonsens
Aufruf für den 1. Mai
Zu der unsauberen argumentativen Vorgehensweise passt auch, dass implizit unterzeichnende Gruppen als totalitär oder diktatorisch diffamiert werden.
Siehe:
„klare Positionierung“
„Die Piratenpartei Deutschland positioniert sich im §1 Ihrer Satzung und durch ihre Kernthemen eindeutig gegen faschistische und Menschenverachtende Bestrebungen. Dies ist eine klare Positionierung der Partei, welche es auch umzusetzen gilt.“ Die Piratenpartei lehnt nach § 1 ihrer Satzung nicht nur faschistische Bestrebungen jeder Art entschieden, sondern auch totalitäre und dikstatorische. Wie würde hier eine klare Positionierung bezüglich manch anderem Erstunterzeichner der Demo aussehen?“
Wen genau meint der LaVo da? Gewerkschaften, Linke, Grüne, Antifaschist*innen?
Weiterhin gibt es einen mehr oder minder lustigen Block über juristische Auslegungen. Hobbyjuristerei ist aber, wenn es um so ein ernstes Thema geht, halt nur bedingt witzig.
Mal so ein paar Beispiele für Auffassungen bezüglich Sitzblockaden:
http://www.staff.uni-giessen.de/~g11003/versr.pdf
https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20110307_1bvr038805.html
http://dortmundquer.blogsport.de/2011/08/13/auch-sitzblockaden-sind-geschuetzt-2/
Sitzblockaden sind eben auch Versammlungen. Stichwort: praktische Konkordanz.
Interessant ist auch die folgende Ansicht: „Durch Demos ändert keine Nazi seine Ansichten. Auch eine diesbezügliche Wirksamkeit von Blockaden dürfte zumindest noch nicht belegt sein.“
Da diverse Städte (Dresden, Mannheim, Magdeburg, Bad Nenndorf etc.) sehr wohl gezeigt haben, dass große, solidarische Bündnisse mit Blockaden sehr viel ändern können, ist diese obige Formulierung befremdlich. Es ist zudem so, dass weitgehend egal ist, ob ein Nazi seine Ansichten ändern. Es ist vielmehr wichtig, dass seinen menschenfeindlichen Ansichten und Aufmärschen von Gruppen von Nazis entsprechend Widerstand entgegengestellt wird. Dulden wird keinesfalls helfen. Appeasement hat in Städten wie Dortmund die Gruppierungen der Neonazis im Gegenteil erstarken lassen. Gerade Wegsehen bei zunehmendem Rassismus und anderer gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit birgt die Gefahr des Erudierens von Normen. Wo kein Widerspruch passiert, wird eine Verhaltensweise, eine Äußerung als akzeptiert angenommen. Dem ist entschieden entgegenzuwirken.
Später wird behauptet, eine Unterstützung von Blockaden sei eine Straftat. Auch dies ist polemischer Mist.
„Dass die Partei zu Straftaten aufruft und ungerechtfertigt in das Demonstrationsrecht von politischen Gegnern eingreift, ist mit der Satzung nicht zu vereinbaren.“ Als ob Nazis ein politischer „Gegner“ unter vielen wären. So wie die FDP oder die SPD.
Kommen wir zu dem auch angerissenen Aspekt der Glaubwürdigkeit.
Wiederum ein Zitat: „In der Satzung steht geschrieben, dass die Piratenpartei totalitäre, diktatorische und faschistische Bestrebungen jeder Art ablehnt. Kann man sich nun darauf zurückziehen, dass man sich ja klar positioniert hat? Meiner Meinung nach ganz klar nicht: Soll eine solche Abgrenzung nicht zu einem Lippenbekenntnis verkümmern, dann ist es geboten, dass die Piratenpartei sich zu gegebenen Anlässen (und ggf. auch darüber hinaus) sich eindeutig und aktiv (!) gegen jede Art solcher Bestrebungen wendet.“
Dazu passt nun eben nicht, dass der Landesvorstand die Unterstützung aufkündigt und damit die Distanzierung vom Faschismus zu eben jenem Lippenbekenntnis verkommen lässt.