Ich habe heute Folgendes getwittert:
„Es wird nicht besser, solange die „bürgerliche Mitte“ Nazis zwar doof findet, aber gleichzeitig gegen Linke/Antifa hetzt.“
Es ärgert mich. Schon lange. Wo immer es um rassistische Äußerungen oder Taten geht. Wo immer Nazis marschieren. Es findet sich immer ein Presseartikel, in dem dann behauptet wird, da gäbe es auch „gewaltbereite Linksautonome“ (aktuell gerne auch bezeichnet als „Krawalltouristen“.)
Dortmunds Oberbürgermeister U. Sierau zum Beispiel verhinderte letztes Jahr das Antifacamp, um dann auch gleich noch einen schier unsäglichen Satz mitzuliefern, in dem er sagte, „Wir können auch Mitgliedern aus dem Alerta!-Bündnis helfen, aus der Szene auszusteigen“. Weiterhin wird dann von ihm im Vorfeld der gestrigen Demo zwar erklärt, dass er Sitzblockaden für legitim hält, gleichzeitig werden diese aber verfolgt. Wie passt das zusammen?
Antifaschistische Aktionen werden gerne in einen Topf geworfen mit rechten Gewalttaten. Nicht vereinzelt, sondern systematisch. Auf so einem Boden konnten NSU-Morde über Jahre unerkannt bleiben.
In einem Bündnis gegen Nazis in Dortmund soll darüber diskutiert worden sein, wie man „die Antifa“ von der Demo am 31.8. fernhalten könne. Ja, geht es denn noch?
Punkt 1: Es gibt nicht „die Antifa“.
Punkt 2: Antifaschistisch organisierte Menschen setzen sich friedlich ein gegen Rassismus, Antiromaismus und gegen Propaganda und Übergriffe durch Nazis.
Das beinhaltet auch mal eine Blockade von Nazidemos. Ich halte es für sinnvoll und sogar für notwenig. Und dabei auch die Variante, die nicht nur „Blockade für hübsches Pressefoto“ beinhaltet, sondern die Variante, bei der man damit rechnen muss, von der Polizei auch unsanft entfernt zu werden und zusätzlich zum Platzverweis eine Anzeige zu kassieren. Widerstand gegen Polizei ist da schnell mal konstruiert. Sich trotzdem den Nazis in den Weg zu stellen oder zu setzen, ist vor allem mutig.
Punkt 3: Gefühlt sind Repressalien gegen linke Versammlungen allgegenwärtig. Wegen Vermummung zum Beispiel. Gefühlt ist da ein Ungleichgewicht zu rechten Demos, bei denen auch viele vermummt herumlaufen, aber nicht in gleichem Maße Vermummte herausgezogen werden. Ich kann Menschen sehr gut verstehen, die verhindern wollen, dass rechte Fotografen ihre Gesichter auf ihren Seiten veröffentlichen und dort zu Gewalt gegen linke Aktivist*innen aufrufen. Das dient also nicht zum Schutz vor Strafverfolgung, wie gerne behauptet, sondern schlicht zum Schutz des eigenen Lebens oder der Familie etc.
Punkt 4: Weiterhin muss die Rolle des Verfassungsschutzes kritisch hinterfragt werden, der permanent auf der Ansicht beharrt, es gehe gar nicht vordergründig um den Kampf gegen Rechtsextremismus, sondern gegen die „freiheitlich demokratische Grundordnung“. Da (auch mit dem Hintergrund der NSU-Morde) nicht ein systemisches Problem zu erkennen, halte ich für naiv.
Punkt 5: Ich habe oft den Eindruck, dass gebetsmühlenartig Dinge über die „linke Szene“ verbreitet werden von Menschen, die nie auch nur einen Hauch damit zu tun hatten. Nahezu alle Erfahrungen, die ich mit antifaschistischen Bündnissen gemacht habe (viele Menschen davon sind Freund*innen geworden) waren und sind geprägt von respektvollem Umgang miteinander und von demokratischen Strukturen. Da muss ich nicht, wie an anderen Stellen der Gesellschaft, darüber diskutieren, wie man mit diskriminierender Sprache umgeht, weil es selbstverständlich ist, dass man das vermeiden kann. Da muss ich nicht darüber diskutieren, dass Sexismus scheiße ist. Da muss ich mich nicht rechtfertigen dafür, dass ich kein Fleisch esse. Da bekomme ich keine dummen Sprüche für antidiskriminierendes Engagement.
Konkret: Glaubt wirklich irgendwer, dass Antifaschist*innen nichts Besseres in ihrer Freizeit machen könnten, als überall in Deutschland nachts vor Häusern zu sitzen, weil sie Sorge haben, es könne nochmal etwas geben wie in Rostock damals? Die Stimmung in Deutschland ist derzeit wieder so, dass rassistische, ausländerfeindliche Äußerungen viel zu sehr toleriert und unter dem Deckmantel der „besorgten Bürger*innen“ kleingeredet werden. Gerne getarnt als Meinungsfreiheit und mit Sätzen wie „Das wird man doch wohl noch sagen dürfen…“ oder „Ich bin ja nicht ausländerfeindlich, aber…“
Fazit: Es wäre ein Anfang, wenn Menschen vermehrt stutzig würden, wenn in Medien und von Politiker*innen „rechts“ und „links“ in einem Atemzug genannt werden.
Und dann sollten sich immer mehr Menschen selber als Antifaschist*in begreifen….