Schlagwort-Archive: Kapitalismuskritik

„Antifa in der Krise?!“

Kongress

20140412-204412.jpg

Das Podium von gestern ist mir leider entgangen. Hier nun zum heutigen Tag:

(Insgesamt sind es recht viele Eindrücke und Inhalte, so dass es mir schwer fällt, dies kurz zusammenzufassen. Da aber meine geneigten Leser*innen mitunter nicht alle Antifa-Aktivist*innen sind, trotzdem ein paar Betrachtungen auf den heutigen Tag der oben genannten Konferenz.)

Workshop 1:

NSU und Antifa

Erschreckend im Rückblick, dass antifaschistische Gruppen durchaus die Täter*innen und Unterstützer*innen im Blick hatten auch Jahre vor der Enttarnung.

Wie wahrscheinlich ist es, dass die zentralen Fragen im Prozess zum Beispiel gar nicht geklärt werden?
Was/wer könnte/kann Recherche leisten? Ein Vorschlag war u.a. eine oder mehrere nichtstaatlich organisierte und finanzierte Ganztagsstelle(n), die Rechercheergebnisse zusammentragen, publizieren und weiterführen.

Mehr Kommunikation mit Opfern von rechter Gewalt oder Angehörigen anbieten.

Den NSU nicht als Geschichte betrachten, als abgehakt ansehen, die Vorfälle als von Einzeltäter*innen begangen abtun. Neonazis haben immer noch Waffen. Es gibt eine gute Vernetzung der Szene. Es muss ein Unterstützer*innennetzwerk gegeben haben.

Workshop 2:

Tschechien. Antiziganismus.

Workshop 3:

Proteste gegen Asylsuchendenunterkünfte

Beispiele Hellersdorf, Leipzig, aus dem Publikum Duisburg und Essen und weitere. Schwierig: Alltagsrassimus und Antiziganzismus bei „besorgten Bürger*innen“ weit verbreitet. Dies wird von rechten Gruppierungen/Parteien aufgegriffen, im Wahlkampf verwendet und verstärkt. Dadurch werden auch zahlenmäßig recht große Gruppen mobilisiert.

Problem: schmaler Grat zwischen Paternalisierung und Hilfe zur Selbsthilfe (sprich Empowerment oder Ermutigung von Refugees, ihre politischen Anliegen zu formulieren und ihre Kämpfe selbstorganisiert zu führen)

Abendpodium:

http://kriseundrassismus.noblogs.org/post/2014/03/10/antifa-in-der-krise-3/

„Danke an die „Junge Freiheit“ (Anm. Rechte Zeitung). Jetzt schaut auch der Verfassungsschutz zu. Das ist ja irgendwie auch beruhigend.“

Welche Rolle kann „die Antifa“ spielen in einer Welt in einer Krise?

Themenblock 1:

Die rechtspopulistische Partei AfD stellt die Antifa vor neue Herausforderungen. Die AfD verschiebt den gesellschaftlichen Diskurs nach rechts. Klassische Strategien funktionieren da nicht, weil die AfD vermeidet mit bekannten Rechtsradikalen zusammenzuarbeiten. Es ist nichtsdestotrotz eine nationalistische Partei. Man muss an der Stelle also inhaltlich angreifen. Widersprüche aufzeigen (auch zwischen Wähler*innenklientel und Leistungschauvinismus im Programm). Die Gefahr besteht, dass die von der AfD vertretenen Positionen in einer von Alltagsfremdenfeindlichkeit durchzogenen Gesellschaft auf fruchtbaren Boden fällt.

Themenblock 2:

Zunehmende Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte, nicht immer gewalttätig, aber häufig, zeigen Probleme des Versuchs der Abgrenzung vieler Bürger*innen gegen Flüchtlinge etc. und eine Verbrüderung eines bürgerlichen Mobs mit Neonazis. Willkommenskultur kann hier frühzeitig helfen, allerdings wird auch hier der Kritikpunkt genannt, dass leider vielfach Asylsuchende selber gar nicht gefragt werden. Ebenso müssen lokale Strukturen eingebunden werden.

