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Mehr als nur Nazis jagen?!

Da ich selber leider nicht zur Bilokation fähig bin und dieser Workshop parallel lief und auch super interessant klang, hier ein Gastbeitrag von Alice zum Workshop „Antifa feministisch weiterdenken“:

Das letzte Podium, was ich im Rahmen des Kongress „Antifa in der Krise?!“ besucht habe, beschäftigte sich mit queerfeministischen Themen in der antifaschistischen Bewegung. Auffällig wurde, noch bevor es losging, dass es eine Diskrepanz gibt zwischen dem oft formulierten Anspruch „Antifa ist mehr als Nazis jagen!“ und den tatsächlichen Zuständen. Offensichtlich scheint es die cis-männlichen Genossen wenig zu interessieren was die beiden referierenden Personen der „trans*geniale f_antifa“ zu sagen hatten. Immerhin waren ca. 3x mehr Frauen als Männer anwesend. Die kommunistische Argumentation des Nebenwiderspruchs drängt sich auf.

Nach einer kurzen Einleitung fingen die Referierenden an einige Begriffe, die für dieses Thema wichtig sind, zu erklären. Damit kamen sie einem selbsterklärten Anspruch nach, ihren Vortrag auch für Personen offen zu gestalten, die keinen akademischen Hintergrund haben, um einer Exklusion vorzubeugen.

Im Rahmen dieser Begriffserklärung wurden einige Ansichten geäußert, die ich gerne weitertragen würde, da ich sie für interessant und/oder wichtig halte:

1. Ablehnung der Begriffe „Homophobie“ und „Transphobie“, da sie Hass und Gewalt, zumindest dem Begriff nach, mit Angstzuständen erklären und damit eben jenen Hass relativieren. Als Ersatz wurde der Begriff „Heterosexismus“ vorgeschlagen oder das Ersetzen des Wort „Phobie“ durch „Feindlichkeit“.

2. Im Zusammenhang mit der Thematik Ableismus (Diskriminierung/Exklusion von behinderten Menschen) wurde angemerkt, dass Menschen nicht behindert sind, sondern durch die Gesellschaft behindert werden. (Stichwort: Einrichtung einer barrierefreien bzw. barrierearmen Gesellschaft und Umwelt)

Anschließend wurde die Struktur/Gruppe vorgestellt, aus der die beiden kommen. Die „trans*geniale f_antifa“ versteht sich als Gruppe, die an feministische Antifakonzepte der ’90er anknüpft und sie um die Bedürfnisse von Trans- und Inter-Menschen erweitert. Um für die Gruppenmitglieder einen Raum zu schaffen, in dem sie sich vor Übergriffigkeiten sicher fühlen, sind keine cis-Männer zugelassen. Ansonsten probiert die Gruppe jegliche Exklusion zu vermeiden und übt daher Gesellschafts- und Herrschaftskritik, die u.a. auch in Reflexion über die eigenen Privilegien und eigenen Betroffenheit mündet. Sie versuchen barrierearme Räume und Veranstaltungen zu organisieren. (Stichwort: Reflexion darüber, inwiefern nicht-drogenfreie Räume (von Tabak über Alkohol bis hin zu „härteren“ Drogen) eine Barriere darstellen)
Kritik wurde u.a. an der teils sehr heterosexistischen Berliner linksradikalen „Szene“ geübt, an linker Emotionsfeindlichkeit, die den Umgang/die Verarbeitung von Erfahrungen mit sprachlicher und körperlicher Gewalt schwieriger macht und damit selber wieder zur Barriere werden kann.

Ein schwerer, aber berechtigter Vorwurf ist, dass die radikale Linke, genau wie der Rest der Gesellschaft, Trans-Menschen unsichtbar macht (z.B. auf Plakaten, in Aufrufen gegen Naziaufmärsche etc.) Dabei gibt es viele und berechtigte Gründe, warum Queer-Feminismus Teil der antifaschistische Bewegung sein sollte. Die „trans*geniale f_antifa“ nimmt z.B. positiven Bezug auf den Schwur von Buchenwald und benennt als Wurzel des Nazismus u.a. die duale Geschlechtereinteilung und das Patriarchat. So wurden z.B. bei der ersten Bücherverbrennung in Berlin auch sexualwissenschaftliche Werke verbrannt.

