Heute war eine Gruppe von 55 Schüler*innen der 9. Jahrgangsstufe eines Dortmunder Gymnasiums im Landtag.
Danach fällt mir auf: Ich vermisse die Schule…
Also nicht die Institution. Aber die Diskussionen dort mit Schüler*innen, den Austausch, den Streit…
Vorab. Ich fand die Stunde, die wir Zeit hatten zum Diskutieren viel zu kurz. Da waren echt ganz viele spannende Themen bei, die wir im Grunde nur so angerissen haben. Ich habe mir nicht alle Fragen gemerkt, aber hier mal ein kleiner Ausschnitt, worum es heute ging:
Zu Beginn ging es vor allem auch um Fragen zu meinem persönlichen Werdegang und um die Fragen, warum ich Politik mache und warum gerade bei den Piraten.
Bei den Piraten bin ich, weil ich 2009 den Eindruck hatte, man könne da sehr einfach mitmachen ohne große Hürden. Am Programm mag ich immer noch die gesamten Bereiche, die mit Teilhabe zu tun haben, aber natürlich vor allem auch das Bildungsprogramm aus NRW, Akzeptanz unterschiedlicher Lebensmodelle und die neuen Teile zu Asylpolitik.
Weiterhin wollten die Schüler*innen wissen, was ich so für Aufgaben habe und wie ein typischer Tag aussieht.
Ich habe also ein wenig von meinen beiden Ausschüssen erzählt (Schule und Weiterbildung und Frauen, Gleichstellung, Emanzipation). So richtig „typische“ Tage gibt es wenig (bis auf die Plenarsitzungen und Ausschüsse. Darüber hinaus gibt es schon sehr unterschiedliche Herausforderungen, Kongresse, Podiumsdiskussionen etc.)
Wie ist das mit der Wirksamkeit? Was kann man eigentlich wirklich bewirken?
Eine sehr spannende Frage. Ich denke, gerade in einer kleinen Oppositionsfraktion erkennt man sehr schnell, dass man nicht so ganz viel ausrichten kann, wenn die Landesregierung das nicht will. Aber manchmal stößt unsere Fraktion auch mal Denkprozesse an in Diskussionen, Debatten.
Was will ich machen, wenn 2017 die Legislaturperiode endet?
Ich weiß es ehrlich nicht. Ich habe das Glück, dass ich in die Schule zurück könnte. Ich weiß nicht, ob ich das noch will. Es handelt sich doch in großen Teilen um eine sehr hierarchisches System und ich habe eine Vorstellung davon, wie Bildung aussehen könnte, die damit nicht mehr kompatibel ist. Ich möchte Menschen nicht nur für den Arbeitsmarkt funktionsfähig machen. Auf der anderen Seite war ich sehr gerne Lehrerin und die Auseinandersetzung mit Schüler*innen macht mir viel Spaß. Ich mag das gemeinsame Lernen, gemeinsam etwas entwickeln, diskutieren, sehen, wie sich Menschen entwickeln, beraten, helfen…. Ich habe auch immer sehr viel von meinen Schüler*innen gelernt. Ich weiß noch nicht, was sich 2017 ergibt. Ich habe aber keine Angst davor. Ich könnte auch in Berlin/Dresden oder ganz woanders glücklich sein…
Wie stehe ich zum aktueller Streit in der Partei?
Ich habe kurz nachgefragt, ob es um die Diskussion um die Antifa-Fahne etc, geht. Ich finde die Diskussion wichtig, weil es um essentielle Werte geht. Um die Frage, was uns einzeln und als Partei wichtig ist. Wichtig finde ich auch die erweiterte Thematik darum, was überhaupt Gewalt ist, die sich daraus ergeben hat. (Ich empfehle hier mal diesen Blogartikel von @lightyear2000)
Wie stelle ich mir Schule im Idealfall vor?
Darüber habe ich immer mal geschrieben. Zum Beispiel hier.
Viele gute Ideen finden sich in unserem Programm.
Zum Beispiel eben die Idee der flexiblen Schullaufbahn.
Nicht alle lernen zur selben Zeit dieselben Sachen mit demselben Material. Dann wird auch Inklusion möglich (und die Frage nach G8 oder G9 stellt sich dann auch nicht mehr.)
Wie stehe ich zur Legalisierung von Cannabis?
Klar dafür. Weil Verbote nicht sinnvoll sind. Alkohol taugt als Droge auch nicht mehr, nur weil sie legal käuflich ist. Alkohol führt zu diversen körperlichen Schädigungen, macht aggressiv (größere
Anteile an Körperverletzungen etc. erfolgen unter Alkoholeinfluss.)
