Die Schere im Kopf

Vorwort: Danke an die Freunde, die den Text vorab gelesen haben. Ich habe mich nicht mehr getraut, ihn einfach zu veröffentlichen. Da ist irgendetwas kaputt gegangen…

Mal wieder haben Tweets von mir für mediale Aufregung gesorgt. Davon war ein Tweet ein Zitat einer Aussage von jemandem. (In der Presse wird es direkt mir in den Mund gelegt.) Vorher hatte ich es in einem anderen Tweet gewagt -nach 14 Stunden Sitzung- auf Twitter in einem kommentierten Retweet (also der Aussage von jemand anderem) zu äußern, ich sei müde. „Langweile“ kam als Ausdruck nie vor.

Monika Pieper hat dazu schon Stellung bezogen: http://monika-pieper.de/2012/11/674/

Wichtig dabei auch der Kommentar der Fraktionskollegin Simone Brand, die verdeutlicht, dass durch meine „unbedachte Äußerung“ die großen Zeitungen jetzt nicht, wie ursprünglich geplant, über das Transparenzgesetz geschrieben haben, sondern lieber den angeblichen Skandal aufwärmten. An der Stelle ist halt irgendwie Schluss damit, dass man einfach schreiben darf, was man will. Oder? (Ich füge mal den Gedanken ein, dass mein Glaube an Zusagen der großen Zeitung mit vier Buchstaben eher gering ist.)
Im Ältestenrat des Landtages wird mein Twitterverhalten wohl auch noch thematisiert werden.

Was nun?

Es gibt jetzt diverse Alternativen (vermutlich mehr, als mir auf Anhieb gerade einfallen):

Die ganz Eiligen erwarten sofortigen Rücktritt von mir. Schließlich hätte ich der Arbeit der Fraktion geschadet und überhaupt wollen wir ja in diesen Bundestag.

Dann ist es natürlich möglich, dass ich jetzt weitgehend nichts Privates mehr schreibe. Schließlich sind wir in der Fraktion nun Politiker und da müssen wir uns an die Regeln halten. Das heißt im Klartext: Ich muss jeden Tweet darauf überprüfen, ob er noch den Normen entspricht, die an Politiker im allgemeinen so angelegt werden. Das klingt einfach, ist es aber in der Realität gar nicht. Ist ein Retweet noch ok oder wird das dann wieder mir in den Mund gelegt? Was genau entspricht den gesellschaftlichen Normen? Interessant dabei natürlich, dass viele Neufollower mir gerade aus Sensationsgier folgen. Viele springen auch schnell wieder ab, wenn es dann auf einmal um Bildungspolitik geht. Das Gefühl von Doppelmoral an diversen Stellen kommt durchaus auch mal auf.

Theoretisch wäre natürlich auch möglich, dass ich einfach weitermache wie bisher.

Ich weiß ehrlich gestanden nicht genau, wofür uns Menschen gewählt haben. Wofür wählen Protestwähler, wofür wählen uns Stammwähler, wofür wählen uns Menschen, die vorher nicht gewählt haben? Inhalte einzubringen in Parlamente, halte ich absolut für wichtig. Und. Überraschung: Das tun wir auch! Moni schreibt, dass man uns aber nur ernst nimmt, wenn wir die Regeln befolgen. (Mich gruselt es schon ein wenig, wenn im Parlament darüber Worte verloren werden, dass mein Fraktionskollege Hans-Jörg Rohwedder bei seiner Rede versehentlich vergessen hat, das Jackett anzuziehen. Aber auch das gehört halt zu diesen Regeln und der Sache mit der Würde des Hauses. Etwas traurig übrigens an der Stelle, dass gerade viele von den Grünen da geklatscht haben.)
Haben die Menschen uns denn wirklich dafür gewählt, möglichst schnell zu werden wie die anderen Politiker?

Gunter Dueck hat letztens zu mir gesagt, dass wir nicht gleichzeitig Inhalt und Form ändern könnten. Vielleicht hat er Recht.

Aber da bleibt ein wenig ein ungutes Gefühl…

Ich habe faktisch nichts Schlimmes getan. Ich habe niemanden betrogen, nicht gelogen, mich nicht bereichert etc. Es gibt Werte, die ich nicht verkaufen will…
Gehört dazu auch, sich nicht zu verbiegen?

(An der Stelle übrigens mein großer Respekt vor Frau Milz, die das irgendwie durchzieht in diesem Parlament….in der CDU.)

Man bekommt Burn-Out, wenn man seine Werte nicht leben kann….

Es bleiben viele Fragen für mich… (Vielleicht können wir ein paar davon beim Treffen der Spackeria diskutieren):

Wären die Äußerungen bei einem Mann ein Problem gewesen?

Welche Art Politiker wollen Bürger eigentlich? (Einer hat mir auf Twitter vorgeworfen, dass ich dort antworte…. Ich solle lieber arbeiten…. Gehört Kommunikation nicht auch zur Arbeit eines Politikers?)

Welche Vorstellungen haben Menschen von der Arbeit eines Politikers?

(Natürlich ist es einfacher, sich nicht gleichzeitig auch noch mit der Überwindung gesellschaftlicher Normen zu beschäftigen. Ecken, Kanten machen angreifbar. Offen twittern macht angreifbar. Muss man sich nicht unbedingt antun. Ist halt auch sehr anstrengend….aber wie sinnvoll ist es, jetzt anders zu twittern als vor der Wahl?)

Welche Rollenerwartungen werden an Politiker gestellt? (Und welche davon wollen wir auch wirklich erfüllen?)

Wie viel Macht haben Medien? (Und wie sehr lassen wir uns davon beeinflussen in unserem Handeln?)

Und etwas spezieller: Was wollen Wähler von den Piraten?

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