Weiterhin zeigt sich gerade in letzter Zeit wie „besorgte Eltern“ und Rechte Hand in Hand gehen (z.B. Pro Köln in Köln, NPD und Autonome Nationalist_innen in Stuttgart).

Ein weiteres Bespiel, dass Nazis massiv antifeministisch sind, ist einer der jüngsten Angriffe in Schweden auf Showan Shattak. Er war nicht das einzige Opfer des Angriff. Er und seine Genoss_innen kamen von einer Veranstaltung zum Frauenkampftag. Weiterhin hat Showan die Kampagne „Fottbolssupportrar mot Homofobi“ (Fußballfans gegen Homophobie) mit initiiert. Aber natürlich gibt es trans- und homofeindliche Übergriffe auch in Deutschland und nach Aussage der Referierenden ist die queerfeministische Bewegung alleine nicht in der Lage, das alles abzufangen und Widerstand zu leisten. Genau hier könnte „die Antifa“ ins Spiel kommen.

Zusätzlich wurde noch ein ganz konkretes aktivistisches Thema angesprochen. Der „Marsch für das Leben“ eine heteronormative, patriarchale und reaktionäre Demonstration, die jeden September in Berlin stattfindet und sich gegen Abtreibungen richtet. Trotz steigender Mobilisierungszahlen und politischem und gesellschaftlichem Einfluss (Grußworte kommen u.a. von Mitgliedern des Bundestages und der Landtage sowie von Bischöfen) bleibt eine große linksradikale Mobilisierung zu Gegenprotesten bis jetzt aus. Hier wären antifaschistische Gruppen gefragt, um die (queer)feministische Bewegung zu unterstützen und Teilnehmer_innen der Gegenveranstaltungen vor Übergriffen zu schützen.

In der anschließenden Diskussion wurde u.a. gefragt, was sich „die queerfeministische Bewegung“ von „der Antifa“ wünscht. 3 Hauptpunkte wurden daraufhin von den Referierenden genannt.
1. Reflexion über eigenes exkludierendes Verhalten
2. Zusammenarbeit (z.B. Mobilisierung gegen reaktionäre Demos)
3. Queerfeminismus muss Alltag werden!

PS: Wie sehr auch die antifaschistische Bewegung patriarchale Verhaltensmuster verinnerlicht hat, zeigt sich auch darin, dass Frauen in der Naziszene in den meisten Fällen als Mitläuferinnen angesehen werden und selten als Täterinnen benannt werden oder Ziel von Recherche sind.

„You shall not pass“

Antifa-Kongress, nächster Teil

Workshop:

nazifrei revisited – Über Blockadebündnisse

Immerhin beginnt es mit einer Entschuldigung, dass nur Männer auf dem Podium sitzen. Ich erfreue mich daran, dass es in der Szene zumindest ein Bewusstsein für diese Probleme gibt, aber der Leidensdruck ist offensichtlich nicht groß genug, um’s zu ändern, sondern nur, um sich zu entschuldigen. (Und das nächste Mal läuft’s dann wieder so?)

Aber kommen wir zum eigentlichen Thema:
Auf dem Podium Vertreter aus Dresden, Cottbus, Bad Nenndorf

Dresden nazifrei:

Dresden wird sehr oft als Vorbild genannt. Aber dieses Jahr war eher kein Erfolg.

Erfolg in Dresden: bis 2009 konnten große Gruppen Neonazis durch Dresden marschieren. Zwar mit kleinen Gegenbewegungen, aber bis dahin war die zivilgesellschaftliche Auffassung sehr davon geprägt, dass man sie halt laufen lassen könne und dann wären sie nach einem Tag wieder weg. Mittlerweile wird immerhin mehr darüber diskutiert, wie man mit diesem Tag nun umzugehen hat. Es ist lange noch nicht so, dass die Auseinandersetzung mit dem Opfermythos in weiten Teilen der Gesellschaft zufriedenstellend erfolgt.

Die Frage nach Legitimität von Blockaden wurde diskutiert. Diesbezüglich hat sich gefühlt das Klima in der Stadt durchaus verändert. Mehr Menschen aus Dresden selbst, sind bereit, sich an Blockaden zu beteiligen.