Ich mag das portugiesische Modell. Beratung, Information, Aufklärung ist wichtig.
(Die meisten wissen ja, dass ein Freund aus meinem früheren Freundeskreis an Heroin gestorben ist. Ich bin da also keinesfalls blauäugig.)
Die Dortmunder Pirat*innen haben da übrigens gerade eine Petition gestartet:
http://pp-do.de/cannabis-social-clubs-fuer-dortmund/
Wie stehe ich sonst zu Verboten (Altersbeschränkungen von Computerspiele etc.)?
Auch hier halte ich Aufklärung für sinnvoller. Wenn jemand ein Spiel bekommen will, findet sich sicher ein älterer Mensch aus dem Freundeskreis, der das hat.
Wichtig ist aber, darüber zu sprechen. Was macht das mit mir? Wie werden z.B. Frauen dargestellt? (Auch übertragbar auf Pornos: Welches Frauenbild wird da vermittelt? Welches Bild von Sexualität?)
Ich sehe aber nicht, dass Jugendliche Realität und Fiktion von Spielen nicht auseinanderhalten können.
Dann kam eine Frage, die ich so nicht erwartet hatte:
Was gefällt Ihnen an Anarchie? Können Sie sich eine Gesellschaft derart vorstellen?
Da hätte ich eigentlich weiter ausholen müssen. Ich weiß nicht, ob das auf eine Gesellschaft übertragbar ist. Aber ich hoffe es…
In kleinen Strukturen geht es. Hierarchien, Machtstrukturen zumindest immer wieder hinterfragen, abbauen. Regeln hinterfragen. Regeln selbst aushandeln. Solidarität vorleben. Respektvoll miteinander umgehen. Selbstverwaltete Freiräume schaffen. Autonomie zurückholen. Diskriminierungsformen erkennen und Diskriminierung aufdecken. Sich selbst hinterfragen….
Aber, um das weiter zu erforschen, haben wir ja noch das andere Projekt:
https://la-flora-negra.de
Wie sehe das ich Problem der Überwachung?
Auch schon wieder ein Thema, was man größer diskutieren muss. Ich durchschaue nur Teile der Möglichkeiten. Ich schätze, dass sich viele Menschen sehr hilflos fühlen und im Grunde keine Möglichkeit sehen, sich gegen einen als übermächtig empfundenen, abstrakten Gegner zu wehren.
Aber es kann dabei sicher nicht schaden, zumindest Mails verschlüsseln zu können. Das mache ich halt nicht mit allen Mails, aber mit welchen, die ich als wichtig/vertraulich einstufe.
Damit eng verbunden die Frage nach Nutzung von Medien (weil diese halt überwacht werden könnten)
Ich werde deshalb nicht meine Kommunikation einschränken. Zumal ich soziale Medien für mich als arbeitsnotwendig erachte zum Beispiel beim gemeinsamen Schreiben von Texten, für Telefonkonferenzen etc., aber auch, weil ein großer Teil meiner Freunde eben nicht „um die Ecke“ wohnt.
Mehrere Fragen zielten auf geplante Erhöhung der Diäten von Politiker*innen (im Bund) ab.
Schwierig. Ich möchte unbestechliche Politiker*innen, die nicht empfänglich sind für Bestechung. Es geht aber eben auch um das Gefühl von Gerechtigkeit.
Die nächste Frage war etwas kniffelig. Offenbar gibt es an der Schule der heute anwesenden Schüler*innen ein Nutzungsverbot für Handys. Das gliedere ich zwecks besserer Diskussion mal in einen zweiten Beitrag aus.
https://birgit-rydlewski.de/2014/02/12/handyverbote-an-schulen/
Mein Fazit:
Wahnsinn. Unglaublich gute Fragen. Sehr spannende Menschen. 9. Klasse.
(Die Anekdoten aus meiner Schulzeit erspare ich euch mal. Aber… Wir waren damals nicht so brav. Und es gab im Grunde weniger Konsequenzen. Kommt mir zumindest so vor. Die Klassenfahrt
Norderney damals… Und das mit der ausgehängten Tür… Sowas halt… Inhaltlich erinnere ich mich nicht an viel. War mehr so die Selbstfindungsphase. Voller Kämpfe. Mit sich selbst. Mit anderen Menschen. Mit meiner Mutter.)
These: Schüler*innen heute können mehr. Sind disziplinierter. Zielstrebiger. Hinterfragen Regeln weniger. Weniger rebellisch. Ist das gut oder schlecht?
„Be disobedient – wherever and whenever it is necessary.“ (Henry David Thoreau)