Politisch: Überfälle werden als unpolitisch abgetan. Aktivist*innen/Opfer von rechter Gewalt werden zu häufig als Täter*innen angenommen. Es wirkt, als hätte man aus dem NSU nicht gelernt bzw. sind strukturelle Probleme einfach tatsächlich nicht behoben worden. Ermittlungsbehörden sind weiterhin so tätig wie vor dem Bekanntwerden des NSU. Der Verfassungsschutz zieht im
Grunde Vorteile daraus. Heimleiter*innen wollen trotz Übergriffen Normalität zeigen. Hier überall muss der Finger in die Wunden gelegt werden.

„Selbst wenn Rassismus in einer Gesellschaft Normalität ist, ist das nicht unsere Normalität.“

Themenblock 3:

Nachwuchsproblem bei der Antifa? Zu wenig Menschen für zu viel, was man leisten möchte? Warum wächst die Antifa nicht? (Kurze Antwort: „weil es anstrengend ist“)

Was gut funktioniert: Große Bündnisse (Blockaden in Dresden als Beispiel), Blockaden sinnvoll aus einer defensiven Position heraus?) grundsätzlich Diskussion über zivilen Ungehorsam in einer größeren Gruppe von Zivilgesellschaft. Was ist legal? Was ist legitim?

Themenblock 4:

Institutionelles Versagen bei den NSU-Taten. Systemisches Versagen. Auch Antifagruppen haben ihre durchaus Erkenntnisse zu wenig vernetzt. Zu viele Aufgaben, zu wenig Zeit/Menschen. Beispiel: Zu wenig Begleitung des NSU-Prozesses. Arbeitsteilung muss verbessert werden.

Antifarecherchen werden durchaus verwendet, trotzdem wird die Expertise nicht anerkannt. Gesellschaftspolitische Analysen werden komplett ignoriert.

Fragestellungen/allgemeine Ansätze:

Strukturen und Alltagsrassismus als Thema stärker in den Fokus nehmen. Mit Opfern reden.
Wie kann sich Antifa Gehör verschaffen? Mehr selber Akzente setzen, nicht nur reagieren. Willkommenskultur schaffen/verbessern. Mit anderen Gruppen vernetzen? Antifa/Antira-Arbeit besser vernetzen. Wie wird man mehr gesellschaftliche Linke? Sich selbst als politischen Akteur ernster nehmen. Strategischer handeln. Arbeitsprozesse verbessern. Trotz fehlender Bundesorganisation Vernetzung/Austausch autonomer Gruppen verbessern. Erweitern auf soziale Themen.

Was mich bis dahin beim Kongress bewegt (Zwischenfazit):

Positiv:

Grundsätzlich sinnvolle Veranstaltung, seit Jahren größerer Kongress dieser Art in Deutschland. Viele engagierte Menschen, nach meiner Auffassung recht gut besucht (Workshopräume sehr voll), fachlich in den meisten Fällen sehr hochwertig, interessante Vorträge, gute Einbindung des Publikums, oftmals sehr gute Moderation, wie immer bei Kongressen zu viele spannende Sachen gleichzeitig

Negativ:

Teilweise „Mackerkultur“ (mehrfach irgendwie unnötig angerempelt worden, so rücksichtsloses Verhalten nervt mich schnell), überhaupt reden auch mehr (weiße, studierte) Männer als Frauen (der Frauenanteil ist sicherlich nicht bei 50 Prozent), aber zumindest wird über quotierte Redelisten nachgedacht und gesprochen, Essen recht teuer und kaum vegan.

Ein Kritikpunkt mal extra: Mir fällt wiederum auf, dass wir bei diversen Workshops und Themen über Betroffene (Asylsuchende, Roma, von Rassismus betroffene Menschen etc.) sprechen, aber im Grunde keine Betroffenen selber zu Wort kommen oder selber Workshops/Vorträge anbieten. Generell sollte antifaschistische Politik mehr mit Betroffenen zusammen gemacht werden. Ich finde, daran könnten wir in der antifaschistischen Szene arbeiten.