Kritisch wird gesehen, dass in diesem Jahr in der Öffentlichkeit dargestellt wurde, dass Dresden den 13.2. zurück habe und dies ist schlicht nicht wahr. Es waren Nazis in der Stadt und die kritischen Stimmen waren viel zu wenig bei den Gedenkveranstaltungen. Da der große Punkt des Naziaufmarsches wegfiel, wird es schwerer, den Diskurs um den Opfermythos und die Feierlichkeiten des Tages aufrecht zu halten. Ordner*innen der Menschenkette sollen die Anweisung gehabt haben, auch bei offenkundigen Neonazis dazwischen nicht einzuschreiten, um das Gedenken nicht zu stören. Die Demo der Nazis am Tag zuvor wurde hingegen kaum in der Öffentlichkeit beachtet.

Bad Nenndorf:

Angst der Menschen vor Ort vor angeblich Autos anzündende Autonomen war zunächst vorhanden. Struktur geschaffen, um Massenblockade zu organisieren. Erst zwei Jahre nach den ersten Naziaufmärschen hat sich die breite Mehrheit mit dem Problem beschäftigt. Vorher haben sich hauptsächlich Menschen aus Antifa-Strukturen dem entgegengestellt. Weiterhin ist es eher ein kleiner Ort, so dass Vertrauensarbeit wichtig war. Seit 2010 geht die Teilnehmer*innenzahl der Naziaufmärsche deutlich zurück aufgrund der Gegenproteste.

Cottbus:

Bündnis seit ungefähr vier Jahren. Vorbild Dresden. Unterschiedliche Akteur*innen. Zwei Jahre lang hat das Konzept nicht funktioniert. Sitzblockaden wurden gewaltsam geräumt etc.
Zwei Jahre hat es geklappt, den Naziaufmarsch zu verhindern. Es haben sich zunehmend Menschen getraut, mitzumachen. Bei größeren Gruppen in Sitzblockaden nimmt die Gefahr von Gewalt durch die Polizei gegen Aktivist*innen ab. Viel Kommunikation mit der Stadt. Breites Bündnis: Gewerkschaften, Autonome Antifa, Parteimitglieder etc.

Magdeburg:

Problem der Informationsbeschaffung: Da es keine Informationen über die Route der
Nazis gab, war es quasi unmöglich, effektive Sitzblockaden durchzuführen. Dadurch werden Gruppen zersplitterte. (Es ist nicht machbar, 11 Bahnhöfe zu besetzen.) Akzeptanz ist in der
Mehrheit schon vorhanden.

Dortmund:

Bündnis noch relativ neu. Diskussionen natürlich auch über Aktionskonsens. Verschiedene Akteur*innen (Autonome Antifa, Gewerkschaften, Parteien etc.) Bürgermeister hat zunächst freudig verkündet, dass es das Bündnis gibt. Später dann doch keine Unterstützung. Weiterhin Diskussionen darüber, ob man überhaupt Blockaden durchführen oder dazu aufrufen darf. Ablauf des 1. Mai im Detail noch unklar.

Kritikpunkte: Wird genug reflektiert, ob Sitzblockaden sinnvoll sind? Gibt es weitere Aktionsformen, die angewendet werden können? Viel hängt an der frühzeitigen Kenntnis der Route von Aufmärschen. Problem außerdem, mit wem man zusammenarbeiten möchte. Eine Kooperation mit Menschen, Parteien, die in ihrem Verhalten Rassismus etc. mittragen, muss kritisch gesehen werden. Oft geht es halt darum, dass Image einer Stadt zu verbessern. Alle machen toll was gegen Nazis. Presse/Öffentlichkeit: Wenn es gut klappt, war es die breite Gesellschaft/die Stadt, die Naziaufmärsche verhindert haben. Wenn irgendetwas schief geht, waren es „die Autonomen“.

Wünschenswert:

In antifaschistischen Gruppen sollte es mehr Vor- und Nachbereitung von Aktionen geben. (Zum Beispiel zum Umgang mit Polizeigewalt und dadurch entstandenen physischen und psychischen Verletzungen. Darauf gehe ich eventuell nochmal mit einem gesonderten Text ein, weil es auch zu der im Seminar zu Antifa und Feminismus geäußerten Emotionsfeindlichkeit der linken Szene passt und damit als Thema komplexer wird.)